Marcus Loscher

Es schmeckt den wenigsten auf den ersten Schluck

Brauer und Mälzer Marcus Loscher über den Erfolg von Club Mate, Mund-zu-Mund-Propaganda und die Tradition im Familienunternehmen

Marcus Loscher

© Planet Interview

Herr Loscher, Club Mate wurde zunächst als Szenegetränk in Hamburg und Berlin populär. Wird es auch bei Ihnen in Mittelfranken gekauft?
Marcus Loscher: Hier bei uns ticken die Uhren noch etwas anders. Ich denke, dass die Hamburger zum Beispiel gegenüber neuen Dingen etwas aufgeschlossener sind.

Von den Hamburgern sagt man doch eher, sie seien etwas steif…
Loscher: Das kann ich so nicht bestätigen. Ich mache auch einmal im Jahr Urlaub in Norddeutschland, eben weil die Leute dort so locker und aufgeschlossen sind und nicht nur ihre eigene Suppe kochen. Ich denke, es ist von der Tradition her so, dass die Menschen in Bayern, in Baden-Württemberg oder allgemein in Süddeutschland eher skeptisch sind, was Neues angeht. Es gibt ja diesen Spruch: Was der Bauer nicht kennt, dass frisst er nicht. Möglich, dass es daher rührt, dass hier weniger Club Mate getrunken wird. Wir haben jedenfalls die Erfahrung gemacht: Je weiter nördlich wir kommen, desto erfolgreicher werden wir mit Club Mate.

Als der Siegeszug begann, vor knapp 20 Jahren, führte Ihr Vater noch die Geschäfte.
Loscher: Ja, mein Vater ist seit kurzem nur noch Prokurist, während mein Bruder Sebastian und ich die Geschäfte führen. Das ist ein Generationsschritt, wir sind die fünfte Generation, die diesen Betrieb führt.
Mein Vater hört aber natürlich nicht von heute auf morgen auf, er ist in beratender Funktion immer da, jeden Tag. Nur sucht er sich jetzt einfach aus, was er noch machen möchte. Das ist auch sein gutes Recht, dafür hat er ja ein Leben lang in dem Betrieb hier gearbeitet.

Er darf sich also immer noch in die geschäftlichen Dinge einmischen.
Loscher: Ja, selbst wenn er irgendwann mal komplett aus der Firma rausgeht, was ich nicht glaube, hat er immer noch vollstes Mitspracherecht. Wir fällen sehr, sehr viele Entscheidungen innerhalb der Familie. Und wenn eine wichtige Entscheidung ansteht, wird da auch schon mal ein paar Stunden drüber diskutiert bis wir einen gemeinsamen Nenner finden. Manchmal kommen wir zu dritt auch auf Ideen, die noch besser sind als das, was ursprünglich zur Diskussion stand.

Wie lange arbeiten Sie selbst schon im Betrieb?
Loscher: Ich bin so späte 35 Jahre alt und arbeite inoffiziell seit 35 Jahren in der Brauerei. Offiziell bin ich nach der Schule in die Lehre gegangen und habe Brauer und Mälzer gelernt. Und nach der Lehre, also mit 19, bin ich dann in den heimischen Betrieb gekommen.

Was sind die Vorteile eines Familienunternehmens gegenüber anderen Unternehmen?
Loscher: Es hat natürlich den großen Vorteil, dass man von Kindesbeinen an schon ganz viel vom Betrieb mitbekommt und sehr viel lernt. Nachteile würde ich eigentlich gar keine sehen.

Eine andere bekannte Familienbrauerei – Bionade – wurde sehr stark von Investoren umworben und gehört inzwischen zu Dr. Oetker. Verkaufen Sie auch irgendwann?
Loscher: Nein. Bis dato war noch niemand da, der gefragt hat, ob man uns kaufen kann. Und selbst wenn uns jemand fragen würde, gäbe es ein ganz, ganz großes Nein. Weil die Brauerei einfach unser Baby ist und wir viele Jahre dafür gebraucht haben, uns das aufzubauen. Dementsprechend stolz sind wir darauf und wollen das noch viele Jahre weitermachen. Das ist auch das Traditionsbewusstsein: Wir wissen, es folgen Generationen nach, und denen möchte man etwas hinterlassen, womit sie arbeiten können.

Club Mate ist besonders in der Netzgemeinde und der Piratenpartei beliebt. In dem Buch „Hackerbrause“ schildern einige derjenigen, die Club Mate in Hamburg und Berlin bekannt gemacht haben, in einem Interview, dass Ihr Vater in den 90ern gar nicht so glücklich war über den beginnenden Erfolg des Getränks.
Loscher: Wissen Sie, das das Traurige an dem Buch ist, dass die Autoren jeden Hinz und Kunz gefragt und zu Club Mate interviewt haben, nur nicht uns. Das Buch hat ungefähr 10 Prozent Wahrheitsgehalt, der Rest ist absoluter Käse.

Was denn zum Beispiel?
Loscher: Da steht drin, dass wir alle Millionäre sind – das klingt toll, aber wenn ich auf mein Konto gucke, äh, ist es leider nicht so. Wäre ja schön, aber Tatsache ist, dass wir alle Einnahmen, die wir mit Club Mate haben, wieder umgehend in das Produkt stecken müssen, in Form von neuen Maschinen, Getränkekästen oder Flaschen.
Aber um auf die Frage zurückzukommen: Warum sollte mein Vater unglücklich über ein Getränk gewesen sein, von dem er selber so überzeugt war, dass er es produziert hat? Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Mein Vater war im Gegenteil der erste, der hier mit der Limonadenproduktion begonnen hat. Das war bei uns in der Gegend ein absolutes No-Go, dass eine Brauerei eigene Limonaden herstellt. Aber er hat’s gemacht, schon Mitte der 80er. Und es war der Grundstein dafür, dass wir irgendwann Club Mate auf den Markt bringen konnten. Das wurde ganz bewusst so entschieden und mit Sicherheit ist er darüber nicht unglücklich gewesen.

Zitiert

Ich bin Maschinenmillionär.

Marcus Loscher

Wird Club Mate heutzutage beworben?
Loscher: Nein. Wir haben das früher viel versucht und dabei auch sehr viel Geld verpulvert, muss ich sagen. Einfach aus Ahnungslosigkeit, das war ja auch Neuland für uns. Bis wir dann irgendwann gemerkt haben: Das Getränk verkauft sich eigentlich ausschließlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Da muss jemand sein, der sagt: „Mir schmeckt’s“ und der muss dann seinem Freund, seiner Freundin, seinem Kumpel, irgendjemandem sagen: „Hier, probier‘ das mal!“ Nur so hat’s funktioniert und so funktioniert das auch heute noch. Klar, wir haben ein paar Tischaufsteller für Gastronomien und ein paar Plakate, die man vielleicht mal im Getränkemarkt sieht. Aber so richtige Plakatwerbung oder Anzeigen, das machen wir nicht mehr.

Beobachten Sie dies denn auch bei anderen Herstellern?
Loscher: Nein, die meisten Getränke werden in der ein oder anderen Weise beworben. Es ist ja auch schwierig, ein bekanntes Getränk – zum Beispiel eine Apfelschorle – ohne Werbung zu vermarkten.

Nun gibt es zu Club Mate inzwischen einige Konkurrenzprodukte…
Loscher: Klar, die gibt es und wir kennen die natürlich alle. Aber das ist halt das Traurige, das ist so ein bisschen wie damals bei Bionade: Als die erfolgreich wurden, gab es sehr viele Nachahmer. Was die alle aber vergessen, ist, dass wir 20 Jahre lang hart dafür gearbeitet haben, dass Club Mate jetzt so erfolgreich ist. Von den Nachahmern produzieren viele nach dem Motto „ich habe da einen Mate-Aufguss, ein bisschen Zucker, dann kommt Kohlensäure rein und gut ist“. Aber es ist halt nicht so einfach, so ein Getränk zu kopieren. Das hat ja auch schon eine lange Tradition im Herstellungsprozess.

Woher kommt eigentlich der Name „Club Mate“?
Loscher: Also, da muss ich etwas weiter ausholen, denn das Getränk gibt es ja schon seit 1924. In den 20er Jahren hieß es noch „Sekt Bronte“, es gab drei Abfüller, zwei in Ostdeutschland, die haben noch vor dem zweiten Weltkrieg zugemacht und einen in der Nähe von Ansbach. Der ist übrig geblieben, ein kleiner Limonadenabfüller mit einem Vertrieb im Umkreis von fünf Kilometern. Zu der Zeit hieß es dann irgendwann nur noch „Bronte“ und 1954 wurde das Getränk erneut umbenannt, in „Club Mate“. Warum, das kann ich nur vermuten. „Mate“ ist ja irgendwie klar, aber das „Club“… Das war damals einfach ein Modewort, glaube ich. Es gab ja auch „Club Soda“ und dann „Club Cola“.
Der Betreiber kam dann irgendwann ins Rentenalter und seine Nachkommen hatten kein Interesse daran, den Betrieb weiterzuführen. Also wollte er verkaufen, nicht an einen Großen sondern an einen Mittelständler – und ist schließlich bei meinem Großvater und meinem Vater vorstellig geworden. Das war 1994.

Würden Sie sagen, Club Mate ist ein Energy Drink?
Loscher: Nee.

Sie wird aber manchmal mit Red Bull verglichen. Auch, weil es ebenfalls einen wachmachenden Effekt hat. Warum ist es denn kein Energy Drink?
Loscher: Weil es von der Wirkung her ganz anders ist. Energy Drinks wirken ja mit dem vielen Zucker, der darin enthalten ist und mit dem synthetischen Koffein, dass beigemischt wird. Ein Energy Drink, der knallt dich nach oben, dann bist du aufgedreht. Und dann fällst du irgendwann wieder runter. Bei Club Mate ist es anders: Da ist relativ wenig Zucker drin und es wird auch kein synthetisches Koffein zugesetzt, sondern das natürliche Koffein aus der Pflanze, der Mate, gewonnen. Und auch die Wirkung ist anders, die baut sich langsam im Körper auf. Du hast eine relativ lange Leistungssteigerung, sowohl körperlich als auch physisch, die sich auch nur recht langsam wieder abbaut.

Wenn ich Club Mate trinke, habe ich den Eindruck, dass da vergleichsweise viel Kohlensäure drin ist.
Loscher: Ja. Wir finden, dass es dadurch diese sprudelige Wirkung bekommt. Es soll ja auch ein Durstlöscher sein. Das erreichen wir auch durch den hohen Gehalt an Kohlensäure.

Club Mate ist besonders in Clubs und Bars beliebt. Trinken Sie es selbst, wenn sie ausgehen?
Loscher: Wenn ich ausgehe, dann greife ich doch lieber zu einem unserer Biere. Vielleicht auch, weil ich bei der Arbeit schon Club Mate trinke – meist so eineinhalb bis zwei Liter am Tag.

Auf Partys und in Clubs gibt es den Trend, von einer Mate-Flasche einen Schluck abzutrinken und die Flasche mit Wodka aufzufüllen. Schmeckt das?
Loscher: Mir nicht. Ich trinke keinen harten Akohol, deshalb schmeckt mir so etwas generell nicht. Ich bin auch kein Cocktail-Fan. Aber es gibt sicherlich Leute, denen das schmeckt. Und wenn sie meinen, dass sie das so trinken wollen, können sie das gerne tun. Mein Fall ist es nicht.

Auf Ihrer Internetseite steht: „Das Stadium der Abhängigkeit wird nach zwei bis vier Flaschen erreicht“…
Loscher: Das ist augenzwinkernd gemeint. Weil wir die Erfahrung gemacht haben: Es schmeckt den wenigsten auf den ersten Schluck. Am Anfang verziehen die meisten das Gesicht und sagen: „Uhmmm, was ist denn das?“ Denen empfehlen wir: Ein paar Tage oder Wochen warten und es wieder probieren. Und dann ist die Reaktion oft: „Okay, immer noch seltsam, aber doch nicht sooo schlimm, wie ich es in Erinnerung hatte.“ Und ab der dritten Flasche schmeckt’s dann eigentlich.

Wo geht es mit Club Mate hin?
Loscher: Wir wollen eigentlich, dass alles so bleibt, wie es ist. Das Einzige ist vielleicht, dass wir in Zukunft Lieferengpässe vermeiden wollen. Vor zwei Jahren hatten wir einen, da kamen wir gar nicht mehr nach, wir haben rund um die Uhr produziert und trotzdem hat es nicht gelangt. Jetzt haben wir aber schwer investiert, so dass wir da keine Engpässe mehr kriegen werden.

In was haben Sie investiert?
Loscher: Wir haben in neue Anlagen investiert, also die Abfüllanlage aufgestockt und vergrößert.

Was kostet denn so eine Abfüllmaschine?
Loscher: Das ist ja nicht nur die Maschine. Man braucht auch eine Waschmaschine, einen Füller, Inspekteure, Bänder, Etikettiermaschinen, Einpacker, Auspacker… Also wir sprechen hier von einer Summe im siebenstelligen Bereich.

Dann sind sie ja eigentlich doch Millionär.
Loscher: Ich bin Maschinenmillionär, ja.

 

© Marcus Loscher

Marcus Loscher, Jahrgang 1976, geboren in Münchsteinach in Mittelfranken ist gelernter Brauer und Mälzer. Ab 2011 führte der älteste Sohn der Familie Loscher gemeinsam mit seinem Bruder Sebastian und seinem Vater Andreas die Brauerei der Familie als mehr

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