Liam Neeson

Ich bin ein Kind der Gewalt.

Liam Neeson über den Film "96 Hours", Treffen mit Geheimagenten, Gewalt auf der Leinwand und warum John McCain nicht Präsident der Vereinigten Staaten wurde

Liam Neeson

© Twentieth Century Fox

Mr. Neeson, Sie haben in Ihrer Jugendzeit professionell geboxt. Hat Ihnen das bei der Vorbereitung auf Ihre Rolle in „96 Hours“ geholfen?
Liam Neeson: Ich habe mir über die Jahre mit viel Disziplin einen gewissen Grad an Fitness angeeignet. Das Boxen selbst hat mir wenig genutzt, da es von der Kampftechnik her vollkommen anders war. Im Film ging es eher um eine Martial-Arts-Technik, in der verschiedene Disziplinen zusammenkommen.

Wie lange hat es gedauert, die Technik zu erlernen?
Neeson: Ich habe drei Wochen vor den Dreharbeiten bestimmte Basisbewegungen und Abläufe gelernt. Anschließend haben wir für die Kampfszenen Choreographien ausgearbeitet, jeden Tag vor dem Dreh oder nach dem Dreh und natürlich auch an den Wochenenden, um das Händchen dafür nicht zu verlieren.

Es ist Ihr erster Action-Film, was hat Sie dazu gebracht, einen brutalen Agenten zu spielen, der fast jeden Gegner eiskalt tötet?
Neeson: Ich war schon immer an dem Genre interessiert und habe stets die Arbeit von Luc Besson bewundert. An diesem sehr straighten Thriller mochte ich die unheimliche Energie. Wobei meine Figur im Drehbuch eigentlich noch in den Vierzigern ist – und ich war schon 54, als man mir die Rolle anbot. Ich dachte erst: „Das machst du nicht“. Aber dann habe ich mich mit Luc Besson über die Rolle unterhalten und ihm gesagt, ich würde sie nur übernehmen, wenn ich auch alle Kämpfe selbst spielen kann. Worauf er meinte, dass wäre auch die einzige Möglichkeit, wie er zustimmen würde. Also haben wir es versucht.

Der Agent Bryan Mills ist kein typischer Action-Überheld. In einer Szene verfolgt er einen Gegner, der von einer Brücke auf einen Truck springt, zögert und verzichtet schließlich darauf, hinterherzuspringen. Ein James Bond hätte das nicht getan…
Neeson: Ja, genau, man sieht den Kerl müde werden, davon hätte ich persönlich gerne noch mehr gesehen.

Waren Sie an der Charakter-Entwicklung beteiligt?
Neeson: Nein, ich habe ihn so gespielt, wie er im Buch stand. Ich habe Pierre Morel vertraut, er ist ein sehr dynamischer Regisseur. Als Schauspieler ist es gut, von einem Regisseur angeleitet zu werden.

Im Film versucht Bryan Mills zwei entführte Mädchen aus den Händen eines Menschenhändlerrings zu befreien. Wie haben Sie sich auf die Thematik vorbereitet?
Neeson: Ich habe mir einige Dokumentationen über Menschenhandel angesehen, Regierungs-Mitarbeiter getroffen…

Und was konnten Sie dabei herausfinden?
Neeson: Dass in Regierungskreisen, hinter verschlossenen Türen, eine ganze Menge Scheiße passiert, wovon nichts in der Zeitung steht und wovon wir nicht die geringste Ahnung haben. Ich habe mit Menschen gesprochen, die an diversen verdeckten Operationen gearbeitet haben, die von ihrer Regierung komplett verleumdet würden, wenn sie mit einer Mission scheitern.

Zitiert

In Regierungskreisen, hinter verschlossenen Türen passiert eine ganze Menge Scheiße, wovon nichts in der Zeitung steht und wovon wir nicht die geringste Ahnung haben.

Liam Neeson

Undercover-Agenten.
Neeson: Die waren so weit unter der Oberfläche, dass nicht einmal die CIA von deren Existenz wusste. Jedes der wichtigsten Länder dieser Erde hat solche Männer: Frankreich, Deutschland, Israel, die USA, Großbritannien…

Wie lernt man solche geheimen Personen kennen?
Neeson: Den Kontakt stellte letztlich ein Freund von Luc Besson in Amerika her. Leute, die jemanden kennen, die jemanden kennen – und plötzlich triffst du so einen Agenten in einem ganz normalen Café in Paris. Du erkennst so jemand nicht, das könnte ein Steuereintreiber oder sonst wer sein.

Was haben die Ihnen erzählt?
Neeson: Sie haben aus dem Nähkästchen geplaudert. Nicht anhand konkreter Beispiele, sondern anhand von Szenarien und was sie in bestimmten Situationen tun würden. Sie haben mir auch erklärt, dass Hollywood völlig falsch liegt, in der Weise wie dort in den Filmen Menschen leise exekutiert werden.

Und die Geschichte in „96 Hours“? Dass zwei Mädchen einfach in ihrem Pariser Appartement gekidnappt werden…
Neeson: Das hätte genau so passieren können. Besson hat sich mit französischen Polizisten unterhalten, die diesen Sexhandel mit jungen Mädchen verfolgen. Diese Gespräche haben den Film inspiriert.

In einer der Schlüsselszenen verliert Ihre Figur an Sympathie, als Bryan Mills statt auf den Bösewicht in den Arm von dessen Frau schießt…
Neeson: Ja, mit Sicherheit. Ich habe Pierre auch gefragt, warum ich auf sie statt auf ihn schießen soll. Er meinte, dass zeige wie skrupellos ich in der Rolle bin. Schließlich feuere ich auf die Frau des Bösewichts, in dessen Wohnung, während nebenan die beiden Kinder schlafen. In einer späteren Szene hatte ich dann noch einmal Augenkontakt mit meinem Gegner, ehe ich sein Haus verlasse – doch die wurde rausgeschnitten. Ich bedauere es, dass für diese kleine moralische Erinnerung kein Platz war.

Was halten Sie davon, dass heute immer mehr Folter-Szenen im Film gezeigt werden, sei es in James Bonds „Casino Royale“ oder der Fernsehserie „24“?
Neeson: Folter ist seit Ewigkeiten Teil unserer Gesellschaft. Ich bin Nordire, ich bin dort den 60er und 70er Jahren aufgewachsen. Ich bin ein Kind dieser Gewalt. Noch heute kommen jeden Tag solche Folterfälle aus dieser Zeit zum Vorschein, Dinge die damals in Belfast geschahen. Das sind Dinge, die uns seit Ewigkeiten umgeben, wahrscheinlich seit Menschen Eisen zu Speerspitzen verarbeiten. Das ist der Kampf des Lebens, wie er immer war und auch immer sein wird. Aber ob man das im Fernsehen zeigen muss? Ich weiß nicht, ob die Menschen dann sagen: „Meine Regierung sollte so etwas nicht tun“. Das könnte eine gute Begleiterscheinung sein, aber ich glaube, es wird letztlich nichts verändern. Regierungen werden weiterhin diese Methode nutzen, um an Informationen zu gelangen. Allerdings glaube ich auch, dass Folter einer der Gründe ist, warum John McCain nicht zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Viele Amerikaner konnten sich nicht vorstellen, dass jemand, der fünf Jahre als Gefangener in Vietnam gefoltert wurde, ein ausgeglichener Mann ist.

Seit einigen Jahren ist ein Film von Steven Spielberg im Gespräch, in dem Sie Abraham Lincoln spielen. Wie steht es um das Projekt?
Neeson: Das Projekt wird es geben und wenn Mister Spielberg das sagt, wird es auch klappen. Dieses Jahr oder hoffentlich spätestens im Frühling 2010. Es ist eine großartige Geschichte über die Demokratie, die erzählt werden sollte.

Liam Neeson wird am 7. Juni 1952 im nordirischen Ballymena geboren. Ursprünglichen wollte er Lehrer werden doch schloss er sich Mitte der 70er einer Theatergruppe an und stand fortan auf Bühnen in Belfast und Dublin. Hier wurde er schließlich vom mehr

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