Max Richter

Vivaldi ist nicht kitschig

Komponist Max Richter über seine Bearbeitung der „Vier Jahreszeiten“, zeitgenössische Komponisten, Atonalität und die Konversation mit dem Zuhörer

Max Richter

© Erik Weiss

Mr. Richter, wie viele Stunden komponieren Sie am Tag?
Max Richter: Das ist sehr unterschiedlich, manchmal sind es nur vier bis sechs Stunden, wenn es an eine Deadline geht können es aber auch schon mal 18 Stunden werden. Wobei die ersten zwei, drei Stunden oft die wichtigsten sind, danach werde ich weniger produktiv.

Komponieren Sie am Computer?
Max Richter: Nein, ich notiere noch auf Papier.

Ist das noch verbreitet unter Komponisten?
Max Richter: Nein, die meisten schreiben am Computer, aber da ich ursprünglich gelernt habe, auf Papier zu komponieren, ist das für mich der schnellste Weg, etwas in Noten festzuhalten. Es ist auch leichtgängiger, wenn ich eine Markierung auf dem Papier mache kann ich es sofort hören. Ich muss mich nicht erst durch das „Bearbeiten“-Menu einer Software klicken, ich muss über nichts anderes nachdenken, ich schreibe nur die Musik.

Sie haben in Edinburgh, London und ein Jahr in Italien studiert, bei Luciano Berio…
Max Richter: Berio war so ein Lehrer, wie man es sich immer von Zen-Meistern erzählt: einer, der es stets ablehnt, die Schüler zu sehen und dann bringt es sich der Schüler irgendwann selbst bei. (lacht)
Ich habe ihn ein paar Mal getroffen und er war fantastisch, ein großer Denker.

Was war das Wichtigste, was er Ihnen beigebracht hat?
Max Richter: Ich habe damals sehr komplizierte Musik geschrieben, ähnlich komplex wie Xenakis, Ferneyhough oder Boulez. Und Berio schaute sich mein Klavierstück an – ein Blatt Papier schwarz vor lauter Noten – und er machte diese italienische Geste a la „das ist viel zu viel, beruhigen Sie sich erstmal“. Er konnte sich die Noten ansehen und es gleichzeitig in seinem Kopf hören, aber darüberhinaus konnte er nachvollziehen, was ich gedacht habe, während ich es aufgeschrieben habe, fast wie bei einer Psychoanalyse, das war sehr außergewöhnlich. Er war ein Genie, insofern war das für mich eine fantastische, erleuchtende Zeit.

Aber warum haben Sie komplex komponiert?
Max Richter: Das wurde am Konservatorium von uns erwartet. In den Augen der Lehrer war all die tonale moderne Musik Mist. Etwas wie Minimal Music wurde als lächerlich angesehen und nicht ernst genommen. Wir mussten in einem orthodoxen, atonal-komplexen Stil schreiben, das war einfach so. Es gab bei uns in Großbritannien nicht dieses ganze Neoromantik-Bewegung, wie in Deutschland, sondern es gab nur diese eine Möglichkeit, wie du komponieren solltest. Und das war sehr viel Komplexität, verkopfte Musik.

Und wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Max Richter: Für mich war das eigentlich in Ordnung, aber ich habe immer auch andere Sachen gehört, elektronische Musik oder die Minimal Music, die aus den USA kam. Ich hatte aber schon meine Zweifel. Und Berio, auch wenn er selbst Teil dieser Moderne war, hat dann für mich die Tür geöffnet, um aus diesem System auszubrechen. In seiner Musik gibt es ja ganz verschiedene Einflüsse, zum Beispiel von Schubert oder Ravel, es ist eine sehr inklusive Art von Musik.

Max Richter: Vivaldi, The Four Seasons

 

Berio arrangierte auch Werke von Komponisten wie Monteverdi, Purcell und Brahms.
Max Richter: Es gibt von ihm allemöglichen Arrangements und Bearbeitungen, bei manchen Werken fängt er auch an mit dem Material zu experimentieren. Sein Stück „Rendering“ beispielsweise beginnt wie Schubert, dann verändert er das Original und am Ende hört man wieder Schubert. Er begibt sich in Konversation mit dem Material – ich glaube, das dies auch meine Bearbeitung von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ ein wenig beeinflusst hat.

Sie haben im Studium atonale Musik geschrieben. Haben Sie auch gelernt, im Barockstil zu komponieren?
Max Richter: Ja, zu Beginn des Studiums haben wir uns nur mit alter Musik beschäftigt, Renaissance, Palestrina, Bach-Fugen, Schubert-Lieder – und dann haben wir geübt, diese Stile zu imitieren. Damals habe ich das gehasst, doch heute bin ich dafür sehr dankbar, weil es ein fantastisches Handwerkszeug ist.

Wurden Sie von den Professoren auch motiviert, gänzlich andere Musik zu hören?
Max Richter: Nein, auf keinen Fall. Musik wurde damals wie eine Art historischer Imperativ unterrichtet, nach dem Motto: es gab diese Epoche, es gab jene, und jetzt gibt es atonale Musik. Das hat sich in den letzten 10, 15 Jahren aber etwas geändert, es gibt eine größere Offenheit, viele Komponisten bedienen sich bei der Pop-Kultur, Minimalismus und Pattern-Musik ist zu einem Teil unserer musikalischen Sprache geworden, ebenso die Elektronik. Es geht auf den Hochschulen nicht mehr so streng zu.

Würden Sie sagen, dass der Typus ‚zeitgenössischer klassischer Komponist‘ noch existiert?
Max Richter: Er existiert noch, aber er hat ein sehr kleines Publikum. Das ist wie so eine Art Geheimbund. Wobei ich manche dieser Werke durchaus mag, die Musik von Xenakis oder Boulez ist phänomenal.

Das ist aber auch die ältere Generation…
Max Richter: Nun, bei der neuen Generation sind die interessantesten Leute sicher diejenigen, welche die Dinge ein wenig synthetisieren, wie Osvaldo Golijov oder Francesco Tristano, Komponisten, die einerseits den fachlichen Hintergrund haben, die aber auch andere Einflüsse in ihre Werke aufnehmen. Das ist nicht mehr Klassik pur.
Jeder Komponist muss seinen eigenen Weg finden, irgendwo zwischen klassischer Notation und den Einflüssen der Gegenwart und heutiger Kultur. Du versuchst deinen Platz in diesem Spektrum zu finden, auch abhängig vom jeweiligen Projekt.

Ein junger Komponist, sollte der heutzutage auf die Uni gehen?
Max Richter: Ja und Nein. Es ist toll, die technischen Fähigkeiten zu besitzen, und das erreichst du nur durch viel Übung. Es hängt aber davon ab, was du unter Musik verstehst. Komponisten sind Musik-Fans, dazu gehört auch, über die Musik zu sprechen, die du magst. Das haben die Leute immer gemacht, sowohl in der Klassik als auch in der Rockmusik, die Musik bezieht sich immer auf andere Musik. Du musst herausfinden, was du liebst und einen Weg finden, wie du das im eigenen Werk verarbeitest. Wenn du kein Interesse an Bach, Mozart oder Beethoven hast, dann solltest du vielleicht nicht auf die Universität gehen sondern dir einfach einen Computer kaufen.

Der Berliner House-Produzent Henrik Schwarz, der eigene Technostücke für Kammerorchester umarbeitete, sagt über zeitgenössische Klassik: „Es gibt viele Leute, die elektronische Experimente machen, mit dem Computer Sounds generieren und davon CDs pressen. Ich produziere so etwas in 15 Minuten, mit dem Unterschied, dass es bei denen mit einem gigantischen intellektuellen Überbau präsentiert wird.“
Max Richter: Es hat sich sicher Einiges verändert. Wenn man bedenkt, wie viel Zeit die Leute für die ersten Elektronik-Kompositionen gebraucht haben, wie viele Monate sie da reingesteckt haben. Diese Dinge sind heute relativ einfach und deshalb ist es für einen Komponisten heute noch wichtiger, eine sehr genaue Vorstellung von dem zu haben, was er aussagen will. Weil man ohne große Schwierigkeiten im Prinzip alles aussagen kann.

Nun haben Sie gerade Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ bearbeitet und mit einem Kammerorchester und dem Solisten Daniel Hope neu eingespielt. Welches Verhältnis haben Sie zum Original?
Max Richter: Nun, wie wahrscheinlich die meisten Leute habe ich Vivaldi als Kind gehört, es war eines der ersten Werke Kunstmusik, das ich kennenlernte. Ich fand es damals wunderschön, später hörte ich es dann aber überall und so oft, dass es einem auf die Nerven ging. Das ist nicht Vivaldis Fehler, aber es ist eben beinahe überall.
Mit diesem Projekt versuche ich, diese Schönheit von damals für mich zurückzugewinnnen. So kann ich die Jahreszeiten auf eine frische Weise hören – und vielleicht hat es diesen Effekt auch für andere Leute.

Zitiert

Ich bin an einer möglichst direkten Kommunikation mit dem Hörer interessiert.

Max Richter

Warum sind die „Vier Jahreszeiten“ eigentlich so ein Hit geworden?
Max Richter: Ich glaube, die Melodien sind einfach gut, es ist sehr dynamisch, das musikalische Material wird schnell durchgenommen, Vivaldi hält sich an keiner Stelle zu lange auf, es wird einem nicht langweilig. Dann sind da noch die virtuosen Geigenläufe, und auch inhaltlich ist es interessant, die Jahreszeiten sind ein gutes Thema.
Diese Popularität ist für mein Projekt eigentlich auch ganz gut. Jeder kennt das Original, das bedeutet, dass auch jeder versteht, wie und wo ich Veränderungen vorgenommen habe.

Wie haben Sie entschieden, was Sie verändern und was nicht?
Max Richter: Ich bin als Fan an das Stück herangegangen, wenn ich etwas verändert habe, dann, weil ich es mag und einfach mehr davon haben wollte. Hier und da habe ich fast die komplette Vivaldi-Musik verworfen und nur ein kleines Stückchen verwendet, aber meistens habe ich die Musik genommen und sie etwas mehr ‚aufgedreht‘.

Was an Ihrer Bearbeitung ist typisch 21. Jahrhundert?
Max Richter: Sicherlich die Stellen, an denen man die Pattern raushört, die repetitiv sind. Dieses Element gibt es zwar schon im Original, aber nur in sehr kurzer Form. Ich habe das weiter ausgedehnt, so dass es kontinuierlich hypnotisch pulsiert. Das ist für mich eine sehr zeitgenössische Herangehensweise, die von der elektronischen Musik herkommt, im Prinzip sind das Loops.

Wären atonale Harmonien auch eine Möglichkeit für Ihre Bearbeitung gewesen?
Max Richter: Nein, nicht wirklich. Es ist nicht so, dass ich keine atonale Musik mehr schreibe, aber für mich ist die Naturtonreihe eben von der Natur so gesetzt, und Tonalität ist ein Produkt davon. Das außer Kraft zu setzen ist in etwa so, als würde ein Physiker die Schwerkraft infrage stellen. Aber die Schwerkraft ist nun mal die Schwerkraft, da gibt es nichts zu diskutieren.

Damit bewegen Sie sich sehr nah bei Leonard Bernstein, der sagte „der Sinn fürs Tonale ist dem Menschen eingebaut“ und „ein atonaler Komponist stellt sich außerhalb jeder Kommunikation.“
Max Richter: Wenn man es sich genau überlegt, war die atonale Ära ja ein Resultat einer sehr chaotischen Zeit, vom Ersten Weltkrieg dauerte sie bis in die Zeit des Kalten Krieges hinein, was ja überhaupt eine Zeit von Nicht-Kommunikation war. Nichtsdestotrotz ist es für mich aber auch eine Quelle, und es gibt viel atonale Musik, die mir gefällt, es ist ein großartiger Bestandteil unserer Musikkultur. Nur für mich persönlich ist die Naturtonreihe sozusagen die Grundsprache.

Der Komponist John Adams äußerte einmal in Bezug auf Schönberg „Ich konnte nie den psychologischen Standpunkt der Avantgarde verstehen, der zu sein scheint: Leckt mich am Arsch!“
Max Richter: Schönberg dachte in gewisser Weise wie ein Musikhistoriker. Er beobachtete, wie die Harmonien in der Spätromantik reichhaltiger und komplizierter wurden, also musste es sich – historisch gesehen – irgendwie weiterentwickeln. Er war dann der Ansicht, er habe eine Methode gefunden, mit der die Überlegenheit deutscher Musik für die nächsten 100 Jahre gesichert ist. So hat er das gesagt und das zeigt für mich eine sehr historistische Denkweise. Es war ein eigenartiger, akademischer Zugang zum Klang und eine etwas andere Vorstellung davon, wozu Musik da ist.

Nigel Kennedy stellte in unserem Interview die These auf, dass es sich mit der Entwicklung unserer Hörgewohnheiten wie mit einem Pendel verhält, das zwischen einfacher und komplexer Harmonik hin- und herschwingt: „Bach war kompliziert, Mozart wieder einfacher, die Romantik eher kompliziert, Debussy war kompliziert, Strawinsky komponierte Neoklassik, dann kam Schönberg, der es wieder komplex gemacht hat, bei Steve Reich waren die Harmonien wieder simpler“ usw.
Max Richter: Das ist gut möglich. Diese Dinge haben alle ihre eigenen Verläufe. Heute würde ich sagen, dass die Menschen atonale Musik gewöhnt sind, ohne es zu wissen. Sie gehen in einen „Batman“-Film und denken, die Musik ist fantastisch – dabei ist es wie Ligeti, Xenakis und alles aufeinmal.

Sie sprechen nun über moderne Musik als Soundeffekt…
Max Richter: Ja, aber es wirkt auf die Leute und sie beklagen sich nicht. Es ist natürlich ein anderes Setting, in einem Konzertsaal würden die Leute diese Musik als kompliziert empfinden. Und sie würden es sicher nicht im Auto hören, oder beim Joggen (lacht).

Sie arbeiten auf beiden Gebieten, schreiben Musik sowohl für Filme als auch für den Konzertsaal. Wo liegen für Sie die grundlegenden Unterschiede?
Max Richter: Wenn du eine Platte produzierst oder ein Stück Konzertmusik schreibst, malst du das gesamte Bild. Wenn du aber an einem Film arbeitest, besetzt du nicht den gesamten konzeptionellen Raum, sondern du versuchst einfach, den Film gut zu machen, effektvoll, einprägsam, du willst die Geschichte erzählen, Gefühle wecken, den Zeitfluss verändern usw. Das ist ein anderes Fach, Musik kann im Film nicht die gesamte Geschichte erzählen, weil sonst kein Raum für die Schauspieler und alles andere übrig bleibt. Man muss in der Musik eine Balance finden, zwischen Energie, Material und Inhalt, das ist ein schönes Puzzlespiel. Du hast eine bestimmte Filmszene und fragst dich: Was kann die Musik zur Szene hinzufügen, damit es funktioniert.

Ist Ihre Konzertmusik aber im gleichen Sinn am Hörer-Ohr orientiert, wie Ihre Filmmusik am Zuschauer-Ohr?
Max Richter: Konzertmusik ist für mich ein weit offener Raum, in dem du alles machen kannst. Du kannst mehr Inhalt anbieten, tiefergehende Strukturen, du kannst experimenteller sein, mehr wagen…

Tun Sie das denn, wagen Sie im Konzertsaal mehr, experimentieren Sie?
Max Richter: (überlegt) Ich bin an einer möglichst direkten Kommunikation mit dem Hörer interessiert, ich will, dass es eine sehr direkte Konversation ist. Deshalb versuche ich meistens, meine Werke nicht mit zu viel Informationen zu überfrachten, sondern klar und genau in meiner Aussage zu sein. Das ist zum Teil auch so, weil unser Leben so ist.

Wie meinen Sie das?
Max Richter: Ich denke, unser Leben ist häufig überlastet mit Informationen, es ist anstrengend, sich durch dieses Rauschen hindurchzufinden. Ich persönlich mag deswegen Musik, die den Raum sehr einfach gestaltet, Bach, Purcell, diese klare, lineare Art von Musik. Und vielleicht versuche ich deshalb auch in meinen eigenen Kompositionen den Raum sehr klar und einfach zu halten. Mir ist eine klare Verständigung zwischen Komponist und Hörer lieber als wenn die Musik viel Nachdenken, Interpretation, Bewertung und Filtern erfordert.

Wie gefällt Ihnen Arvo Pärt?
Max Richter: Er hat wundervolle Musik geschrieben, als er auftauchte war das eine Art Offenbarung, quasi wie ein Heiliger, der am Musikhorizont erscheint. Alle fragten sich: Was ist denn das? – Seine Musik schien wie aus einer anderen Zeit. Einige seiner Kompositionen sind wirklich Meisterwerke, die wahrscheinlich noch lange leben werden.

Haben Sie auch den Ehrgeiz, ein Stück zu komponieren, dass noch in Jahrzehnten überall auf der Welt aufgeführt wird?
Max Richter: Nein, nein. Komponieren ist für mich ein unfreiwilliger Prozess, es ist einfach das, was ich tue. Wenn ich in einem Raum sitze, fange ich an zu komponieren, ich kann nicht nicht komponieren. Und vielmehr als das Bedürfnis, ein Meisterwerk für die Ewigkeit zu schreiben, bin ich dankbar dafür, dass diese Beschäftigung, von der ich nicht lassen kann, mir erlaubt, meine Arbeit zu machen, mein Geld zu verdienen und mit Menschen in Kontakt zu treten.

Wenn Sie Filmmusik komponieren, kommen Sie dann auch mit sogenannten ‚Temp-Scores‘ in Berührung?
Max Richter: Ja, sehr oft sogar. Ich habe auch nichts gegen Temp-Scores, weil ich denke, dass Musik etwas ist, was man schwer in Worte fassen kann. Und wenn zwei Leute sagen „ich will, dass die Musik leichter ist“, kann es immer noch sein, dass sie zwei komplett verschiedene Dinge meinen. Wenn sie aber über ein Stück im Temp-Score sagen, was ihnen daran gefällt und was nicht, dann ist das für mich sehr nützlich.
Schwierig wird es nur, wenn Regisseure den kompletten Film mit bereits existenter Musik von mir unterlegt haben, was oft passiert. Wenn ich bei einem neuen Film meine ganzen alten Alben im Temp-Score höre wird es schwierig – schließlich kann ich diese Musik ja nicht einfach nochmal schreiben.

Haben Sie die Musik anderer Filmkomponisten studiert?
Max Richter: Nein. Ich interessiere mich auch gar nicht so sehr für Filmmusik. Ich mag es, mit Filmemachern zu arbeiten, aber an konventioneller Filmmusik bin ich nicht interessiert. Die Soundtracks, die ich interessant finde, sind eher solche mit eigenständiger Musik wie „Koyaanisqatsi“ von Philip Glass zum Beispiel, wo die Musik wirklich ein wichtiger Bestandteil des Films ist, auch die Musik zu „Das Piano“ von Michael Nyman gefällt mir. In „Waltz with Bashir“ hat die Musik diesen großen Anteil, weil Ari Folman eben auch viel von Musik versteht. Das ist großartig.

Dann lehnen Sie vermutlich viele Filmangebote ab?
Max Richter: Ja, die meisten. Ich mache ein paar Filme im Jahr, aber das meiste lehne ich ab. Die Geschichte, die Figuren und das Szenario des Films müssen mich reizen – ob es dann ein großes Projekt ist oder nicht, spielt für mich keine Rolle.

Was ist einfacher, ein fröhliches Stück zu komponieren oder ein trauriges?
Max Richter: Das weiß ich nicht. Sicher, meine Alben haben eine gewisse Ernsthaftigkeit, ich weiß nicht ob das melancholisch ist, vielleicht eher nachdenklich. Es gibt darin Raum nachzudenken und das ist musikalisch eben so meine Art.
Beim Film muss man natürlich manchmal etwas Fröhliches schreiben und da finde ich schon, dass fröhliche Musik um Einiges schwieriger ist. Weil fröhliche Musik auch fast immer kitschig ist.

Vivaldi?
Max Richter: Nein, Vivaldi ist nicht kitschig, Vivaldi strahlt, er strahlt ganz hell.

Zum Schluss: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Max Richter: Ich wäre Schroeder von den Peanuts, den mag ich. Er spielt die ganze Zeit Klavier, das hält ihn ein wenig heraus aus dem Chaos, das ihn umgibt. Und die Filmmusik von Vince Guaraldi ist fantastisch.

Recomposed by Max Richter: Vivaldi, The Four Seasons, eingespielt mit Daniel Hope und dem Kammerorchester Berlin unter André de Ridder ist bei der Deutschen Grammophon erschienen.

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