Nazar

Mir ist bewusst, dass viele Falco-Fans das Kotzen kriegen.

Nazar ist der erste Rapper, der posthum ein Duett mit Falco singen konnte. Mit seinem Album „Camouflage“ schaffte er es auf Platz 2 der Album-Charts. Im Interview erzählt er, wie er an bislang unveröffentlichtes Falco-Material gelangte, spricht über sein schwieriges Image und seine Zeit im Krankenhaus.

Nazar

© 2014 Michael Breyer

Nazar, aktuell sorgst du mit dem Song „Zwischen Zeit und Raum“ für Furore, für den du eine bisher unveröffentlichte Strophe sowie einen Refrain von Falco bekommen hast. Wie kam es dazu?
Nazar: Eingefädelt wurde das von Wolfgang Schlögl, dem Organisatoren des Wiener „Popfest“. Er hat mich mit Thomas Rabitsch bekannt gemacht, dem ehemaligen Keyboarder und Produzenten von Falco, der noch unveröffentlichte Falco-Songs besitzt.

Wie kamen sie denn auf dich?
Nazar: Rabitsch hat mir erzählt, dass er meine Karriere schon lange verfolgt und dass ihm meine Musik gefällt. Er hat mir dann Sachen von Falco vorgespielt und wir haben viel geredet. Insgesamt haben wir uns bestimmt 30 Mal getroffen, bis ich den Song irgendwann mal auf einer rohen Skizze aufgenommen habe – mit den Vocals von Falco. In demselben Studio, in dem Falco diese Vocals aufgenommen hat, mit dem gleichen Mikrofon, in das auch Falco gesungen hat. Das war ein ganz krasser Moment für mich.

Wer besitzt die Rechte an dem Song?
Nazar: Thomas hat Rechte daran, die Sony hat Rechte daran und Falcos Stiftung hat Rechte daran. Ich bin der einzige, der keine Rechte daran besitzt. (lacht) Im Gegenteil: Ich musste sogar noch für die Nutzungsrechte bezahlen. Aber das ist okay, denn um Kohle ging es mir bei dem Song nie.

Welche Bedeutung hat dieses Feature von Falco für dich?
Nazar: Diesen Song machen zu können ist eine unfassbare Ehre – zumal Thomas seit Falcos Tod 1998 immer noch wöchentlich E-Mails aus der ganzen Welt mit Anfragen bekommt. Bis dato wurde aber immer alles abgelehnt. Überhaupt: Ich bin erst das zweite Feature, das Falco überhaupt je gemacht hat. Eins gab es schon mal – mit Brigitte Nielsen („Body Next To Body“, 1987; Anm. d. Verf.).

Hast du Falco schon als Kind gehört?
Nazar: Das ließ sich gar nicht vermeiden. In Österreich war Falco überall. Aber hey: Das war der erste Typ, der mit einem deutschsprachigen Song in Amerika auf die Eins gegangen ist; der erste, der in Fernsehsendungen mit Zigarette im Mund sich über irgendwelche Leute lustig gemacht. Er war der erste im deutschsprachigen Raum, der es verstanden hat, Leuten ein Image zu verkaufen, etwas darzustellen und zu repräsentieren – und diese Linie hart zu verfolgen. Falco war einfach ein mies cooler Motherfucker!

Zitiert

Für viele Leute bin ich nach wie vor der Prototyp-Kanake.

Nazar

Ist Falco für dich auch einer der ersten deutschsprachigen Rapper?
Nazar: Nein, das nicht. Das hat Falco hat in irgendwelchen Interviews sogar selbst mal dementiert. Das muss er aber auch gar nicht sein. Das war so ein cooler Typ, so ein eigener Künstler; der hat eh in keine herkömmliche Kategorie gepasst.

Meinst du, ihr hättet euch gut verstanden, wenn er noch am Leben wäre?
Nazar: Darüber habe ich mit Thomas Rabitsch viel geredet. Mir ist natürlich bewusst, dass viele alte Hardcore-Falco-Fans das Kotzen kriegen werden, wenn sie den Song hören – zumal das in Österreich eine riesige Sache werden wird. Aber Thomas meinte, dass Falco gerade das sehr interessant gefunden hätte. Thomas ist sich sicher, dass wir uns gut verstanden hätten, weil wir eine sehr ähnliche Denkweise haben.

Der Song findet sich auch auf deinem neuen Album „Camouflage“. Warum dieser Titel?
Nazar: Ich wollte die Leute auf eine falsche Fährte locken. Bei „Camouflage“ denkt man ja automatisch an einen Rapper in Tarnklamotten, der ein Battle-lastiges Streetalbum macht. Aber eigentlich war nur mein erstes Album hart, danach bin ich als Künstler schnell gereift und habe stets auch Songs gemacht, die nicht meinem Image entsprochen haben.

© 2014 Michael Breyer

© 2014 Michael Breyer

Ist es schwer, so ein Image abzustreifen?
Nazar: Für viele Leute gelte ich ja nach wie vor als Prototyp-Kanake, obwohl ich ganz andere Musik mache. Deswegen passt „Camouflage“ im Sinne von Tarnung perfekt – sollen sich die Leute doch täuschen lassen und ein falsches Bild von mir haben. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass die irgendwann begreifen, dass ich schon lange nicht mehr der bin, für den sie mich halten.

Dann siehst du dich selbst also nicht als Straßenrapper?
Nazar: Nein, schon seit meinem ersten Album „Kinder des Himmels“ nicht mehr – und das ist sechs Jahre her. Ich habe ja auch nie Gangster-Songs über Drogen gemacht. Ich habe immer bloß versucht, harte Songs zu machen, die ein Gefühl transportieren, das den Alltagsfrust widerspiegelt; Songs, mit Hilfe derer du dich abreagieren kannst. Ich habe aber nie darüber gesprochen, wie gewalttätig ich im wahren Leben bin.

Aber es gibt auf „Camouflage“ durchaus Stücke wie „Randale“, die entsprechende Rückschlüsse zulassen.
Nazar: „Randale“ ist einfach ein Battle-Track voller Punchlines, auf dem mal kurz mein Rapper-Ego durchkam – zumal es in Deutschland ja permanent die Diskussion darüber gibt, wer der krasseste Spitter ist und der wahre King of Rap. Also habe ich mal kurz aus der Hand geschüttelt, was ich als alter Mann noch auf der Pfanne habe. „Randale“ ist ein guter Battlerap-Track – mehr nicht.

Im Song „Nazar“ hört man, dass du angeblich einige Politiker aus dem Amt gedrängt hättest. Ist das wahr? Dass du die Politik der FPÖ kritisierst ist ja zumindest bekannt.
Nazar: Wegen mir ist niemand zurückgetreten. Aber ich weiß, dass gewisse FPÖ-Politiker ursprünglich für höhere Positionen innerhalb der Partei vorgesehen waren, diese Positionen aber letztlich nicht bekommen haben, weil sie mich in Interviews krass beleidigt und sich damit selbst öffentlich blamiert haben. Dadurch haben sie massiven Gegenwind von Österreichs Jugend erhalten.
Solange es eine Partei in Österreich gibt, die meine Herkunft und meinen Glauben beleidigt, werde ich mich dagegen wehren. Gerade weil ich als Musiker eine Position innehabe, in der mir die Leute zuhören.

Der Song „Kanax“ dreht sich um das stereotype Bild von Südländern, hast du im Alltag auch mit Vorurteilen zu kämpfen?
Nazar: Natürlich. Als wir jetzt mit der Radio-Promotion begonnen haben, wurde mir von der Plattenfirma geraten, kein Foto von mir auf das Cover der CDs zu packen, die wir ans Radio schicken. Die hatten Angst, dass ich sofort abgestempelt werde und die Leute sich die CD deshalb gar nicht erst anhören. Selbst Sido meinte zu mir zum Song „Rosenkrieg“, der ebenfalls als Single geplant ist: „Dicker, das ist ein unfassbar guter Song. Aber dir wird er keinen Erfolg bringen. Die werden dir das nicht abkaufen, weil die dich in eine andere Schublade stecken.“ Und wahrscheinlich hat er Recht damit. Aber testen werden wir das trotzdem.

Zum Schluss noch eine Frage zu dem Album-Intro, in dem du rappst: „Kämpfte mich hoch aus ’ner schwierigen Zeit/Mein Wille hat mich aus der Klinik befreit.“ Hat das einen ernsten Hintergrund?
Nazar: Ich habe vierzehn Operationen hinter mir und mein halbes Leben in Krankenhäusern verbracht – insgesamt bestimmt fünfzehn Jahre.

Du hast fünfzehn Jahre im Krankenhaus verbracht?!
Nazar: Ja. Das ist eine lange Geschichte, die ich auf dem letzten Album bereits kurz angesprochen habe und mal ausführlich erzählen möchte, wenn ich ein Buch schreibe. Die Kurzfassung davon lautet, dass ich als Baby im Iran durch eine Spritze gegen Fieber Osteomyelitis bekommen habe, eine seltene infektiöse Entzündung des Knochenmarks. Deswegen bin ich zig Mal operiert worden und war im Anschluss an diese Operationen immer ein Jahr lang stationär in Behandlung. Selbst meine halbe Schule habe ich im Krankenhaus gemacht.

Das klingt furchtbar.
Nazar: Ich erinnere mich auch nur ungerne an die Zeit – obwohl ich, von den Schmerzen einmal abgesehen, nur gute Erfahrungen im Krankenhaus gemacht habe. Wir sind damals gerade aus dem Krieg gekommen. Meine Mutter war im Flüchtlingslager und hatte noch nicht mal Geld, um mich zu besuchen, sodass ich sie zwei Jahre lang nicht gesehen habe. Die Schwestern im Krankenhaus waren damals mein Mutterersatz. Ich bin dort immer gut behandelt worden. Dennoch ist es heute immer noch ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich in einem Krankenhaus bin.

5 Kommentare zu “Mir ist bewusst, dass viele Falco-Fans das Kotzen kriegen.”

  1. Martina |

    “Ich bin erst das zweite Feature…“, sehr anmaßend Herr Nazar (u zudem schlecht informiert, siehe oben) , so über ein Arbeit zu sprechen, die mit der Musik eines schon lange verstorbenen Künstlers entstanden ist. Wer sagt, daß Falco dieser Zusammenarbeit überhaupt zugestimmt hätte?

    Grundsätzlich erfreut es mich, daß Falco auch 24 Jahre nach seinem Unfalltod noch so aktuell, publik u beliebt ist; allerdings nicht mit solch einem zusammengeschusterten Schmonzes.

    Antworten
  2. Letti |

    Ich finde das Feature mit Falco einfach nur genial. Für mich ist Nazar der einzige österreichische Rapper der was drauf hat, deshalb ist es schade, dass er so mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Denn er ist jemand, der versucht etwas zu bewirken mit seiner Musik, auf bestimmtes Aufmerksam zu machen. Und man sollte sich nur ein Urteil über ihn bilden, wenn man sich seine Alben mal angehört hat.
    Diese beinhalten keinen kindischen Rapbeef, wie bei anderen Rappern, weil er es einfach ablehnt.
    Alle die ihn einfach nur für einen erbärmlichen Kanacken-Rapper halten sollten sich mal „Fremd im eigenen Land“ oder „Camouflage“ anhören, das sind zwei der vielen guten Songs die er gemacht hat.

    Antworten
  3. Illi |

    Als erstes Mal, gebe ich Markus recht. Wenn überhaupt ein drittes Feature. Wer sagt, denn dass Falco das Lied mit dem gesungen hätte. Bei den ersten beiden, konnte er das wenigstens selbst entscheiden. Hierfür wurde sein Werk einfach nur Missbraucht. Und sicherlich wird es nicht der letzte sein. LEIDER!!!

    Ja, das Kotzen hab ich tatsächlich bekommen und hat noch nicht aufgehört. Von wegen, erst durch sein Zutun ist der Song komplett und hat einen Sinn. Ich würde sagen, der Song war im Original verständlich und klar, sofern man etwas in der Birna hat. Und was soll der scheiß: „Aber Thomas meinte, dass Falco gerade das sehr interessant gefunden hätte. Thomas ist sich sicher, dass wir uns gut verstanden hätten, weil wir eine sehr ähnliche Denkweise haben.“ Thomas erzählt viel wenn der Tag lang ist, Hauptsache er kassiert wieder mal. Der ist einfach nur gierig geworden und nichts anderes. Hier wurde einfach nur abgewartet bis Mamsch abgetreten ist, und jetzt kann alles verscherbelt werden. Das ist wirklich zum Kotzen.

    Antworten
    1. Heinrich Biegerbauer |

      Sehr geehrter Herr oder sehr geehrte Frau Illi,
      In diesem Falle kann ich Ihnen nur zustimmen. Entschuldigen Sie bitte diese Ausdrucksweise, aber mir kam auch das „Kotzen“ (dieser Fäkalbegriff sollte in Zusammenhang eines solchen Unfungs gestattet sein). Es ist unerhört, dass Lieder von Falco für so etwas verunstaltet werden. Und dann auch noch für den Herrn Nazar, dessen „Musik“

      Antworten
  4. Martin Koller |

    Anmerkung zu „Ich bin erst das zweite Feature, das Falco überhaupt je gemacht hat. Eins gab es schon mal – mit Brigitte Nielsen („Body Next To Body“, 1987; Anm. d. Verf.).“ Falsch!! Das erste Duett „Kann es Liebe sein?“ (1984) sang Falco mit Desiree Nosbusch; wurde auf Single veröffentlicht.

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.