Lars Penke

Man muss sich von den utopischen Idealen lösen.

Persönlichkeitspsychologe Lars Penke über Paarforschung beim Speed-Dating, männliche und weibliche Strategien bei der Partnerwahl, die hohe Single-Quote und den Einfluss der Medien auf unsere Beziehungen

Lars Penke

© Privat

Herr Penke, Sie sind Persönlichkeitspsychologe und betreiben Partnerwahlforschung im Kontext von Speed-Dating. Worum geht es bei dieser Forschung?
Penke: Bei der Partnerwahlforschung geht es grundsätzlich um die Frage: Wer wählt wen als Partner? Das ist ja im Endeffekt eine wichtige Lebensentscheidung. Das Problem ist nur, dass man als Wissenschaftler selten die Möglichkeit hat, Partnerwahl direkt zu beobachten. Wir können uns entweder fertige Paare angucken und sie fragen, was sie dazu bewegt hat, diesen einen Partner zu wählen. Oder wir fragen Singles nach ihren Vorlieben in Bezug auf einen potentiellen Partner. Nur ist das beides eben nicht genau der Prozess der Partnerwahl und es basiert alles auf Selbstberichten.
Echte Partnerwahl zu beobachten, sozusagen in der freien Wildbahn, das ist relativ schwer möglich. Weil das in Settings stattfindet, die der Forschung nicht wirklich zugänglich sind.

Da scheint das Aufkommen von Speed-Dating-Veranstaltungen ja ein ziemlicher Glücksfall für die Forschung zu sein.
Penke: Richtig. Das ist im Prinzip ein laborartiges Setting, dadurch dass sich jeder mit jedem eine konstante Zeit unterhält und jeder am Ende eine klare Entscheidung trifft, mit seinem Ja- oder Nein-Kreuzchen. Im Labor würden wir wahrscheinlich nichts anderes machen.
Vor allem kann man die Partnerwahlen der beiden Personen auseinandertrennen, d.h. man kann auch beobachten: welcher Mann hat eine Frau angekreuzt, ohne dass die Sache von ihr erwidert wurde. Denn wenn man sich als Forscher fertige Paare anguckt, dann sieht man ja nur, wo es beidseitig geklappt hat. Hier lässt sich auch feststellen, wo in der Situation der Entscheidung die Präferenzen der einzelnen Personen lagen.

Was wird noch untersucht?
Penke: Ich arbeite mit Kollegen vom Max-Planck-Institut zusammen, das sind in erster Linie Entscheidungsforscher, die sich für die kognitiven, im Gehirn ablaufenden Entscheidungsprozesse interessieren. Wie ich in so einer Situation Informationen aufnehme, was ich über den möglichen Partner wirklich erfahre, und wie ich das nutze, um eine schnelle Entscheidung zu treffen.
Ich selbst komme aus der Persönlichkeitspsychologie und Beziehungsforschung und interessiere mich für die interindividuellen Unterschiede: Welche Menschen mit welchen Persönlichkeitseigenschaften in solchen Situationen wie gut zurecht kommen und wie viel Erfolg sie haben.
Generell teilen wir die evolutionäre Perspektive, die in der Partnerwahlforschung eine große Rolle spielt, weil neben dem Überleben die Fortpflanzung praktisch das wichtigste treibende Element der Evolution ist. Daher kann man hier am ehesten vermuten, dass die Evolution in unserem Gehirn und generell in unserem Organismus entsprechende Spuren und Anpassungen hinterlassen hat, die dazu führen, dass wir in solchen Situationen adaptive Entscheidungen treffen.

Wie gestalten sich eigentlich die kurzen Gespräche der Teilnehmer eines Speed-Datings, läuft das auf eher niedrigem Niveau ab?
Penke: Im Durchschnitt muss man sagen, dass das relativ viel Smalltalk ist. Es sind immer wieder die gleichen Themen: Wie der andere dazu gekommen ist, ob er aus der selben Stadt ist, was er beruflich macht, dann geht es mal in Richtung Hobby – das hängt aber natürlich auch von der Kreativität der einzelnen Person ab. Wir haben beobachten können, wie manche sich eine Masche zurechtgelegt haben und die dann zwölf Mal hintereinander bei jedem möglichen Partner durchgeführt haben. Und wir hatten einen speziellen Fall, wo ein Mann jeder Frau den gleichen Zaubertrick vorgeführt hat.
Generell muss man sagen, dass der Inhalt der Gespräche relativ banal war. Allerdings glaube ich auch nicht, dass der Gesprächsinhalt wirklich bestimmt, wer sich jetzt für wen entscheidet. Es kann natürlich ein Ausschlusskriterium fallen, wenn man zum Beispiel merkt, dass man nicht aus derselben Stadt kommt, jedoch keine Fernbeziehung will. Oder aber zwei Teilnehmer stellen fest, dass sie das gleiche außergewöhnliche Hobby haben, was dann ein bisschen die Sympathie fördert. Ich habe aber insgesamt den Eindruck, dass beim Speed-Dating der Inhalt der Gespräche nicht der entscheide Faktor ist…

…sondern das äußere Erscheinungsbild?
Penke: Das gesamte Auftreten. Es geht einem beim Speed-Dating ja um die Frage: Wem gebe ich eine weitere Chance, wer ist es wert, dass ich Zeit aufwende, ihn näher kennen zu lernen? Dabei geht es natürlich auch um Attraktivität, aber nicht ausschließlich. Man merkt zum Beispiel sehr schnell, wer in so einer Situation schüchtern und gehemmt wirkt. Es gibt Leute, die kriegen in diesen Gesprächen kaum einen Ton raus, wo man sehr stark an ihrer Körpersprache merkt, dass sie sich unwohl fühlen und eine eher abwehrende Haltung einnehmen. Das wirkt natürlich auf den ersten Eindruck nicht sympathisch. Ich denke, dass Aspekte wie Körpersprache und auch die Aktivität, also wie viel überhaupt geredet wird, einen viel stärkeren Einfluss auf Entscheidung haben, als der Inhalt des Gesprächs.

Der Zeitraum der Entscheidungsfindung ist ja bekanntlich sehr kurz.
Penke: Verschiedene Studien zeigen, dass man sich einen ersten Eindruck von einer Person sehr schnell machen kann. Ob man jemanden attraktiv findet, das geht in 300 bis 500 Millisekunden. Und Persönlichkeitsstile wie Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit aber auch Intelligenz kann man schon nach ca. 30 Sekunden ziemlich gut einschätzen. Das heißt, um einen ersten Eindruck von einer Person zu kriegen brauche ich in Wirklichkeit nicht mal die drei Minuten eines Speed-Datings.
Was ich aber in diesen drei Minuten ein bisschen rauskriegen kann: Wie reagiert diese Person auf mich? Was passiert, wenn die ersten Floskeln vorbei sind? Ich kriege einen Eindruck davon, wie ich auf die andere Person wirke, wie gut ich bei der anderen Person ankomme.

Gibt es eigentlich Zahlen zu Erfolgsquoten der Speed-Datings?
Penke: Bisher erstaunlicher Weise nicht. Obwohl gerade in den USA und in Großbritannien in großem Ausmaß solche Veranstaltungen stattfinden, hat noch nie jemand über einen längeren Zeitraum verfolgt, was wirklich dabei rauskommt.
Da ist unsere Quickdating-Studie die erste, die das analysiert. Wir haben sämtliche Teilnehmer nach sechs Wochen gefragt, zu wie viel Kontakt es mit den Matches (erfolgreich angekreuzte Partner) kam und ob sich daraus eine Beziehung entwickelt hat. Nachdem wir nun die ersten Daten oberflächlich analysiert haben, sieht es so aus, als wenn es tatsächlich ab und an zu Beziehungen kommt, wo beide Teilnehmer nach sechs Wochen sagen: Das würden wir eine Beziehung nennen.

Und was heißt „ab und an“?
Penke: Auf eine Veranstaltung mit insgesamt 20 bis 25 Teilnehmern kam nach unserem bisherigen Erkenntnisstand in etwa eine Beziehung. Viel höher lag bei uns die Erfolgsquote nicht.
Es ist allerdings unklar, ob man das jetzt hoch oder niedrig nennen soll. Denn was ist der Vergleichs-Maßstab? Ist der Maßstab dafür, dass ich einen Abend ausgehe, in eine Bar oder Diskothek, um einen Partner kennen zu lernen? Man kann schwer beurteilen, ob das jetzt eine positive oder negative Nachricht für die Speed-Dating-Agenturen ist.

Es heißt ja, dass bei den Speed-Datings die Männer viel häufiger Kreuzchen machen als die Frauen.
Penke: Ja, das haben wir bei einer unserer Studien auch rausbekommen, dass Frauen in diesen Situationen sehr viel genauer hinschauen und wählerischer sind. Wobei es da gewisse Alterstrends gibt. Gerade im jüngeren Alter ist dieses Verhalten ausgeprägter, bei Frauen in den 30ern dagegen merkt man oft das Phänomen der „biologischen Uhr“, wo Frauen dann stärker nach einem Partner suchen und auch bereiter sind, Kompromisse einzugehen.
Ansonsten ist es aber tatsächlich so, dass Männer in dieser Situation weniger wählerisch sind als Frauen.

Womit hängt das zusammen?
Penke: Die Standarderklärung in der Biologie ist, dass Frauen bei der Partnerwahl das größere Risiko tragen. Wo es um Partnerwahl geht, geht es im Endeffekt ja immer auch potentiell um Fortpflanzung. Bei den allermeisten Spezies ist es halt so, dass die Frauen den größeren Beitrag zur Reproduktion leisten. Sie tragen vor allem immer die größeren Geschlechtszellen bei. Und weil es die Frauen sind, die schwanger werden, haben sie das größere Investment. Da sind die Frauen dann einfach vorsichtiger, den unter Umständen sind sie es, die am Ende schwanger alleine dastehen, während der Mann sich möglicherweise aus dem Staub macht.

Welche Rolle spielt bei der Paarungsentscheidung denn das Unterbewusstsein?
Penke: Man muss ganz klar unterscheiden zwischen dem was uns bewusst ist – also zum Beispiel unsere selbst gesetzten Ziele – und dem, wie unser Gehirn aufgebaut ist, welche Adaptationen in unserem Gehirn vorhanden sind, die unsere soziale Wahrnehmung und insbesondere unsere Partnerwahl mit steuern. Zum Beispiel unsere Präferenzen dafür, was wir als attraktiv oder weniger attraktiv erachten: da weiß man mittlerweile, dass es Universalien gibt, die ganz klar kulturunabhängig sind und die sich auf gewisse vorstrukturierte Wahrnehmungsprozesse in unserem Kopf zurückführen lassen. Da ist bereits einiges in unserem kognitiven Apparat angelegt, was bei der Partnerwahlentscheidung mit eine Rolle spielt.

Unsere Entscheidung für einen attraktiven Partner ist also auch eine unterbewusste Entscheidung?
Penke: Man muss sich ja einmal fragen: Was haben Leute überhaupt davon, einen attraktiven Partner zu haben? Ist das eine gelernte Mode oder hat das vielleicht auch eine bestimmte Funktion, dass wir uns einen attraktiven Partner aussuchen?
Man weiß, dass es bei der Attraktivität gewisse Modeerscheinungen gibt. Zum Beispiel ein bisschen dicker oder ein bisschen dünner, das ist etwas, was über Kulturen und über die Geschichte hinweg immer ein bisschen variiert hat. Aber es gibt auch gewisse Merkmale, die immer als attraktiv erachtet werden: ein gewisser Grad an Symmetrie, das Fehlen von extremen Abweichungen wie zum Beispiel einer Hakennase oder einer Warze im Gesicht, eine gesund strukturierte Haut, die keine Anzeichen von Hautproblemen aufweist. Auch typisch maskuline bzw. feminine Körpereigenschaften wie das Taille-Hüft-Verhältnis, breite Schultern oder auch gewisse Züge im Gesicht werden gemeinhin als attraktiv wahrgenommen. Das sind interkulturelle Universalien. Und interessanterweise sind das größtenteils auch Marker, die auf eine gute Gesundheit, auf eine gute Gesamtkonstitution und auf gewisse hormonelle Prozesse im Körper der jeweiligen Person hinweisen.
Es gibt nicht wenige Forscher, die heutzutage argumentieren, dass die große Rolle, die das Kriterium Attraktivität bei der Partnerwahl spielt, damit zu tun hat, dass man einen Partner auch nach dem Fortpflanzungspotential auswählt.

Wir wählen also unbewusst über die Attraktivität einen Partner aus, der fähig ist, gesunde Kinder in die Welt zu setzen?
Penke: Das ist in unserem Gehirn bis zu einem gewissen Grad so angelegt. Dass wir zum Beispiel Gesichtssymmetrie bevorzugen, dahinter stecken tiefverdrahtete Prozesse, die nichts mit irgendwelchen Erziehungs- oder Medieneinflüssen zu tun haben, die uns aber in so einer Situation einfach mit steuern und dafür sorgen, dass wir bestimmte Partner attraktiver finden als andere.

Zitiert

Ob man jemanden attraktiv findet, das geht in 300 bis 500 Millisekunden.

Lars Penke

Aber es ist auch erwiesen, dass Frauen bei der Partnerwahl weniger auf Attraktivität Wert legen als Männer.
Penke: Das ist richtig. Das hat auch wieder damit zu tun, dass Partnerwahl für Frauen ein größeres Risiko darstellt, weil sie im schlimmsten Fall mit einem kleinen Kind alleine dastehen. Deshalb achten Frauen viel mehr auf Anzeichen, die darauf hinweisen, dass der Partner sich fest binden möchte, dass sie sich des Partners sicher sein können.
Andererseits ist es einfach so, wenn es in den Bereich der Kindererziehung geht: da sind Frauen dann einfach abhängiger von finanziellen und anderen Ressourcen, die ein Mann ihnen bieten kann. Deshalb spielen Faktoren wie finanzieller Hintergrund und sozialer Status des Partners für eine Frau eine größere Rolle als umgekehrt für einen Mann. Das ist ja ein bekanntes Phänomen, das auch quer durch die Geschichte geht: Frauen heiraten eher hoch, also eher einen status-höheren Mann, als dass Männer eine statushöhere Frau heiraten. Das merkt man auch heute noch bei der Partnerwahl, dass Frauen eher bereit sind, Kompromisse bei der Attraktivität einzugehen, wenn es um Status geht, als es Männer sind.

Welche Rolle spielen heute die Medien bei der Partnerwahl? Inwiefern sind Männer und Frauen auch geleitet durch Dinge, die sie in den Massenmedien präsentiert bekommen?
Penke: Das ist ganz klar ein Faktor. Wir haben zwar gewisse Präferenzen, was für Eigenschaften wir als attraktiv sehen, aber wir orientieren uns auch in dem Kontext der Menschen, die in unserem Umfeld präsent sind. Und da ziehen wir halt auch Medienpersonen, die nicht wirklich zu unserem sozialen Umfeld gehören, als Vergleichspersonen heran. Es gibt Untersuchungen, die gezeigt haben: wenn man Männern oder Frauen besonders attraktive Personen aus den Medien präsentiert, dann erachten sie sogar den eigenen Partner als weniger attraktiv. Und das ist ein großes Problem unserer heutigen Zeit: wir setzen leicht sehr hohe Ideale an mögliche Partner an.

Im Hinblick auf Attraktivität.
Penke: Nicht nur im Hinblick auf Attraktivität, sondern auch auf die Partnerschaft selbst. Es wird so viel über Partnerschaften und über das Ideal der Liebe geschrieben, dass wir heutzutage das Gefühl haben, eine gute Partnerschaft muss nur voll von starken positiven Gefühlen sein, alles muss immer ideal laufen.
Das hat zur Folge, dass Leute viel weniger bereit sind, Kompromisse einzugehen. Das Problem ist dabei auch ein bisschen, dass wir das Gefühl haben, es gibt unheimlich viele Alternativen und der Partnermarkt ist unendlich groß.
Wenn wir uns zum Beispiel eine Dating-Börse im Internet anschauen und dort gewisse Suchkriterien eingeben, dann bekommen wir als Ergebnis gleich 50 bis 100 alternative Partner. Sie haben auf einmal das Gefühl, dass es gar keinen Grund gibt, sich fest für jemanden zu entscheiden, auch weil Sie glauben, Sie würden etwas verpassen wenn Sie sich die anderen Alternativen nicht angucken.

Und darauf lässt sich die hohe Quote an Singles zurückführen?
Penke: Früher waren Partnerschaften ja viel stärker Zweckgemeinschaften. Ökonomische Faktoren spielten eine große Rolle wie zum Beispiel der Besitz der Partner, der dann durch eine Heirat vereinigt wurde.
Heutzutage haben wir das Gefühl der unendlichen Freiheit. Wir wissen gar nicht, was wir in einem Partner suchen, außer dass er mit uns durchs Leben geht, uns irgendwie toll findet und uns eine gewisse Bindungssicherheit gibt. Es herrscht auch ein viel geringerer Druck darauf, eine Partnerschaft zu bilden. Man ist heute lange Zeit im Leben viel weniger stigmatisiert wenn man keinen Partner hat. Das war früher anders, da sah es schon irgendwie komisch aus, wenn man mit Mitte 20 nicht verheiratet war. Dieser Druck ist heute nicht mehr da. Und deswegen sind die Leute heute auch viel weniger bereit, in ihrer Partnerschaft Kompromisse einzugehen. Da reicht vielleicht schon ein Streit darüber, wer den Müll runterbringt, dass man das Gefühl hat, diese Partnerschaft ist es nicht mehr.

Womit sich dann auch die hohe Scheidungsrate begründen ließe.
Penke: Das spielt sicherlich auch eine Rolle. Früher hatte man einfach viel stärkere äußere Faktoren, die es einem aufgezwungen haben, eine schwierige Zeit auch mal durchzustehen und sich stärker auf den Partner einzulassen. Außerdem weiß man inzwischen auch, dass das Gefühl der Verliebtheit kein Gefühl ist, was auf lange Zeit angelegt ist. Das ist ein kurzzeitiger hocherregter Zustand, der in der Regel nach ein oder zwei Jahren abflaut. Auch diese Fixierung auf einen Partner ist spätestens nach vier Jahren weg. Wenn es dann nicht der gemeinsame Lebenswandel ist, die gemeinsamen Umstände, vielleicht der gemeinsame Besitz oder gemeinsame Kinder, die einen zusammenhalten, dann ist es an der Stelle sehr leicht zu sagen: Ich orientiere mich neu. Zumindest so lange ich das Gefühl habe, dass ich noch Alternativen habe und noch attraktiv genug bin, um einen alternativen Partner zu finden.
Ein anderer Punkt ist, dass Religion oder andere kulturelle Werte heutzutage nicht mehr so eine große Rolle spielen wie früher – Scheidungen sind heute einfach akzeptiert.

Nun startete vor kurzem mit „Shoppen“ eine Liebeskomödie in den deutschen Kinos, bei der alle Protagonisten an einem Speed-Dating teilnehmen. In Bezug auf den Filmtitel: Lassen sich in der heutigen Konsumgesellschaft Parallelen ziehen, zwischen Shopping und der Wahl eines Partners?
Penke: Ich finde das beste Beispiel dafür sind die Online-Dating-Börsen: Ob ich jetzt im Internet einen Camcorder suche, eine Digitalkamera oder einen Partner – ich gehe auf gleiche Weise vor. Ich gehe auf eine Website, gebe meine Suchkriterien ein, scrolle durch die Angebote durch und wähle das aus, was mir gefällt. Das heißt, der ganze Prozess ist schon sehr auf diese Art und Weise zugeschnitten worden.
Man kann tatsächlich auch zum Beispiel das Paarungsverhalten von Schimpansen oder Insekten mit ökonomischen Prinzipien beschreiben, da spielen auch Marktgesetze eine Rolle – insofern ist der Vergleich nicht total aus der Luft gegriffen.
Allerdings behandeln wir die Partnerwahl heutzutage auch viel stärker so. Und dabei geht ein wichtiger Unterschied immer mehr verloren, in den Köpfen der Menschen: dass nämlich Partnerwahl eine gegenseitige Entscheidung ist. Eine Digitalkamera lehnt mich nicht ab, wenn ich sie kaufen will. Ein potentieller Partner kann mich aber natürlich ablehnen. Und wenn die Leute jetzt ihre – zum Teil durch die Medien beeinflussten – Ideale von Partnern und Partnerschaften in den Köpfen haben, sich dann durch ihre Online-Dating-Börsen klicken und sich einen Partner aussuchen, dann ist ihnen immer weniger bewusst, dass das Ganze ein Prozess ist, wo zwei Menschen zueinander finden müssen. Wo zwei Menschen sich gegenseitig richtig kennen lernen, aufeinander einstellen und gegenseitig akzeptieren müssen.

Glauben Sie, das hat auch damit zu tun, dass die Industrie in der Gesellschaft ein Konsumverhalten herangezüchtet hat, das auf Kurzfristigkeit basiert, dass man sich nach zwei Jahren ein neues Handy oder ein neues Auto kaufen soll?
Penke: Ein interessantes Phänomen ist ja, dass früher die Autos so gebaut wurden, dass sie wirklich ein Leben lang halten. Ich denke da gerade an meinen Schwiegervater, der immer noch einen 30 Jahre alten Mercedes fährt. Heutzutage ist in den Autos so viel Technik drin, die irgendwann kaputt geht – und dann soll man sich ein neues kaufen. So gesehen ist das schon ein bisschen ein Phänomen der heutigen Zeit.
Es gibt heute nur noch wenige Dinge, die uns zwingend an einen Partner binden. Weder in finanzieller Hinsicht, noch von der Kindererziehung her, es gibt auch weniger gesellschaftliche, religiöse oder kulturelle Werte, die uns an einen Partner binden. Da fällt natürlich die Entscheidung für etwas neues immer mal leichter.

Wenn man heute bei der Partnerwahl und in der Partnerschaft immer weniger Restriktionen unterworfen ist – welche Gefahren sehen Sie dann in dieser Entwicklung?
Penke: Als Wissenschaftler halte ich mich immer sehr zurück, das Ganze wertend zu sehen. Das ist einfach ein Trend, der sich über die Zeit rausgebildet hat und etwas mit der Entwicklungsgeschichte der westlichen Kulturen zu tun hat. Die Welt ist einfach globaler geworden, wir sind nicht mehr in unserem kleinen Dorf, wo wir genau wissen, wer noch unverheiratet ist und überhaupt als Partner in Frage kommt. Wir können heute tatsächlich via Internet weltweit nach Partnern suchen, wenn wir wollen. Das sind Herausforderungen, an die sich die Menschen anpassen, wo man halt auch neue Sachen erfinden muss wie Online-Partnerbörsen oder das Speed-Dating – Dinge, die es Menschen erlauben, mit dieser Entwicklung umzugehen. Man muss nur aufpassen, dass man den Menschen auch noch ‚mitnimmt’, mit seinem auf andere Umstände eingestellten kognitiven Apparat.
Und es ist wichtig, dass man die Menschen darüber informiert, dass manche Ideale, wie sie heutzutage vertreten werden, einfach übertrieben sind. Dass Verliebtheit eben nichts ist, was über 30 Jahre genauso stark sein kann wie in den ersten paar Wochen. Und dass die Zeitschriften-Cover und Models, mit denen wir täglich konfrontiert werden, mit Photoshop bearbeitet werden und nicht die Realität widerspiegeln.
Den Rest muss man einfach als den aktuellen Stand akzeptieren.

Aber wenn die Bindungen immer loser werden, Partnerschaften schneller beendet werden – dann gibt es ja auch Leidtragende, nämlich die Kinder.
Penke: Wenn sich Menschen in solchen Beziehungen überhaupt für Kinder entscheiden – dann ja. Aber es ist auch interessant, das im Kulturvergleich zu betrachten: Wenn man sich Länder anschaut, wo die Quote von unterernährten, analphabetischen Kindern sehr hoch ist, wo die soziale Versorgung schlecht ist, dann stellt man fest, dass in diesen Ländern Partnerschaften viel fester und stabiler funktionieren und schnell wechselnde Partnerschaften oder kurzzeitige sexuelle Beziehungen einfach nicht so häufig vorkommen wie bei uns. Weil dort einfach beide Elternteile für das Großziehen von Kindern notwendig sind. Es geht einfach nicht anders.
Jetzt leben wir in den westlichen Ländern in dem glücklichen Zustand, dass wir uns um diese Dinge nicht viele Sorgen machen müssen. Und gerade in Deutschland ist – trotz allen politischen Debatten – die Unterstützung für alleinerziehende Eltern und generell die soziale Versorgung immer noch verhältnismäßig gut. Das heißt, diesen Druckfaktor, der in anderen Ländern teilweise die Beziehung zusammenschweißt, den haben wir einfach nicht so sehr. Und das möchte natürlich auch niemand rückgängig machen.

Trotzdem ist doch die Vernachlässigung von Kindern, die Verwahrlosung, falsche Erziehung etc. keineswegs unproblematisch.
Penke: Sicher ist das ein Phänomen, das mit dieser Entwicklung zusammenhängt. Zum Beispiel diese Mutter in Berlin, die kürzlich in den Medien war, weil sie ihre Kinder scheinbar ein Jahr lang hat alleine leben lassen. Da war die Beziehung zum Vater auseinandergebrochen, sie ist aus finanzieller Not zu einem neuen Partner gegangen und hat die vier Kinder alleine zurückgelassen.
Man muss aber sagen, dass es solche Phänomene in irgendeiner Weise immer mal gegeben hat. Es gibt in jeder Gesellschaft gewisse soziale Unterschiede, die man leider nie ganz wegbügeln können wird. Und immer da, wo es weniger gut gestellte Menschen gibt, gibt es auch solche Sachen wie Kindervernachlässigung. Insofern lässt sich das nicht allein auf die heutigen Partnerwahl- und Partnerschaftsmuster zurückführen. Was sich aber darauf zurückführen lässt, ist die steigende Zahl von alleinerziehenden Eltern, Scheidungskindern und Patchwork-Familien. Das sind gesellschaftliche Phänomene, wo die Politik und generell die Gesellschaft sich überlegen muss, wie sie damit umgehen.

Was ist denn Ihre Prognose für die Zukunft, wo wird die Entwicklung hinführen?
Penke: Ein Effekt dieser Entwicklung ist ja der demographische Wandel, dass wir immer weniger Kinder haben, dass wir diese enorme Alterspyramide aufbauen. Da muss man sich fragen: Welche Paare haben überhaupt noch Kinder? Und was passiert mit dieser Generation? Wird Deutschland unter der steigenden Zahl von alten Menschen und fehlendem Nachwuchs irgendwann zusammenbrechen oder nicht? Da geht es natürlich um weitreichende Vorhersagen. Es ist schwierig, das wirklich alles abzusehen.
Wenn der ökonomische Druck auf die Generation unserer Kinder wieder steigen sollte, dann denke ich, wird man sich wieder mehr zusammenraufen müssen und nicht mehr die partnerschaftlichen Freiheiten haben, die wir heutzutage haben. Oder aber es ist einfach ein Phänomen der modernen Welt, dass wir alle recht gut versorgt sind – dann wird die Partnerwahl weiterhin eine Freizeitbeschäftigung bleiben, also keine Notwendigkeit im Leben, sondern ein Luxus, den wir uns so gönnen wie eine neue Digitalkamera oder ein tolles Auto.

Zum Schluss die Frage: Was machen Sie eigentlich mit Ihren Forschungsergebnissen? Welchen Nutzen habe ich als ‚Normalbürger’ davon?
Penke: Unser Ziel ist es, besser zu verstehen, wie Partnerwahl funktioniert. Und über Wege wie dieses Interview gelangen gewisse Erkenntnisse dieser Forschung an die breite Öffentlichkeit. Der eine oder andere wird dann vielleicht anders darüber nachdenken, wie er sich selbst in manchen Situationen verhält. Zum Beispiel bei der Frage: Was für Hoffnungen habe ich, wie lange ein Verliebtheitsgefühl halten wird? Das sind schon ganz pragmatische Sachen, die mir vielleicht auch helfen, meine Beziehung besser zu gestalten.
Im Endeffekt werden solche Erkenntnisse auch in der Paartherapie verwendet. Und Unternehmer wie die Veranstalter von Speed-Datings sind sehr an den Ergebnissen unserer Forschung interessiert, um ihre Angebote noch besser zu machen.
Mein persönliches Ziel ist aber vor allem, das Grundverständnis von menschlichem Verhalten zu erweitern, um zu kapieren, wie der Mensch funktioniert. Was dann eher ein intellektuelles Ziel ist.

Könnten Sie sich auch vorstellen, ein Buch zu schreiben a la „Der ideale Weg, einen Partner zu finden…“?
Penke: Ich könnte mir schon vorstellen, mal ein populärwissenschaftliches Buch zu schreiben. Nun ist es aber natürlich so, dass über das Thema Partnerschaft und Partnerwahl schon unheimlich viel gesagt wurde und ich wäre sicherlich nicht der Erste, der ein Buch darüber schreibt. Das Problem ist ja, dass es keine Ideallösung gibt. Es ist halt wie auf einem echten Markt, ein Gefeilsche von Angebot und Nachfrage und jeder will für sich das Beste rausziehen. Das heißt: Es gibt keinen universellen Weg, der für alle gleich gut anwendbar ist. Genauso wenig gibt es eine universelle Lösung, wie Sie Ihr Geld am Aktienmarkt anlegen sollen. Natürlich kann man hier und da mal Tipps geben, man kann den Menschen bewusster machen, wie das ganze abläuft – wie es vielleicht auch ein Börsenratgeber macht. Aber den einen Idealweg, den wir auswendig lernen müssen und mit dem wir dann den Partner kriegen, den wir uns immer erträumt haben – den wird es wahrscheinlich nie geben. So ist die Wirklichkeit leider nicht aufgebaut.

Kein allzu positives Schlusswort – aber wohl ein realistisches.
Penke: Man muss sich halt ein bisschen von den utopischen Idealen lösen. Klar, im Endeffekt passt schon auf jeden Topf ein Deckel. Nur hat dann eben nicht jeder Brad Pitt oder Angelina Jolie als Partner bzw. Partnerin.

Wobei es selbst in dem Fall dahingestellt sei, ob das dann der Idealpartner wäre.
Penke: Ja, das ist natürlich auch Geschmacksache, das stimmt.

2 Kommentare zu “Man muss sich von den utopischen Idealen lösen.”

  1. Patricia |

    Wer will Frauen ab 50?

    Weise und wahre Erkenntnisse von Lars. Die Studie trifft jedoch auf Menschen zwischen 25-40 zu. Stellt sich für Frauen ab 50, deren „Evolutionsauftrag“ erfüllt ist, natürlich die Frage, nach welchen Kriterien sollen wir schauen? Kinder sind vorhanden, finanzielle Absicherung durch Berufstätigkeit (meistens) auch, reichlich Menschenkenntnis und Lebenserfahrung. Wäre sicher ein interessantes Forschungsfeld für einen Psychologen, da der Anteil von älteren Singles stetig wächst.
    Kommentar von Patricia im Singleratgeber Forum http://singleratgeber.siteboard.de

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    1. Eugene Crepes |

      Gar keinen. Wenn man bereits Kinder hat, wo ist dann der Mann? Da ist dann etwas schiefgelaufen. Meine Großeltern waren bis zum Schluß verheiratet, und die Zahl der unehelichen Kinder lag seit vierhundert Jahren in England konstant bei unter fünf Prozent. Erst ab 1960 stieg diese an, in den 90ern bereits über 20-30 Prozent, bald kommen mehr als die Hälfte unehelich zur Welt.

      Wie Dr. Alexander Reinhardt vom LWL Dortmund schon sagte: Vaterlosigkeit geht an keinem Kind spurlos vorüber. Es gibt auch gar keinen Grund, dies zu dudlen, es gab Zuchthaus bis 1973 in der BRD.

      Es sind auch alles andere als Laborbedingungen, da wir heute in einer extrem dekadenten und individualisierten Gesellschaft leben, die es so nie gab und geben könnte, würde moderne Technik diese nicht ermöglichen.

      Früher gab es weder Anti-Baby-Pille noch andere Kontrazeptiva; die sog. „sexuelle Revolution“, eher ein Aufstand der Schamlosen, um Georg Huntemann zu zitieren, hat uns kaputt gemacht. Außerdem hatten die Eltern, selbst die Dorfgemeinschaft ebenfalls Einfluß darauf, wer wen heiratet. Während der Trauuung konnte und Einspruch gegen die Verbindung eines Brautpaares erheben. Das war Teil der Liturgie. Da dies keine Privatsache ist.

      Wer hat auch das recht, mich kaputt aufwachsen zu laßen? Daß es von Vorteil sei, daß psychopathisch veranlagte Leute, und das sind nun einmal Männer wie mein Vater, die promiskuitiv leben, ihren Trieb ausleben können, hatte für mich als Kind keinen Vorteil, ja nur Nachteile.

      Die „evolutionäre Psychologie“ ist ohnehin Quacksalberei. Wie Vox Day schon sagte, ist die Evolutionsbiologie nur wenig härter als die weicheste aller Wissenschaften, die Psychologie. Christopher Hallpike hat in seinem Buch „Do We Need God to be Good?“ diese „Wissenschaft“ brillant widerlegt, indem er eben darauf aufmerksam machte, daß man ja in der evolutionären Psychologie (evopsych) vom Unbekannten zum Bekannten kommen möchte. Das ist genau falsch herum, daher hier auch nichts als Mutmaßungen, also Märchenstunde aufgetischt wird. Das gilt auch für die meisten Texte, die versuchen, die Evolution als Fakt hinzustellen: die Empirie gibt es gar nicht her.

      Es ist daher klar, daß über Jahrtausende zurecht ein „Sex-Tabu“ galt, das in wenigen Jahrzehnten über den Haufen geworfen wurde, wie Herbert Gruhl schrieb, Günter Anders‘ „Antiquertheit des Menschen“ zitierend.

      Daher brauchen wir einfach eine Rückkehr zum Anstand, den ja Gott vom Menschen möchte und auch erwartet; da wir moralisch handeln können und einen freien Willen haben. Es ist ohnehin peinlich, ja kindisches Verhalten, Personen wie Wegwerfprodukte zu behandeln und einfach die Flinte ins Korn zu werfen.

      Der Mensch ist viel zu eifersüchtig, um z. B. polygam oder „polyamorisch“ zu leben. Um Liebe geht es hier eh nicht, ist nur Brunst. Zudem ist die Monogamie einer der Gründe für Europas Aufstieg gewesen; polygame Gesellschaften sind weniger erfolgreich, da der Mann hier im Mittel wenig zu verlieren hat. Schon Tacitus spottete, mit Sicht auf die bereits monogam lebenden Germanen, daß nichts seltener sei als ein keusches römisches Weib.

      J. D. Unwin hat mit „Sex and Culture“ ohnehin alles gesagt: sexuelle Promiskuität und zivilisatorisch hoher Standard schließen sich aus.

      Meinen Vater verachte ich natürlich und wünsche mir den Tod, den ich mir auch selbst gäbe, fürchtete ich nicht die ewige Verdammnis.

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