Madsen

Wir sind zwar Landeier, aber das heißt ja nicht, dass wir weltfremd sind.

Sascha Madsen und Folkert Jahnke von Madsen über Qualität im Fernsehen, das Problem der Selbstfindung, das Leben auf dem Dorf und warum Lampenfieber so wichtig ist.

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© Ingo Pertramer/Universal Music

Sascha und Folkert, wann habt ihr das letzte Mal Fernsehen geguckt?
Madsen: Bei mir ist das schon eine Weile her. Ich gucke meistens nur alte Schimanski-Folgen auf’m Laptop. Die sind immer sehr geil!
Jahnke: Ich habe grade gestern einen alten „Tatort“ im NDR gesehen mit Manfred Krug und Charles Brauer, wo sie schön auf’m Schiff singen. Die beiden sind der Hammer, weil sie einfach diese norddeutsche Schnoddrigkeit ausstrahlen. Außerdem singen sie immer – das ist einfach Kult!

Seid ihr eher Zapper oder guckt ihr gezielt?
Madsen: Also ich bin der totale Zapper! Normal Fernsehen gucken finde ich blöd, aber das ist bei der ganzen Werbung ja auch kaum noch möglich. Ich liebe es durch die Programme zu zappen und überall mal so ein bisschen reinzuschauen.
Jahnke: Früher hatte ich so eine Zimmerantenne und nur drei Programme, aber mittlerweile gucke ich über einen Receiver, kann aber trotzdem keine Privatsender empfangen. Das will ich aber auch gar nicht. Ich guck nur die Dritten, alles andere würde mich irgendwann komplett kirre machen. (lacht)

Mit der Meinung bist du nicht alleine, siehe Marcel Reich-Ranicki. Teilt ihr seine Kritik, dass größtenteils nur „Blödsinn“ läuft und die meisten Formate viel zu niveaulos sind?
Madsen: Im Großen und Ganzen schon. Das war  schon gut, dass sich einer wie Reich-Ranicki mal da vorne hingestellt und auf’n Putz gehauen hat. Das hat alle mal so’n bisschen aufgerüttelt.
Jahnke: Ich hab mir das anschließende Gespräch mit Thomas Gottschalk angesehen, und da hat er ja nicht so ‚ne ganz gute Figur gemacht. Ich meine, das ist ein alter Mann, der hätte einfach sagen können. „Ich hab hier meine Klassiker und das Neue interessiert mich nicht!“. Das wäre glaubwürdiger gewesen. Es war ja auch offensichtlich, dass er von den meisten neumodischen Sendungen gar keine Ahnung hat.

Ist das Fernsehen heute schlechter als früher?
Jahnke: Nicht unbedingt schlechter, es ist einfach schneller. Mir ist es manchmal sogar zu schnell. Früher gab es einmal die Woche eine Comedyshow, auf die konnte man sich noch freuen, aber mittlerweile produzieren sie fünf Wochen Folgen pro Woche. Da leidet so’n bisschen die Qualität drunter.
Madsen: Ja, das stimmt! Ich fand zum Beispiel Stefan Raabs „TV Total“ viel geiler, als es nur einmal die Woche kam. Heute ist die Show gar nichts besonderes mehr, sondern nur noch ‚ne Werbeplattform für seine Events. „Schmidt und Pocher“ läuft ja nur einmal die Woche und das gucke ich mittlerweile viel lieber. Aber auch „Dittsche“ mit Olli Dietrich ist der Hammer.
Jahnke: Ja, „Dittsche“ ist geil! Das ist so’n richtig schöner norddeutscher Humor. Seitdem das wieder läuft, hat die Woche für mich wieder einen Sinn. (lacht) Die machen das auch richtig, weil sie immer auch Pausen einlegen.

Im Frühjahr 2008 habt ihr zeitgleich zu eurem neuen Album „Frieden im Krieg“ einen 75-minütigen Film namens „Rickys Popsensation“ veröffentlicht, eine gnadenlos witzige und skurrile Persiflage auf die Casting-Formate im deutschen Fernsehen. Nun hat ja das Format „Deutschland sucht den Superstar“ u.a. einen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Unterhaltungssendung“ gewonnen. Was sagt ihr dazu?
Madsen: Also unterhaltsam ist DSDS ja, das muss man dem Format lassen…
Jahnke: Ich sehe das etwas zwiegespalten. Die meisten Leute die da hingehen, glauben ja wirklich an das Format und an das was ihnen ein Dieter Bohlen da erzählt…
Madsen: (unterbricht)…Na, ich glaube dass die meisten dieses ganze System schon durchschauen und einfach nur geil darauf sind, ins Fernsehen zu kommen. Die sagen sich: „Das ist alles total abgefuckt, aber Scheiß drauf – ich will einfach nur berühmt werden!“ Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir das auch angucke. „Popstars“ finde ich langweilig, aber DSDS gucke ich mir mal ganz gerne an.

Auch um darüber zu lachen, wer sich da so alles bewirbt?
Madsen: Das läuft ja alles auf einem sehr fragwürdigen Weg. Ich meine, die Leute stehen da, und die ganze TV-Nation kann sich über sie lustig machen. Aber die Leute sind ja zum großen Teil selber schuld daran. Sie kennen die früheren Staffeln und wissen, dass sie dort nicht mit Samthandschuhen angepackt werden, sondern vor der Kamera bloßgestellt werden.

Inwiefern gab es in eurer Karriere Momente, in denen ihr in Richtungen gedrängt worden seid, in die ihr gar nicht gehen wolltet? Stichwort „Homestories“ und ähnliches…
Madsen: Also, du musst absolut sicher sein, was du machst und wer du bist, damit du dich nicht verheizen lässt. Dir muss einfach bewusst sein, dass das Leben in der Öffentlichkeit nicht nur positive Seiten hat. Du musst lernen „Nein“ zu sagen. Das mussten wir auch erst im Laufe der Zeit lernen. Wir haben auch Homestories gemacht und den Fernsehzuschauern unsere Wohnungen gezeigt, aber irgendwann merkst du halt, dass das auf Dauer nicht gut geht und du deine Privatsphäre auch schützen musst.
Jahnke: Du fühlst dich am Anfang ja auch geehrt und gibst bereitwillig über alles Auskunft. Da denkst du gar nicht so viel drüber nach, was daraus entstehen kann. Irgendwann wurde uns das aber zuviel und wir haben die Notbremse gezogen und gesagt: „So, jetzt  konzentrieren wir uns nur noch auf die Musik.“ Und das hat ja dann auch geklappt.

In Songs wie „Du schreibst Geschichte“, „Verschwende dich nicht“ oder auch „Du bist wie du bist“ geht es häufig um das Thema Selbstfindung. Ihr singt: „Du passt in keine Form/ Du passt in kein System/ Bitte lass dich nicht verdrehen/ Und lass dir nichts erzählen.“ Warum ist dieses Thema so zentral für euch?
Madsen: Wir leben ja in einer Welt, die immer schneller wird und wo immer Informationen auf einen nieder regnen. Ich glaube es wird immer schwerer sich in dieser hektischen Welt zu orientieren. Wenn ich nicht auf der Bühne stehen würde, wüsste ich auch nicht, was ich machen würde.
Jahnke: Man muss schon gut auf sich aufpassen im Leben, weil man sich heutzutage schon sehr schnell verzetteln kann. Man braucht ein gesundes Selbstbewusstsein. Man muss sich selbst treu bleiben. Man darf sich nicht verschwenden, das wollen wir durch diese Songs deutlich machen.
Madsen: „Verschwende dich nicht“ ist ein Song, der auch so’n bisschen auf unsere Band zutrifft. Wir hatten zu dem Zeitpunkt, als wir den Song geschrieben haben, das zweite Album gerade fertig und haben uns schon gefragt, in welche Richtung das Ganze jetzt gehen soll, was wir mitmachen wollen und was nicht? Das war nicht immer ganz einfach.

Lasst uns über die Anfänge von Madsen sprechen. Ihr seid im Wendland an der Elbe aufgewachsen. Wie habt ihr eure Jugend verbracht?
Jahnke: Ich bin in einem Dorf bei Dannenberg aufgewachsen, und da wohnten halt nur 13 Leute. Da war nicht viel los. Meine Eltern hatten einen Bauernhof mit vielen Tieren, und da musste man halt auch als Kind schon ordentlich mit anpacken. Ich war halt immer viel draußen, hab mich mit Kumpels getroffen und wir sind so durch die Gegend gezogen. Ich habe mich damals aber nicht gelangweilt. Das war halt das was ich kannte und mochte.

Zitiert

Die sagen sich: „Das ist alles total abgefuckt, aber Scheiß drauf - ich will einfach nur berühmt werden!“

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Stimmt das Klischee von der Bushaltestelle als Treffpunk der Dorfjugend eigentlich?
Madsen: Ja klar! Es gab halt die Bushaltestelle und dann hat man sich da mit’m Kasten Bier hingesetzt, gequatscht und gefeiert. Es gab in meiner Ecke ja auch keine wirkliche Disco.
Jahnke: Bei mir in Dannenberg gab’s schon ne Disco, und da sind wir auch öfters hingefahren, aber du brauchst halt immer jemanden, der ein Auto hat oder schon 18 ist und dich irgendwie mit reinschleust. Das ist manchmal auch schief gegangen und wir mussten wieder zurückfahren. (lacht)

Wie seht ihr diesen Ort heute als erwachsene Menschen?
Madsen: Wir wohnen tatsächlich alle noch in dieser Gegend, und ich persönliche genieße einfach die Ruhe, die ich dort finde. Das Wendland ist so ein bisschen die Basis und das Herz unserer Band. Alle wichtigen Entscheidungen werden dort gefällt und wir ziehen uns auch oft dorthin zurück.
Jahnke: Ich bin gerne unterwegs, aber nach drei Wochen Tour sehne ich mich auch wieder nach meinem Dorf. Ja, ich bin ein überzeugtes Landei! (lacht) Ich finde das herrlich, wenn man morgens ausm Fenster guck t- und man sieht keinen! Das ist super!

Aber bereut ihr es nicht schon manchmal, dass ihr nicht in einer Großstadt wie Berlin aufgewachsen seid?
Madsen: Um Gottes Willen, ich möchte wirklich nicht in Berlin aufwachsen! Wir sind zwar Landeier, aber das heißt ja nicht dass wir weltfremd sind. (lacht) Nein, Berlin wäre mir einfach zu laut, zu hektisch und zu groß.
Jahnke: Ich hab mal mit 17 in einer WG in Hannover gelebt, und möchte diese Zeit auch nicht missen. Das war schon geil so mit fünf spät-pubertierenden Jungs in einer WG zu hausen, aber im Nachhinein auch bitte keinen Tag länger. (lacht) Ich wäre da vor die Hunde gegangen mit diesem ständigen Ravioli-Dosenfutter. (lacht)

Ab wann war euch denn klar, dass die Musik ein zentraler Bestandteil eures Lebens sein wird?
Madsen: Diesen einen entscheidenden Moment kann man gar nicht benennen. Den gab es eigentlich gar nicht. Wir haben ja immer schon andere Sachen probiert, aber irgendwann haben wir halt gemerkt, dass die Musik das einzige ist was wir wirklich können. Und dass wir damit heute auch unseren Lebensunterhalt verdienen können, macht uns einfach glücklich.

Euren Durchbruch im Musikgeschäft habt ihr mit eurer Single „Die Perfektion“ im April 2005 geschafft. Es folgten Hits wie „Du schreibst Geschichte“ und „Der Moment“ – wie habt ihr eure bisherige Karriere erlebt?
Jahnke: Bus fahren, Bus fahren Bus fahren…Einpacken, auspacken, ins Hotel einchecken, auftreten, wieder einpacken und wieder Bus fahren…(lacht) Man kriegt das erst gar nicht so mit, was da passiert, sondern ist einfach überwältigt.
Madsen: Alles mitnehmen was man kann, und wenn man dann irgendwann mal durchatmen kann, muss man sich diese Zeit auch nehmen um zu reflektieren, weil man sonst einfach durchdreht.

Inwiefern stellt sich im Laufe der Zeit eine Routine ein?
Madsen: So eine richtige Routine darf sich gar nicht einstellen, weil das gefährlich ist. Dann wird’s langweilig! Es ist einfach wichtig, dass du immer wieder aufgeregt bist. Das hält dich wach und du kannst viel mehr Gas geben.
Jahnke: Jaaa, dann wird’s langweilig! Das merken die Zuschauer, der gemeine Zuschauer merkt das und sagt sich: „Oh, das sind aber abgewichste Hasen da oben! Da fahr’n wir lieber nicht mehr hin. (lacht) Und dann stehen wir auf einmal in einer leeren Halle. Nein, das wäre nicht gut. Wer kein Lampenfieber mehr hat, kann ja meinetwegen Reifen verkaufen, aber für die Bühne brauchst du das. Keith Richards von den Stones hat mal erzählt, dass er immer noch aufgeregt ist. Und wer die mal Live gesehen hat, merkt: Die sind immer noch der Hammer!

Nehmt ihr eigentlich euer heimisches Bier mit auf Tour oder trinkt ihr die Biersorten vor Ort?
Madsen: Wir geben ja immer so ’ne Liste ab, auf der unsere Catering-Wünsche drauf stehen und neben Becks steht da auch immer: „Bier aus der Region“. In Bayern gibt’s dann halt Augustiner und an der Küste Jever. (lacht) Hauptsache es schmeckt!

Wie nah seid ihr eigentlich noch am Lebensgefühl eurer Hörerschaft, die sich ja größtenteils aus Schülern und Studenten zusammensetzt?
Madsen: Ich freue mich immer wenn ich die sechzehnjährigen langhaarigen Chucksträger sehe, die wild rum springen. Das finde ich immer gut. Aber ich weiß gar nicht, ob wir uns da so identifizieren müssen. Wir freuen uns auf alle, die zu unseren Konzerten kommen und mit uns feiern. Ob das jetzt Schüler und Studenten sind, ist uns eigentlich völlig egal.
Jahnke: Es sind ja auch durchaus ältere auf unseren Konzerten, die stehen dann aber meist weiter hinten. Ich als Zuhörer würde mich ja auch nicht mehr vorne hinstellen, das wäre mir echt zu hart. (lacht)

Habt ihr denn auch mal, wie viele Studenten, einfach in den Tag hinein gelebt?
Madsen: Ja, na klar! Ich hatte früher jede Menge Freizeit und wir sind ja heute auch nicht von morgens bis abends im Vollstress. Das würde ja auch kein Mensch aushalten…
Jahnke: Man muss sich auch Freizeit nehmen, man kann halt nicht alles machen. Es ist uns auch wichtig Kontakt zu Freunden zu halten. Man kann halt nicht mehr auf jede Party kommen, aber wenn man dann mal wieder auf einem Geburtstag ist, genießt man das natürlich besonders. Natürlich rufen manche Leute weniger an, weil sie denken, man hätte eh keine Zeit, und oft ist das ja auch so. Wenn du auf Tour bist, bist du halt manchmal wochenlang nicht zu Hause, aber dafür sind wir dann auch zwischendurch immer mal wieder für eine längere Zeit in unserer Heimat.
Madsen: Wenn wir im Norden spielen, kommen ja auch viele Freunde zu unseren Konzerten und dann trinkt man danach halt noch das eine oder andere Bier und quatscht über alte Zeiten.

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