Michael Bully Herbig

Man köchelt das ganze Leben

Michael Bully Herbig über seinen neuen Film „Buddy“, frühe Misserfolge, seine 'Schaffenssuppe' und kotzende Comedians

Michael Bully Herbig

© Marco Nagel

Herr Herbig, in Ihrem neuen Film „Buddy“ spielen Sie einen Schutzengel. Haben Engel Humor?
Michael Bully Herbig: Das weiß ich nicht. Ich weiß, das ist jetzt eine schockierende Antwort, aber ich habe noch keinen Engel kennengelernt. Das schöne an der Schauspielerei ist ja, dass man sowas trotzdem mal ausprobieren kann. Ich war ja auch mal der Boanlkramer…

Der was?
Herbig: Der Tod. In der „Geschichte vom Brandner Kaspar“, dem Film von Joseph Vilsmaier. Ich war auch mal Indianer, Römer und Raumfahrer.

Das sind alles Rollen, auf die einen das Leben in der Regel nicht vorbereitet.
Herbig: Das sind vor allem Dinge, die wahnsinnig viel Spaß machen und man muss mit keinen Konsequenzen rechnen. Ich kann die Frage, ob Engel Humor haben, also nicht hundertprozentig seriös beantworten. Aber ich gehe mal davon aus, wenn es Engel geben sollte, wird es auch den einen oder anderen Spaßvogel darunter geben. Das wäre ja sonst wahnsinnig langweilig.

Der Erzengel Michael soll mit Satan gekämpft haben. Das war bestimmt nicht langweilig.
Herbig: Da muss man allerdings nochmal zwischen Schutzengel und Engel unterscheiden.

Der Schutzengel ist eine menschliche Konstruktion und der Engel eine göttliche?
Herbig: Vielleicht ist ein Schutzengel vor allem auch eine Metapher. Ein Schutzengel kann auch eine innere Stimme sein, ein Bauchgefühl, Intuition. Kennen Sie das nicht, wenn Sie vor einer Situation stehen, wo Sie nicht genau wissen, was Sie tun sollen? Und der Bauch gibt Ihnen dann ein Gefühl dafür, was richtig sein könnte.

Zitiert

Ich will die Leute nicht mit meinen persönlichen Ansichten zur Religion langweilen.

Michael Bully Herbig

In dem britischen Film „High Fidelity“ gibt es den schönen Satz: „Manchmal glaube ich, dass mein Bauch nur Scheiße im Kopf hat.“
Herbig: Naja. (Lacht) Das könnte ein Indiz für Schutzengel mit Humor sein. Es gibt ja den Kopf und den Bauch. Man kann vielleicht sagen, dass einem der Bauch mal einen Streich spielen möchte. Das glaube ich aber auch nicht. Kinder handeln ja ausschließlich intuitiv und je älter man wird, desto mehr schleicht sich der Gedanke ein, dass man weiß, wie’s läuft, dass man eigentlich schon alles erlebt hat. Und desto größer wird die Gefahr, dass man seine Intuition, das Vertrauen in sein Gefühl verliert.

Was machen Sie dagegen? Yoga?
Herbig: Nein, ich schlafe. Ich schlafe wahnsinnig gern. Träume sind eine gute Inspiration. Und ich habe mir angewöhnt, vor ganz schwierigen Entscheidungen nochmal eine Nacht drüber zu schlafen. Am nächsten Tag mache ich tendenziell dann eher das, was der Bauch mir sagt. Beim Yoga schläft man, glaube ich, selten. Ich hab’s noch nie gemacht. Ich kenne allerdings ein paar Menschen die das machen und die sind wahnsinnig ausgeglichen und fit. Da gucke ich dann ganz neidisch auf deren Sixpack. Aber (klatscht sich auf den Bauch) was brauch ich ein Sixpack, wenn ich mir ein ganzes Fass leisten kann?

Ist der weit verbreitete Glaube an Schutzengel nur ein Umweg, auf dem die Gesellschaft wieder bei den traditionellen Religionen landen wird?
Herbig: Ich verstehe, dass man im Zusammenhang mit meinem Film solche Fragen ankratzt. Aber ich will die Leute ja unterhalten und nicht mit meinen persönlichen Ansichten zur Religion langweilen. Ich hatte auch keinerlei spirituelle Motivation, von einem Schutzengel zu erzählen. Ich war vielmehr auf der Suche nach einer absurden Konstellation. Sprich, du hast einen Protagonisten, der jemanden sehen kann, den kein anderer sieht. Und das treibt ihn in den Wahnsinn. Jemanden in den Wahnsinn zu treiben ist aber so ziemlich das Gegenteil von der Funktion eines Schutzengels. Der soll ja schützen, beraten und das gelingt dem Schutzengel in „Buddy“ nicht so richtig.

Es geht Ihnen also eher um eine komödiantische Preisung der Unprofessionalität, als um ein religiöses Motiv?
Herbig: Ja! (Lacht) Schade, dass der Satz nicht von mir ist.

Haben Sie sich bei „Buddy“ auch von anderen Engel-Filmen inspirieren lassen, wie beispielsweise „Stadt der Engel“ mit Meg Ryan?
Herbig: Den habe ich vor Jahren gesehen, der ist aber in meinem Gedächtnis extrem verblasst. Ich habe in der Vorbereitung zu „Buddy“ auch bewusst aufgehört, Engel-Filme zu gucken. Wobei es einen Schutzengel-Film gibt, den ich sehr mag: „Ist das Leben nicht schön“ mit James Stewart. Ich war kurz davor, mir den nochmal anzusehen, aber dann habe ich mir gesagt: Mach dich nicht verrückt! Du läufst dann doch Gefahr, dich womöglich von Ideen zu verabschieden, die du ganz gut findest, nur weil du die in einem anderen Film wiedererkennst.

© Marco Nagel

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In „Buddy“ sieht der Firmenerbe Eddie, gespielt von Alexander Fehling, seinen Schutzengel zum ersten Mal, als er dabei ist, die Firma seines Vaters und sich selbst zu ruinieren…
Herbig: Ich fand es bei den Drehbuch-besprechungen immer interessant, wie die Leute auf Eddie reagiert haben und fragten: Wer soll denn dieses Arschloch spielen? Ich dachte dann: Moment mal, der ist kein Arschloch. Der benimmt sich daneben, aber doch nur aus purer Unsicherheit. Dem ist von heute auf morgen diese weltweit operierende Sprudel-Factory übertragen worden und er weiß überhaupt nicht, wie er damit umgehen soll. Also macht er eben das, was er am besten kann – er feiert, er genießt das Leben, als gäbe es kein Morgen und kein Gestern. Und plötzlich steht dann dieser etwas tollpatschige Typ in Eddies Wohnung und hat von seinem Job als Schutzengel eigentlich genauso wenig Ahnung, wie Eddie von diesem Ü-60-Energy-Drink, mit dem seine Firma den Markt erobern will.

Dieser fiktive Energy-Drink für Senioren aus dem Film scheint als Zukunftsvision ja nicht unrealistisch zu sein.
Herbig: Ich finde auch den dazugehörigen Slogan, „Power bis zum Schluss“, gar nicht so abwegig. Es wird sicher irgendwann ein paar Spaßvögel geben, die so ein Produkt ernsthaft herausbringen.

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie selbst alt werden möchten?
Herbig: Ich besitze per se – das mag der eine oder andere Naivität nennen – ein Grundpotential an Optimismus. Dafür bin ich extrem dankbar, das kann man ja nicht erzwingen, das hat man oder eben nicht. Bei mir ging es so mit Anfang 20 los, dass ich Misserfolge, Dinge, an denen ich gescheitert bin, immer gerne angenommen habe.

Das war früher anders?
Herbig: Bis dahin war ich immer wahnsinnig traurig, wenn ich ein schlechtes Zeugnis hatte oder womöglich auch mal durchgerasselt bin. Keiner scheitert gerne. Aber so ein Schlüsselmoment war damals die Ablehnung an der Filmhochschule in München. Das war für mich ein kleiner Schock. Seit ich zehn, elf Jahre alt war, hatte ich gesagt: Ich mache mal Filme. Mir war vollkommen klar, dass ich eines Tages auf die Filmhochschule gehen werde. Ich habe mich beworben und wurde nicht genommen. Ich stand erstmal wirklich ratlos da, ich hatte keinen Plan B. Und in dem Moment dachte ich: Na, vielleicht ist es ja für was gut. Vielleicht ist dein Weg eben ein anderer. Aber wie war jetzt nochmal die eigentliche Frage?

Wie möchten Sie alt werden?
Herbig: Ach ja. Es ist so: Man köchelt ja das ganze Leben an so einer Suppe rum. Nennen wir sie mal „Schaffenssuppe“. Dann bin ich irgendwann 60, 80 oder optimistischer Weise auch 90, rühre in dieser Suppe, in der eine Prise „Schuh des Manitu“ drin ist, ein Schuss „Hotel Lux“ und ein bisschen „Buddy“. Alles wandert in dieses Süppchen und am Ende braucht sie die richtige Würze und muss einem selbst schmecken. Darum geht’s. Das ist das, was ich vom Leben gerne hätte, `ne anständige Suppe.

Dann werden Sie wie Maria Schell in ihren letzten Jahren in einer Almhütte sitzen und den ganzen Tag die eigenen alten Filme angucken?
Herbig: Das würde bei mir garantiert nicht passieren. (Lacht) Aber ich bleibe beim Durchzappen, wenn einer meiner Filme wieder läuft, auch gerne mal hängen. Oft bin ich da wirklich positiv überrascht, aber manchmal denke ich auch: Das hat mir damals schon nicht getaugt. Wenn es keinen Starttermin gegeben hätte, würde ich ja heute noch mit „Der Schuh des Manitu“ im Schnittraum sitzen. Man ist eben nie hundertprozentig zufrieden. Man könnte hier und da immer noch was fummeln.

Kommt Ihnen Ihr Frühwerk bisweilen veraltet vor?
Herbig: Das ist wie mit alten Passbildern. Mein Führerschein ist fast zwanzig Jahre alt, wer sich das Foto da anguckt, der schmeißt sich weg. Aber niemand würde dir die Matte aus den Achtzigerjahren zum Vorwurf machen. So ist man eben damals rumgelaufen. Und so ist das auch mit den Filmen.

Entwickelt sich der eigene Humor noch mit den Jahren weiter?
Herbig: Der entwickelt sich immer. Das ist ein permanenter Prozess. Es gibt Dinge, die fandest du vor 20 Jahren zum Brüllen, über die konnten damals Vierzigjährige vielleicht nicht lachen. Heute kann ich das verstehen. Die konnten damals nicht lachen, weil sie die Witze schon kannten. Je mehr Gags du kennst, desto schwieriger wird’s. Der Humor bleibt dir ja erhalten, aber er verändert sich. Auch deshalb gibt es ja den ultimativen Gag nicht, die Pointe, bei der sich alle wegschmeißen. Die Suche danach geht trotzdem weiter. Ich hoffe, ich habe meinen besten Gag noch vor mir.

Sie sind Vater eines dreijährigen Sohnes. Hat das Einfluss auf Ihren Humor?
Herbig: Eigentlich nicht. Es ist eher so, dass ich mir überlege, welchen meiner Filme ich ihm irgendwann als erstes zeigen werde. Das wird wahrscheinlich „Wickie“ sein. Aber generell finde ich sehr faszinierend, wie Kinder die Filme wahrnehmen. Nach der Premiere von „Schuh des Manitu“ kam ein Journalist aus dem Kino, der hatte seine Tochter dabei, die war neun. Und dann fragte der Journalist die Tochter: „Wie fandst du den Film?“ Sie sagte ganz seriös: „Ja, sehr sehr lustig. Aber Papa, weißt du was? Ich glaub‘, der Winnetouch ist schwul…“ Ich fand das wahnsinnig komisch… Sie lachen ja gar nicht?

Journalisten lachen immer nur nach innen.
Herbig: Ich will damit sagen, dass Winnetouch mit seiner Art damals ein wahnsinniger Sympathieträger war. Und wenn das so ist, kannst du auch eine Figur auf den Arm nehmen. Solange du sie nicht zerfledderst und verrätst, kannst du mit einer Figur alles machen.

Aber führt nicht die Suche nach dem Gag, über den alle lachen können, zu einer Art Mainstream-Humor aus Furz- und Homophobie-Witzen, wie man sie seit Jahren aus diversen Familienkomödien kennt?
Herbig: Ich weiß nicht, wie das andere machen, ob da jemand ermittelt, welche Art von Witzen prozentual am meisten Lacher bewirkt. So würde ich auch nie arbeiten. Ich sage mal so: der Urknall war für mich ja die „Bullyparade“ – aber die hat auch drei Staffeln gebraucht, bis sie von irgendjemandem gesehen wurde. Die hat zunächst niemanden interessiert.

Heute wäre die „Bullyparade“ nach der ersten Staffel abgesägt worden?
Herbig: Absolut. Weil heute keiner mehr die Luft und Gelassenheit hat, ein Format über einen längeren Zeitraum reifen zu lassen. Bei uns war das ein laufender Prozess. Das hat sich langsam entwickelt und nach und nach entstand eine Fanbase. Aber die ersten Staffeln wurden nie mehr wiederholt.

Was ist mit denen passiert?
Herbig: Die habe ich mir hart zurückerobert, jetzt liegen sie bei mir im Giftschrank. Aber was ich sagen wollte: In den sechs Staffeln „Bullyparade“ haben wir über 1000 Sketche gespielt und auch bei uns war entscheidend, worauf das Publikum am besten reagiert hat. In gewisser Weise ist man schon Unterhaltungsdienstleister. Trotzdem macht man am Ende ja nur die Gags, die Pointen, über die man sich auch selbst amüsiert. Ich mach nicht ständig Kotz-Witze, nur weil manche Leuten das Kotzen lustig finden.

Die Filmgeschichte ist voller berühmter Kotz-Szenen. Man denke nur an „Stand by me“…
Herbig: Zu dem Thema gab es einmal eine Unterhaltung mit Bernd Eichinger und mir. Die war sensationell. Es ging um diese Loren-Fahrt am Ende von „Der Schuh des Manitu.“

Wo Winnetouch im Fahrtwind seine Hose verliert…
Herbig: Genau. Mit Bernd konnte man super rumspinnen. Das habe ich geliebt, in seinem Büro so Szenen durchzuspielen, da waren wir wie zwei große Jungs. Als ich Bernd erzählte, was wir da vorhaben, mit der Lore und so weiter, schaut er mich begeistert an und sagt: „Ja genau! Und dann loaßt’n kotzen!“ (lacht) Ich sage: „Was?“ Er: „Ja, dann kotzt er!“ Ich sage: „Nein, Bernd.“ „Doch! Doch!“, mit einer Freude… Bernd Eichinger, der Filme wie „Der Untergang“ und „Das Parfüm“ produziert hat, steht vor mir und sagt: „Da loaßt’n kotzen!“ Da stand er total drauf. Ich frag‘: „Wieso?“ Er sagt: „Bei „Ballermann“ haben wir das ganz Büffet vollkotzen lassen, da haben sich die Leute weggeschmissen!“ – „Ja, Bernd, aber das ist ein anderer Film.“

War es schwer, ihm das auszureden?
Herbig: Eine Woche später habe ich ihm mein Storyboard rübergeschickt – nicht, weil er mich kontrollieren wollte, das hat er nie gemacht. Es hat ihn einfach interessiert, wie ich das mache. Er rief an und sagte: „Ja, das kann man sich super vorstellen. Aber… magst ihn nicht doch kotzen lassen?“ (lacht) Aber nur, weil vielleicht ein paar Leute sagen, dass etwas ein Riesenbrüller ist, heißt das noch lange nicht, dass ich es dann auch machen muss.

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