Kilians

Kein Image ist auch ein Image.

Sänger Simon den Hartog und Gitarrist Arne Schult von den Kilians über den Indie-Begriff, die Vermarktung junger Bands, Alkohol und warum sie ihre Songs lieber auf Englisch singen

Kilians

© Bella Lieberberg

Simon und Arne, kurz vor eurem Auftritt in Hannover sitzen wir hier in einer Pizzabude, weil es keinen Backstageraum gibt. Ärgert euch das?
Arne Schult: Nein, das ist doch völlig in Ordnung! Wir sitzen hier in diesem kleinen Pizzaladen, haben nebenan eine Bühne zum Spielen und damit können wir auch gut leben.

Inwiefern entsteht dadurch auch ein engerer Kontakt zum Publikum, weil man statt Backstage zu sitzen eben auch vor dem Club steht und zusammen Bier trinkt?
Simon Den Hartog: Ja, man ist mit den Leuten zusammen und stimmt sich zusammen auf den Abend ein. Man steht am Tresen, trinkt Bier, raucht, man ist halt einer von denen. Natürlich ist es schön wenn man sich zurückziehen kann, aber das muss nicht zwangsläufig sein. So’n bisschen Körperkontakt und Anrempeln vor dem Konzert macht ja auch Spaß. (lacht)

Wie ist denn das Verhältnis zu den Leuten, die zu euren Konzerten kommen?
Schult: Sehr oft ist es ja so, dass wir in Städten spielen, in denen wir vorher noch nie waren. Hier in Hannover geben wir heute unser Debüt und da lernen wir schon viele neue Leute kennen. Das ist sehr spannend.
Den Hartog: Natürlich kennt man in manchen Städten einige Fans, aber es kommen auch immer sehr viele neue, und es ist ja erstmal überhaupt sehr cool, dass so viele Leute zu unseren Konzerten kommen.

Hannover hat eine sehr große und bekannte Indie-Szene, die sich über viele alternative Clubs erstreckt. War euch das vorher bekannt?
Schult: Nein, das habe ich nicht gewusst! Ich informiere mich eigentlich nie über die Städte, in denen wir auftreten, aber wenn das so ist, freut mich das natürlich. Ich denke dass kann heute auf jeden Fall ein schöner Abend werden.
Den Hartog: Ich wusste nur, dass es in Hannover das größte Schützenfest Europas gibt und dass hier sehr viel Bier und Korn getrunken wird. Ich denke, dass es fast in jeder Stadt eine lebendige Musikszene gibt. Der Kulturpalast hier in Hannover ist zwar sehr klein, aber auf jeden Fall sehr nett.

Gehört es denn zur Indie-Musik zu, dass man in verrauchten und stickigen kleinen Clubs auftritt?
Den Hartog: Ich glaube es gibt keine Location, die zu schlecht für ein Konzert wäre. Wir schwanken ja auch ständig zwischen Locations, die extra für Konzerte geschaffen wurden und solchen, wo es nicht mal eine Bühne gibt. Das wichtige ist ja eigentlich nur, dass das, was wir den Leuten mitteilen wollen, auch ankommt.

Könnt ihr euch an das schlimmste Erlebnis bei einem Auftritt erinnern?
Den Hartog: Ich glaube schlimm wird es immer, wenn ein gewisser Jemand zuviel getrunken hat…(lacht)
Schult: Ja, wenn die Kontrolle über den Körper nicht da ist, man neben die Bühne tritt…Aber so’n richtig schlimmes Erlebnis hatten wir aber eigentlich nie. Bisher sind wir immer noch irgendwie durchgekommen. (lacht)
Den Hartog: Schlimme Erlebnisse sind halt immer, wenn ich als Sänger merke, dass die Anekdoten, die ich zwischen den Songs so erzähle, eigentlich keine Sau interessieren. Fünf Leute schreien dann schon: „Halt die Fresse und mach Musik!“, dann werden es irgendwann zehn und irgendwann sind alle extrem desinteressiert. So haben wir bestimmt auch schon einiges kaputt geredet. (lacht) Wir wurden aber immer am Leben gelassen, und letztendlich wollen wir ja auch schöne Musik machen und mit einem guten Gefühl ins Bettchen gehen. Ja, wir gehen nach dem Konzert immer direkt ins Bett. (lacht)

Es erzählen ja viele Bands, dass sie in den Anfangsjahren mit Gegenständen beworfen wurden, dass die Zuschauer irgendwann rausgelaufen sind…
Den Hartog: Wir wurden bisher noch nie wirklich ausgepfiffen oder von der Bühne verscheucht. Aber natürlich würde ich mir Gedanken machen wenn so was passiert. Das tut ja dann auch weh, weil man seine Musik ernst meint und das Ganze auch aus einer gewissen Überzeugung macht. Wir sind immer offen für Kritik, aber bisher haben wir eigentlich immer sehr schöne Konzerte erlebt.

Eure Band „Kilians“ habt ihr 2005 in Dinslaken, Nordrheinwestfalen, gegründet. Nach zwei Jahren steht nun euer Debüt-Album „Kill the Kilians“ in den Läden, herausgegeben vom Majorlabel Universal. Wie kann man sich die Stimmung in eurem Heimatort nach dieser Blitzkarriere vorstellen?
Schult: Da überwiegt eher die bodenständige Haltung. Hier und da kriegt man mal ein Lob, die Leute freuen sich, aber im Grunde ist man der, der man auch schon vor vier oder fünf Jahren war, und der auch mal mit Kumpels einen saufen geht. Das ist auch gut so, und da freuen wir uns auch immer, wenn wir zu Hause sind und in diesem behüteten Bereich so sein können wie wir sind.
Den Hartog: Wir werden auf jeden Fall in Ruhe gelassen! Man kennt ja eh fast jeden in so einem Dorf. Natürlich wird auch mal getuschelt und geguckt, aber letztendlich macht jeder seinen Kram, das ist sehr angenehm. Wir haben ins Dinslaken unsere Freunde und unsere Familie und es hat sich eigentlich nichts verändert.

Wie kommt man eigentlich dazu, Indie-Rock zu spielen? Woher kommt die Inspiration?
Den Hartog: Am Anfang wussten wir ja nicht mal was Indie-Rock ist. Und wir wissen das auch bis heute nicht. Indie ist einfach ein leerer Begriff.

Zitiert

Man steht am Tresen, trinkt Bier, raucht, man ist halt einer von denen.

Kilians

Trotzdem wird eure Musik als Indie-Rock bezeichnet.
Den Hartog: Wir saßen im Probenraum, haben versucht, unsere Songs zu konstruieren, und da ist halt dieses Album bei herausgekommen. Da stand überhaupt kein Konzept dahinter. Das war ’ne reine Gefühlssache. Musik ist ja nun mal was Emotionales, das passiert einfach so. Wir wären die Letzten, die sich hinstellen und sagen: „Wir suchen uns jetzt ein paar Jungs, die relativ gut aussehen und gründen eine Band!“ So funktioniert das einfach nicht!

Was haltet ihr denn von Bands wie Nevada Tan, den Killerpilzen oder Tokio Hotel, die ja alle etwa in eurem Alter sind, aber eine ganz andere Vermarktung erleben, in vielen Teenie-Zeitschriften präsent sind usw.
Den Hartog: Wenn man so will sind das ja die Prostituierten! Die müssen sich nun mal prostituieren, weil es halt gewisse Schemata gibt, in die man diese Jungs stecken muss, damit junge Menschen darauf abfahren können. Aber andererseits muss man auch realistisch sagen, dass diese Bands die Plattenfirmen über Wasser halten, weil die wirklich die Einzigen sind, die noch richtig viele Platten verkaufen. Musikalisch braucht man da gar nicht drüber reden. Das ist’n Witz, und eigentlich auch ’ne Frechheit…
Schult: Ich glaube, das ist zum Großteil einfach deren eigene Sache. Die müssen selbst damit fertig werden und müssen für sich selber realisieren können, was die da gerade machen und wie sie damit klar kommen. Das kann ihnen ja auch niemand verbieten. Man muss die Musik ja nicht hören.
Den Hartog: Das ist aber ja nicht nur die Band, da steckt ja meistens ein ganzes Team hinter, dass dieses ätzende Konzept zusammenstellt. Die müssen ja auch oft von Bodyguards bewacht werden und ich glaube, da ist es auch schwierig für solche Jungs, noch real zu bleiben; einfach zu wissen wer man ist. Ich weiß nicht, aber einmal „Killerpilz“ gewesen, und danach wenig Freude im Leben gehabt, würde ich mal sagen…

Letzten Endes seid ihr aber genauso beim Majorlabel Universal unter Vertrag. Wie passt das mit dem Indie-Begriff zusammen?
Den Hartog: Es gab ja durchaus auch einige Angebote von anderen Firmen, und das Indie-Label „Grand Hotel van Cleef“, wo unser Freund und Helfer Thees Uhlmann sitzt, wollte eigentlich unsere Platte rausbringen. Aber die hatten einfach nicht die Kapazitäten. Letztendlich ist es dann so’n Kombi-Deal zwischen Indie- und Major-Label geworden. Das ist aber überhaupt keine Diskussion wert: Eine Band muss nicht bei einem Indie-Label sein, um Indie-Musik machen zu können. Indie ist ein leerer Begriff, und auch ein Indie-Label kann sich ja nicht davon freisprechen, dass sie Platten verkaufen wollen und müssen. Letztendlich ist es leider Gottes ein Geschäft. Jedes Indie-Label, dass sich hinstellt und sagt: Hach, wir sind so „indie“ und nehmen nur die coolsten Indie-Bands, die schon wieder zu geil sind, um Platten zu verkaufen, wird auf Dauer keinen Erfolg haben. Das ist doch auch einfach scheißegal! Ich finde, Hauptsache man kann seine Musik präsentieren. Auch als Indie-Label kann man nicht allein vom Indie-Label-Sein leben. Letztendlich muss man sich dem ganzen Kapitalismus-Ding irgendwie auch fügen.

Indie-Bands wie Kettcar, Tomte und Die Sterne singen auf Deutsch. Ihr aber singt auf Englisch, und werdet häufig mit Bands wie Mando Diao oder The Strokes verglichen. Warum ist das so? Steckt da ein Kalkül dahinter um möglicherweise auch im Ausland Erfolg zu haben?
Den Hartog: Nein, da steckt auf jeden Fall kein Kalkül hinter. Englisch ist die Sprache, die am meisten verstanden wird und in der ich mich als Songwriter auch am besten ausdrücken kann. Auf Deutsch klingt vieles ziemlich schnell sehr kitschig. Sicherlich gibt es viele sehr gute deutschsprachige Songs, aber wir wollten nie auf diese Neue-Neue-Deutsche-Welle aufspringen. Das war nie unser Ding!

Ihr sagt von euch selber, dass ihr kein wirkliches Image habt. Inwiefern ist das typisch für Indie-Bands, kein Image zu haben – und genau das wiederum zu ihrem Image zu machen? Indem man zum Beispiel Chucks als Symbol für eine alternative Lebensform an seinen Füßen trägt…
Den Hartog: Man kann Leute anhand der Kleidung zuordnen. Das ist nun mal so. Man stellt ja immer unweigerlich irgendwas da, sobald man auf die Straße geht. Viele Leute haben dann den Drang, sich abzuheben und extrem hip zu präsentieren. Ich glaube, wir sind als Menschen eigentlich nicht wirklich interessant für andere Menschen. Es soll um unsere Musik gehen und nicht um unsere Person oder irgendein blödes Image. Aber natürlich hast du Recht: Kein Image ist auch ein Image.

Ihr gebt also auch nicht wirklich gerne Interviews?
Schult: Es kommt immer auf die Anzahl an. Jetzt grade ist es sehr cool; wir haben lange keins gehabt. (lacht)
Den Hartog: Teilweise ist es vielleicht auch verschwendete Sendezeit, weil die Medien über viel wichtigere Sachen berichten könnten. Aber natürlich freuen wir uns auch darüber, wenn wir so ein Interview geben können und uns als Band vorstellen dürfen. Letztendlich glaube ich aber, dass wir einfach nicht wirklich wichtig sind. Wir haben auch keine politische Message und wollen auch nicht die Welt mit unserer Musik verändern. Das kann ja auch schnell ausufern, wenn man sich zum Beispiel Bono oder Herbert Grönemeyer anguckt. Da wirkt das Ganze irgendwann so, als wenn man sich damit profilieren müsste. Wenn wir mal die Chance bekommen bei einer interessanten Aktion mitzumachen, dann sind wir auch dabei. Aber an erster Stelle steht bei uns die Musik.
Schult: Jeder Mensch sollte eine Meinung zu gewissen Themen haben, aber man muss diese Meinung nicht immer nach außen tragen. Wir sind auch keine Personen des öffentlichen Lebens und sehen uns da auch gar nicht in der Position, groß den Mund aufzumachen.

Noch einige Fragen zum Touralltag: Um wie viel Uhr stehen die Kilians auf?
Den Hartog: Heute sind wir um Punkt 11 Uhr aufgestanden. Das ist früh, wenn man erst um 06 Uhr ins Bett gekommen ist. (lacht) Das ist aber auch das Geile an unserer Gruppe. Wenn man morgens immer noch ein bisschen besoffen ist, trifft man die anderen und zusammen wird man dann schon irgendwie wach. Wir pushen uns dann auch immer gegenseitig! (lacht)

Ihr wart letztes Jahr mit der erfolgreichen Indie-Band Tomte und eurem Mentor Thees Uhlmann auf Tour. Was habt ihr auf dieser Tour über das Musikgeschäft gelernt?
Schult: Wir haben vorher nie wirklich einen Tonmischer gehabt und auch keine wirklich großen Konzerte gespielt. Wir wurden während dieser einwöchigen Tour an die Hand genommen und unterbewusst wurden wir auch an das professionelle Musikgeschäft herangeführt. Wie man mit Leuten sprechen muss und so weiter.
Den Hartog: Vor allem haben wir gelernt, dass es sich nicht lohnt, sich als Band daneben zu benehmen. Das kommt immer mal wieder vor, dass mal jemand einen schlechten Tag hat, aber wir haben auf jeden Fall gelernt, dass man sich als Band nicht irgendwelche Sonderrechte herausnehmen kann. Wir müssen eine gute Show spielen und die Leute unterhalten. Das ist ja auch eine Form der Dienstleistung!

In einem Pressetext über euch ist zu lesen: „Die Kilians mögen vielleicht ein kleines Alkoholproblem haben…“ Gehört Alkohol zu einem guten Auftritt dazu?
Schult: Ich glaube, das kennt jeder: Wenn man sich stocknüchtern in einen Kreis von Betrunkenen setzt, dann hat man teilweise nur ein Kopfschütteln für das Verhalten übrig. Es ist nicht zwangsläufig nötig und gehört auch nicht immer dazu, aber wenn wir zum Beispiel am Wochenende spielen, dann gehört es schon dazu. Ich meine, wir sind junge Leute und junge Leute gehen am Wochenende weg und trinken. Das ist nun mal Volkssport Nummer Eins in diesem Land. Wir trinken auf jeden Fall gerne mal das ein oder andere Bierchen, aber das ist immer noch auf einer sehr humanen Ebene.
Den Hartog: Da kann sich jeder von uns ja auch zurücknehmen, wenn er mal nichts trinken will. Ich habe zum Beispiel heute nach einer Woche mal wieder ein Bier getrunken. Also, da muss man sich keine Sorgen um uns machen. Aber natürlich muss man darauf achten, wenn man längere Zeit auf Tour ist.

Auf einer großen Tour verbringt man auch täglich sehr viel Zeit miteinander . Wie kommt ihr als Band damit klar
Schult: Auch wenn wir nicht auf Tour sind hängen wir eigentlich täglich aufeinander rum. Das ist so eine Hassliebe: Keiner kann lange mit dem anderen, aber auch nicht lange ohne den anderen. Wenn einer von uns mal in Dinslaken isoliert zu Hause sitzt, ruft er spätestens am Abend bei den anderen an und fragt, was noch so geht. Natürlich zicken wir uns auch mal an, aber irgendwann lernt man auch Diplomatie und spricht nicht alles aus was einen gerade an dem anderen stört. Schließlich sind wir ja auch Freunde! (lacht)

Die fünf Jungs der Indie-Band "Kilians" aus Dinslaken haben sich in der Indie-Szene innerhalb kürzester Zeit einen Namen gemacht. 2005 nahmen sie ihre erste CD "The Kilians" auf und verkauften sie im Selbstvertrieb. 2006 wurde "Tomte"-Frontmann mehr

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