Max Giermann

Der Papst ist kein Tabu.

Schauspieler und Comedian Max Giermann über den Reiz der Parodie, Marotten von Stefan Raab und den Erfolg von Horst Schlämmer

Max Giermann

© ProSiebenSat.1

Herr Giermann, am 15. September startet Ihre Comedyshow „Granaten wie wir“. Was erwartet die Zuschauer?
Max Giermann: Eine bunte Show, bei der ich wieder einmal die deutsche TV-Prominenz durch den Kakao ziehen darf. Zwölf meiner Kollegen aus dem Showbiz werden humorvoll ihr Fett abkriegen, darunter Stefan Raab, Kai Pflaume, Johann Lafer, Tim Mälzer, Karl Lagerfeld und Dieter Bohlen.

Was unterscheidet „Granaten wie wir“ von „Switch Reloaded“?
Giermann: Es ist eine Liveshow mit Publikum und keine reine Sketch-Comedy. Das ist eine große Herausforderung für mich, auf die ich mich mächtig freue. Es sind auch immer tolle Gäste dabei – beispielsweise Dieter Nuhr, Helge Schneider oder Otto Waalkes. Zudem zeigen wir meine Rollen, wie man sie noch nie gesehen hat, so lassen wir Uli Hoeneß rappen oder Johann Lafer mit den Backstreet Boys tanzen.

Wie nähern Sie sich einer Person an, die Sie parodieren?
Giermann: Erst einmal sitze ich stundenlang vor dem Fernseher und schaue mir ein Video nach dem anderen an. Anschließend versuche ich zunächst den Klang der Stimme zu treffen. Dazu laufe ich mit einem Diktiergerät durch meine Wohnung und vergleiche meine Stimme mit dem Original. Im nächsten Schritt versuche ich, mir die Gestik und Mimik anzueignen. Das mache ich aber nicht vor dem Spiegel, sondern nach Gefühl. Vollendet wird die Figur schließlich durch die Masken- und Kostümbildnerinnen.

Sind Sie beim Einstudieren einer Figur stets allein?
Giermann: Ja, da bin ich sehr eigen. Ich präsentiere eine neue Figur auch erst, wenn ich das Gefühl habe, dass ich sie beherrsche. Daher ist es immer wieder ein spannender Moment, wenn ich am Set zum ersten Mal eine neu erlernte Rolle vorführe.

Gab es von Ihrem Team mal negative Reaktionen auf eine neue Figur?
Giermann: Nein, zum Glück noch nicht. Ich selbst bin auch mein größter Kritiker. Aber das Gegenteil, also dass alle lachend am Boden liegen, kommt auch nur selten vor, weil am Set eine konzentrierte Atmosphäre herrscht. Dennoch ist es natürlich ein gutes Zeichen, wenn das Team mal lacht.

Was fasziniert Sie an der Parodie?
Giermann: Es ist der Reiz, dass man sich innerhalb eines engen Korsetts freispielen muss, ohne dabei eigene Ausdrucksmittel einsetzen zu dürfen. Ob Gestik, Mimik oder Stimme – ich muss mich streng an dem Original orientieren. Das erfordert eiserne Disziplin, was manchmal ziemlich mühsam ist, weil es viel Konzentration kostet und viel Vorbereitungszeit. Für Stefan Raab habe ich zusammengerechnet bestimmt 15 Stunden geübt.

Haben Sie Vorbilder?
Giermann: Ich bin ein großer Fan von Jim Carrey. Er verkörpert genau die Art von Humor, über die ich richtig lachen kann.

Ulknudel Hella von Sinnen hat Sie mehrfach als den deutschen Jim Carrey bezeichnet.
Giermann: Ich weiß, das ist für mich natürlich ein großes Kompliment, aber ich selbst würde mich niemals mit ihm vergleichen. Ich bin ja nicht größenwahnsinnig (lacht). Ich habe riesigen Respekt vor seiner Arbeit. Er zählt zu den allerbesten Comedians weltweit.

Gibt es Feedback von den Promis, die Sie parodieren?
Giermann: Ja, aber ich erfahre nur die positiven Reaktionen. Die Leute, die sich beleidigt oder auf den Schlips getreten fühlen, werden das kaum in der Öffentlichkeit erörtern, weil sie sich dann wahrscheinlich noch mehr schaden würden. Inzwischen ist es aber so, dass sich einige Promis sogar geschmeichelt fühlen, wenn sie parodiert werden. Es ist für sie wohl eine Art Ritterschlag.

Wen meinen Sie?
Giermann: Tim Mälzer etwa. Er war sauer, als er mich erstmals als Stefan Raab sah, weil ich den angeblich noch besser parodieren könne als ihn. Aber das war natürlich nicht ernst gemeint, wir verstehen uns ja auch privat ganz gut. Auch von Stefan Raab selbst gab es großes Lob. Er hat mich ja sogar schon seine Sendung anmoderieren lassen und gefragt, ob ich ihn nicht im Krankheits- oder Urlaubsfall vertreten könne. Zudem sagte er mir im Spaß, er beabsichtige, die Rechte an meiner Parodie zu erwerben. Tja, er ist nun mal Geschäftsmann (lacht). Aber auch Johann Lafer und Kai Pflaume waren begeistert.

Es gab also noch keine bösen Anrufe?
Giermann: Zugegeben, über mehrere Ecken habe ich mitbekommen, dass ein paar Promis verärgert sein sollen. Der Sender hat angeblich sogar einen Beschwerdebrief von einem SwitchOpfer erhalten. Den Namen verrate ich aber nicht, weil ich es nicht sicher weiß.

Parodieren Sie auch Promis, die Sie selbst nicht mögen, um ihnen eins auszuwischen?
Giermann: Ich habe gegenüber keinem der Promis Vorbehalte. Es spielt auch keine Rolle, ob ich jemanden mag oder nicht. Ich versuche nur, auffällige  Verhaltensweisen wiederzugeben. Durch Übertreibung wird das Ergebnis mitunter mal bösartig, aber das heißt nicht, dass ich denjenigen nicht leiden kann. Klar, wenn ein Reinhold Beckmann über meine Darstellung nicht besonders erfreut wäre, würde mich das nicht wundern. Aber ich erwarte von den Originalen auch ein bisschen Abstraktionsvermögen. Es ist nunmal Satire.

Welche Ihrer Figuren würden Sie als Ihre Paraderolle bezeichnen?
Giermann: Stefan Raab, denn die Figur kann ich im Schlaf und sie kommt unglaublich gut beim Publikum an. Das liegt aber nicht nur an mir, sondern zu mindestens 50 Prozent auch an Raab selbst. Schließlich sind es seine Marotten, die in meine Parodie einfließen und ihn erst zu einem dankbaren Opfer machen. Außerdem ist er ein Typ, der polarisiert, der viele  Feinde und Neider hat, die sich freuen, wenn auch er mal sein Fett abkriegt. Einen wie Raab zu parodieren, ist erfolgversprechender als ein Promi, der von allen geliebt wird.

Welche Marotten hat Stefan Raab?
Giermann: Er zupft ständig an seinem Jackett, schaut immer wieder in Richtung seiner Band. Zudem muss er oft den Text ablesen, weil er schlecht vorbereitet ist. Hinzu kommen für ihn typische Redewendungen, so fragt er sein Publikum häufig nach einem Kalauer: „Verstehen Sie?“. Nicht zu vergessen sein Pferdegebiss (lacht). Das ist sehr unangenehm für mich. Es behindert mich beim Sprechen – und am Ende eines Drehtages schmerzt der Mund.

Sind sich die „Opfer“ ihrer Marotten bewusst?
Giermann: Meistens nicht. Stefan Raab etwa ist die Zupferei an seinem Jackett erst durch meine Parodie aufgefallen. Er hat es anschließend für eine kurze Zeit sogar abgestellt, weil es ihm unangenehm war. Doch dann ist er wieder in sein altes Verhaltensmuster zurückgefallen.

Zitiert

Der Reiz der Parodie besteht darin, sich innerhalb eines engen Korsetts freiszupielen, ohne dabei eigene Ausdrucksmittel einsetzen zu dürfen.

Max Giermann

Bei welchem Promi wüssten Sie nicht, wo Sie mit einer Parodie ansetzten können? Oder lässt sich jeder parodieren?
Giermann: Bei den sogenannten „Normalos“, also den Leuten ohne Marotten wie etwa Pro7-Moderator Stefan Gödde, wird es schwierig. Zumal er auch optisch keine Besonderheiten hat, weder eine große Nase, noch eine hohe Stirn oder eine auffällige Kauleiste wie Stefan Raab. Es ist trotzdem möglich, ihn zu parodieren, aber mit mehr Arbeit verbunden, weil man noch genauer hinschauen muss. Und aufgrund des geringen Wiedererkennungswertes wird eine solche Parodie auch nicht beim Publikum zünden. Auch bei Kai Pflaume hatte ich zunächst die Vermutung, es könnte schwierig werden…

Erzählen Sie bitte!
Giermann: Auch er ist ein gutaussehender Mann ohne Sprachfehler oder Marotten. Dennoch habe ich ein Mittel gefunden, ihn gut darzustellen, indem er  immer betont fotogen in die Kamera guckt.

Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen Comedy und Kabarett?
Giermann: Ich denke, wenn es in die politische Richtung geht, kann man meistens von Kabarett sprechen, oder? Dieter Nuhr beispielsweise steht ja für beides. Aber ich finde, man sollte auch nicht alles in Schubladen stecken. Am wichtigsten ist doch, dass man unabhängig vom Thema über einen Komiker lachen kann.

Würden Sie auch Politiker reizen?
Giermann: Nicht wirklich, parteipolitische Comedy ist nicht mein Ding, dazu fehlt mir persönlich der Bezug. Wobei beispielsweise Frank-Walter Steinmeier sicher eine gute Vorlage wäre. Er ist ein markanter Typ mit einer kernigen Stimme. Da ließe sich sicher ein Ansatz für eine Parodie finden. Wenn er lauter wird, klingt er ja fast wie Altkanzler Gerhard Schröder. Nur inhaltlich wird es mau. (lacht)

Gibt es für Sie auch Tabus, etwa den Papst?
Giermann: Der Papst ist kein Tabu, wohl aber Michael Jackson momentan. Da müsste man abwarten, bis ein wenig Gras darüber gewachsen ist. Es sei denn die Parodie ginge in Richtung einer Hommage, aber da muss man vorsichtig sein und sollte auch als Parodist ein bisschen Fingerspitzengefühl zeigen. Bei Osama bin Laden habe ich mich auch gefragt, ob ich das wirklich machen soll.

Der Clip, in dem Sie als Al-Qaida-Chef zu sehen sind, ist auf YouTube ein Hit. Haben Sie Angst vor Extremisten?
Giermann: Am Anfang war ich mir nicht ganz sicher, ob man damit nicht Leute gegen sich aufbringt, die einem auch gefährlich werden könnten. Letztlich bin ich aber froh, dass wir bin Laden doch parodiert haben. Der Clip ist lustig und findet weltweit Beachtung.

Für welche Ihrer Figuren sitzen Sie besonders lange in der Maske?
Giermann: Für Hugo-Egon Balder dauert es bis zu drei Stunden. In dieser Zeit werden mir ein künstlicher Hals angelegt und mehrere Gesichtspartien aufgeklebt. Auch Karl Lagerfeld ist aufwändig mit angeklebten Wangenteilen, Lippen, Nase und der geweißten Perrücke. Den geringsten Aufwand bereitet Kai Pflaume, weil ich für ihn nur etwas geschminkt werden muss.

Sind Ihre Parodien eine Liebeserklärung an das deutsche Fernsehen oder eher eine Abrechnung?
Giermann: Weder noch, eher eine lustvoll amüsante Auseinandersetzung mit dem Medium und seinen Protagonisten. In meiner Freizeit schaue ich nicht viel fern, muss mich aber ja berufsbedingt auf dem Laufenden halten.

Das ist sicher nicht immer ein Vergnügen, oder?
Giermann: Also wenn ich mir hintereinander zwölf Folgen vom Restauranttester anschauen muss oder von dicken Frauen, die Wohnungen verschönern, geht das wirklich an die Schmerzgrenze.

Wie finden Sie das Niveau des deutschen Fernsehens?
Giermann: Nun, ich möchte es nicht verdammen. Natürlich gibt es viel Schrott wie die zahlreichen Realityshows. Aber letztlich ist für jeden etwas dabei. Ich habe mir allerdings angewöhnt, nur noch gezielt anhand einer Programmzeitschrift fernzusehen und deshalb auch vor zwei Jahren meinen Kasten aus dem Schlafzimmer verbannt. Das kann ich nur jedem empfehlen. Wahlloses hin- und herzappen macht blöde. Ich schaue mir am liebsten ausgewählte Spielfilme an.

Auf welche Marotten müsste derjenige achten, der Sie eines Tages mal parodiert?
Giermann: (lacht) Das ist eine gemeine Frage. Aber okay: Wenn ich aufgeregt bin, kaue ich an meinen Fingernägeln.

Wenn sie Ihr Leben gegen eines Ihrer Figuren eintauschen könnten, für wen würden Sie sich entscheiden?
Giermann: Wahrscheinlich für Tilm Mälzer. Ich koche nämlich sehr gerne. Außerdem hat er ein nettes Häuschen auf Mallorca. Das könnte mir durchaus gefallen (grinst).

Müssen Sie eigentlich oft Autogramme geben?
Giermann: Das hält sich in Grenzen, was sicher daran liegt, dass mich die meisten Leute noch nie privat gesehen haben. Aber vielleicht bekomme ich demnächst mehr Fans, denn in „Granaten wie wir“ bin ich in einigen Sketchen auch als Max Giermann zu sehen.

Mit welchem Namen unterschreiben Sie?
Giermann: (lacht) Natürlich mit meinem eigenen. Noch habe ich keine Identitätskrise. Noch weiß ich, wer ich bin. Aber fragen Sie mich doch bitte in einem Monat noch einmal.

Privat weiß man tatsächlich nicht viel über Sie. Woran liegt das?
Giermann: Ich möchte mein Privatleben schützen. Das geht niemanden etwas an. Diesbezüglich bewundere ich Stefan Raab. Er ist fast täglich im Fernsehen, aber über sein Privatleben weiß man fast nichts.

Man wird Sie also nie beim „Perfekten Promi-Dinner“ sehen?
Giermann: Niemals. Ich wurde schon einige Male angefragt, aber ich koche lieber für Freunde oder nette Kollegen, als dass ich mich eine Woche mit irgendwelchen Promis treffe. Und ein Fernsehteam kommt mir auch nicht ins Haus.

Was macht eigentlich eine Kunstfigur wie Horst Schlämmer so erfolgreich?
Giermann: Die Leute sind so sehr von ihm fasziniert, weil er authentisch ist. Es weiß jeder, dass Hape Kerkeling hinter dieser Figur steckt, doch er wird gar nicht mehr wahrgenommen. Die Leute haben das Gefühl, dass es Horst Schlämmer wirklich gibt. Bei einer guten Parodie ist das übrigens ähnlich. Der Darsteller dahinter verschwindet.

Wie erklären Sie sich, dass die Horst Schlämmer Partei (HSP) laut einer Forsa-Umfrage bei den Bundestagswahlen auf 18 Prozent käme?
Giermann: Das Umfrageergebnis hängt sicher mit der allgemeinen Politikverdrossenheit zusammen. Viele Menschen würden aus Trotz für ihn stimmen, weil sie mit den Parteien in Deutschland unzufrieden sind. Mit Schlämmer als Kanzler hätten Sie wenigstens was zu lachen.

Sie sind ein ausgebildeter Clown. Waren Sie eigentlich schon als Kind lustig?
Giermann: Es ist mein Job, das Publikum zum Lachen zu bringen. Und ich liebe diesen Job. Aber ich glaube, ich war als Privatperson nie besonders komisch oder extrovertiert. In der Schule war ich mal Klassensprecher, aber nie der Klassenclown. Ich habe auch keine Lehrer parodiert, zumindest nicht mehr als alle anderen auch. Und wenn ich abends zum Essen eingeladen werde, sind meist andere für die Witze zuständig.

Sie sind auch diplomierter Schauspieler. Gibt es einen Film, in dem Sie gerne einmal mitspielen möchten?
Giermann: Sie meinen einen ernsthaften? Ich habe das Problem, dass ich in einer Schublade stecke. Würde ich in einem Thriller auftauchen, würden viele wahrscheinlich sehr schnell den Stefan Raab in mir entdecken. Ich habe zudem noch nie vor der Kamera eine ernsthafte Rolle gespielt, was aber sicher eine reizvolle Herausforderung wäre – etwa als verlotterter, versoffener Kommissar. Ja, das hätte was…

Ein Kommentar zu “Der Papst ist kein Tabu.”

  1. Jürgen Belakewicz |

    Max Giermann, war mir persönlich noch nicht so bekannt gewesen.Seine Rolle als Klaus Kinski hat mich sehr überzeugt und beeindruckt.Einen zweiten Giermann gibt nicht…so toll hat er die Rolle in Szene gesetzt.Klasse und weiter so.

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.