Kevin James

Die Magie passiert in deinem Kopf.

Kevin James ist Magier und einer der wenigen Erfinder in der Branche. Derzeit kann man ihn in Deutschland mit den "Illusionists" erleben. Ein Gespräch über die Entstehung von Zaubertricks, den Schüler David Copperfield, einen Auftritt im Weißen Haus und warum Wissenschaftler leicht zu täuschen sind.

Kevin James

© Richard Faverty

Mr. James, ich war kürzlich auf Ihrer Website und stellte fest: Sie sind in der komfortablen Situation, dass sie Stühle für 2000 Dollar das Stück und eine Flasche Mineralwasser für 50 Dollar verkaufen können.
Kevin James: Ja, das stimmt. Ich habe vor einiger Zeit angefangen, Zaubertricks und Requisiten an Magier zu verkaufen. Wenn ich ein Kunststück schon viele Jahre in meinem Programm habe, es mich bereits ein wenig ermüdet, dann überlasse ich es anderen Zauberern, damit ihm sozusagen neues Leben eingehaucht wird. Das ist ein Hobby von mir, das ein bisschen außer Kontrolle geraten ist.

Ist das ein lukratives Geschäft?
James: Oh, es gibt sehr viele Leute, die sich durch das Verkaufen von Tricks ein anständiges Leben leisten können. Meine Lieblingsbeschäftigung ist es nicht, ich finde darin wenig Erfüllung. Ich mag vor allem das Kreieren und das Aufführen. Aus dem Bereich des Verkaufens ziehe ich mich momentan auch etwas zurück…

Sie haben in einem Interview die Konkurrenz aus China erwähnt.
James: Das ist tatsächlich ein großes Problem in der Magierwelt im Moment. Es ist sehr schwer, Tricks zu patentieren. Und in China gibt es mehrere Firmen, die sehr schlechte Plagiate herstellen und sie im Internet verkaufen. Das nimmt mir meine Kunden weg. Die Requisiten sind minderwertig und es ist keine autorisierte Version – gleichzeitig benutzen sie ganz unverhohlen meinen Namen und mein Video, um es zu verkaufen.

Während viele Zauberer nur Tricks anderer aufführen, sind Sie also auch ein Trick-Erfinder.
James: Ja, ich mache beides, erfinden und aufführen. Wobei die meisten Erfinder heutzutage nicht auftreten. Sie sind nur Erfinder, arbeiten als Assistenten…

…zum Beispiel bei Magiern wie David Copperfield.
James: Ganz genau. Copperfield selbst ist auch kein Erfinder, er engagiert diese Assistenten und kauft Ideen von ihnen, wie viele andere Magier auch. Ich versuche meine eigenen Ideen zu kreieren und sie auf der Bühne zum Leben zu erwecken.

Wie fing das an?
James: Oh, das ist schon eine Ewigkeit her, so kommt es mir zumindest vor. Ich habe bereits sehr früh versucht, anders zu sein.
Am Anfang musst du dir natürlich ein Grundwissen verschaffen, du kannst nicht einfach so Dinge kreieren, sondern musst erstmal viel lernen. Wenn du dann einen großen Wissensschatz beisammen hast, mit dem du arbeitest, schaust du dir all deine Mitstreiter an – und kommst vielleicht zu dem Schluss, dass du anders sein willst. Also fängst du an, deiner Vorstellungskraft einfach freien Lauf zu lassen. Du überlegst dir, was das Interessanteste wäre, was du auf der Bühne machen kannst – und dann gehst du schrittweise zurück und versuchst rauszukriegen, wie man das umsetzt.

Und in wie vielen Fällen gelingt es?
James: Von 100 Ideen sind am Ende vielleicht zehn gut – und auf der Bühne zeige ich Ihnen nur die guten.

In einigen Ihrer Zaubertricks steckt jahrelange Arbeit.
James: Oh ja, absolut. Manchmal kann eine Erfindung auch schnell gehen, aber meistens ist es viel Ausprobieren, was teuer und zudem sehr zeitaufwändig sein kann. Es ist ein langer Weg und da gibt es auch keine Abkürzung.

Für Ihr bekanntestes Zauberstück „Die Operation“ brauchten Sie angeblich sechs Jahre. Wie muss man sich das vorstellen?
James: Da gibt es verschiedene Stadien: Es beginnt mit dem bloßen Nachdenken, dann zeichnet man es auf Papier, versucht so viele Lösungen wie möglich zu sammeln, man versucht, das Problem zu identifizieren, Vor- und Nachteile verschiedener Methoden herauszufinden usw. Als nächstes fängst du an, Requisiten aus Pappe zu bauen, später gehst du zu Holz und Metall über und schließlich gehst auf die Bühne, vor ein Publikum und schaust, ob es funktioniert. Manchmal landest du einen Treffer, manchmal nicht. Es kann auch sein, dass du denkst, du liegst bei einer Sache richtig, doch dann lernst du auch Jahre später noch dazu. Manche Requisiten habe ich deshalb fünf mal gebaut, um am Ende die richtige Variante zu haben. Man verbringt also viel Zeit in der Werkstatt. Aber es gibt nichts Schöneres und Beglückenderes, als wenn man für eine Idee, die man irgendwann mal auf eine Serviette gekritzelt hat, ein paar Jahre später Applaus bekommt. Dieser ganze Prozess ist so, als würde man ein Kind zur Welt bringen.

Erfinden Sie auch heute noch?
James: Ja, ich habe immer ungefähr zehn, zwölf Ideen in der Pipeline. Im Moment arbeite ich an zehn Kunststücken, die noch nicht in meinem Programm sind.

Zitiert

Nichts hält dich bei deinem Publikum besser in Erinnerung als ein kleiner Adrenalinstoß.

Kevin James

Ist der Trick hinter „Die Operation“ denn letztendlich ein simpler – oder ist das alles hoch kompliziert?
James: Dieses Stück hat sich entwickelt, ich habe davon drei oder vier verschiedene Versionen gebaut, und ich bin immer noch nicht fertig damit. Denken Sie an den Moment, wo wir den Menschen bereits zweigeteilt haben, aber die beiden Körperhälften noch lebendig sind. Bei der nächsten Version, an der ich gerade arbeite, werfe ich ein Stück Stoff über ihn, schneide seinen Kopf ab, nehme ihm den Arm ab, die Hand lebt aber noch, mit der laufe ich dann herum. Das heißt, ich zerstückele den Körper so weit es geht, so dass es am Ende ein einarmiger Torso ohne Kopf ist (fängt an zu lachen) – dann setze ich ihm wieder den Arm an, den Kopf drauf und füge die Körperhälften wieder zusammen.

Mr. James, kann es sein, dass Sie früher zu viel „Texas Chainsaw Massaker“ geguckt haben?
James: (lacht) Nein, das nicht, aber ich liebe halt Dinge wie Helloween, Schock-Elemente. Nichts hält dich bei deinem Publikum besser in Erinnerung als ein kleiner Adrenalinstoß, das macht es sehr einprägsam. Bei der „Operation“ schnappen die Leute nach Luft, weil sie so etwas noch nie zuvor gesehen haben.
Wobei ich versuche, mit meinen verschiedenen Tricks unterschiedliche Gefühle anzuregen, manche sind romantisch, manche nostalgisch, mal ist es schockierend, mal ist es eine Lebenserfahrung, die ich weitergebe. Ich versuche meine Show so menschlich wie möglich zu machen, es soll nicht nur ein Hingucker sein, sondern in gewisser Weise auch relevant für die Menschen.

Romantisch ist die „Floating Rose“, ein Kunststück, welches Ihnen David Copperfield abgekauft hat. Ist er der einzige, der es außer Ihnen aufführen darf?
James: Nein, über die Jahre haben mir viele Zauberer den Trick abgekauft. Ich habe den auf VHS-Kassette veröffentlicht, damals in den 80ern. Und ich habe ihn Copperfield persönlich beigebracht.

Und, wie war er?
James: Copperfield ist ein ordentlicher Schüler. (lacht)

Hat er lange gebraucht?
James: Nein, einen Nachmittag. Wir haben es aber auch auf Video aufgenommen, damit er sich es später nochmal angucken konnte. David lernt sehr schnell und er arbeitet richtig hart, wenn er etwas zum Laufen bringen möchte. Er hat dann vielleicht noch ein paar Wochen Übung gebraucht, damit der Trick gut aussah.

Führen Sie im Gegenzug auch Tricks von Copperfield auf?
James: Nein, er hat nichts im Programm, was ich machen wollen würde. Ich will ja auch meine eigenen Sachen kreieren.

Für das Kunststück mit der Rose holen Sie immer eine Frau auf die Bühne…
James: …oder ein kleines Mädchen. Das Publikum kann dann ihr Gesicht auf dem großen Bildschirm sehen, und zum Beispiel der Moment, in dem ich ihr die Kraft verleihe, diesen Papierball ohne Berührung zu bewegen, da siehst du diesen wundervollen, ehrlichen Ausdruck, dieses Gefühl von Verwunderung im Gesicht dieses jungen Menschen – und das sendet Elektrizität an die anderen Zuschauer. Es ist das gleiche Gefühl, welches ich hatte, als ich zum ersten Mal einen Zaubertrick sah.

Sie sagten allerdings auch einmal, dass es schwieriger sei, Kinder mit Tricks zu täuschen, als Erwachsene, weil ihr Gehirn noch nicht durch Logik blockiert sei.
James: Das stimmt, am einfachsten kann man Wissenschaftler täuschen. Weil ihr Gehirn bereits konditioniert ist. Und diese Konditionierung kann ich gegen sie verwenden. Wenn ich eine bestimmte Andeutung mache, versuchen sie bereits, zwei oder drei Schritte weiterzudenken – und ich weiß in welche Richtung sie dabei gehen. Also mache ich die Andeutung – und gehe in eine andere Richtung.
Kinder dagegen achten nicht auf solche Andeutungen, oder sie verstehen sie noch nicht. Um so einfacher ist es für sie, das tatsächliche Geheimnis zu sehen. Weil sie noch nicht zu logisch denken.

Man versucht als Magier also, gegen die Logik zu arbeiten?
James: Nein, als Magier kann ich die Logik gegen Sie verwenden. Zum Beispiel nehme ich einen Gegenstand, haue ihn auf den Tisch und Sie denken aufgrund es Klangs, der Gegenstand sei massiv. Aber vielleicht ist nur der Teil des Gegenstands massiv, den ich auf den Tisch geschlagen habe, während ich in dem anderen Teil etwas verschwinden lassen kann. Man macht feine Andeutungen, und die schlauen Leute gehen darauf ein, du benutzt ihre Vermutung zu deinem Vorteil.

Sie erwähnten Zuschauer, die bereits zwei, drei Schritte im Voraus denken – das erinnert an Schach.
James: Ja, es ist ganz genau wie Schach. Wobei das nur eine von vielen Techniken ist, die wir benutzen. Daneben gibt es ja noch die Optik, Psychologie, und auf einer großen Bühne kommt noch ein ganzes Arsenal von Möglichkeiten hinzu, mit der Beleuchtung, der Distanz zum Publikum, den Vorhängen – da gibt es vieles, was man zu seinem Vorteil nutzen kann.

Ein Element scheint auch zu sein, dass Sie die Leute mit Ihrer Komik ablenken…
James: Ja, wenn die Leute lachen, denken sie nicht so sehr an das Geheimnis, sie sind zu sehr damit beschäftigt, Spaß zu haben. Wobei das Geheimnis auch nur fünf Prozent eines Kunststücks ausmacht. Die übrigen 95 bestehen in der künstlerischen Interpretation und darin, die Technik unsichtbar zu machen, es mühelos aussehen zu lassen. Das ist der schwierige Part: es geschehen viele komplizierte Dinge, aber es muss so aussehen, als würdest du eigentlich gar nichts machen.

Ein unter Magiern häufig diskutiertes Thema ist Youtube, wo häufig Tricks erklärt werden. Hat Youtube die Branche verändert?
James: Ich mag Youtube. Viele meiner Freunde würden dort nie ein Video veröffentlichen, weil sie befürchten, kopiert zu werden. Ich dagegen finde es eine gute Sache, denn dort finden dich ja auch Künstler-Agenturen aus der ganzen Welt. Ich bekomme deswegen ständig Anrufe für Auftritte.

Sogar das Weiße Haus hat Sie auf Youtube entdeckt.
James: Ja, tatsächlich. Damals hatte jemand aus dem Weißen Haus online nach Künstlern für verschiedene Veranstaltungen gesucht. Das war vor sieben Jahren, Obamas erste Amtszeit, und ich habe dann für ihn im Weißen Haus gezaubert. Ich habe ihm „Die Operation“ gezeigt, bei einer Halloween-Feier. Ich habe ein Foto von ihm, wie er sich die Show anschaut, er hat große Augen gemacht, er war sehr überrascht.

Sie erwähnten ja bereits Halloween, warum fasziniert Sie das?
James: Mein Vater hat immer sehr gerne für die Familie eine Halloween-Feier gemacht. Wir hatten eine lange Vorhalle in unserem Haus, die er dann mit vielen Stoffen zugehängt hat, wodurch eine Art kleines Geisterhaus entstand. Und die Kinder, die kamen und Süßigkeiten wollten, mussten erstmal durch dieses Geisterhaus hindurch. Er hat lustige Zauberspielereien mit uns gemacht, und wir hatten so viel Spaß. Ich denke, das ist der Grund für diese Faszination.

Bei den Illusionists stehen Sie u.a. mit Dan Sperry auf der Bühne, der vor allem durch sein Gothic-inspiriertes Auftreten populär wurde. Ist das für Sie bereits eine andere Generation?
James: Er hat seine Nische gefunden, Er versucht die jüngere Generation anzusprechen – aber ich sehe da keine besonders große Lücke. Wir sind vielleicht 20 Jahre auseinander, nicht 40. Und wir haben alle unsere verschiedenen Stile. Das ist wahrscheinlich auch das Beste bei den „Illusionists“, man schaut nicht zwei Stunden alleine einem Magier zu, sondern man hat sieben verschiedene Stile, und jeder zeigt aus seinem Programm nur das Beste. Dadurch entsteht auch ein gesunder Wettbewerb: wenn ich mit all den guten Leuten auf der Bühne stehe muss ich mein Niveau hoch halten um mit der Mannschaft mithalten zu können.

Wer steht im Moment an der Spitze in der Magierwelt: Ist Copperfield noch der große Illusionist, zu dem alle aufschauen?
James: Nun, Copperfield ist jetzt schon sehr lange nicht mehr im Fernsehen gewesen. Er tritt 45 Wochen pro Jahr in Las Vegas auf, viele junge Leute wissen nicht mehr, wer er ist. Die kennen stattdessen Chriss Angel, David Blaine oder Dynamo, also die jungen Leute, die auch im Fernsehen zu sehen sind. Die stehlen Copperfield jetzt ein bisschen die Show. Seine Popularität stammt ja noch aus den 80ern, heute denke ich, dass er ziemlich nachgelassen hat. Vielleicht versucht er jetzt mehr, das Leben zu genießen, bevor es dafür zu spät ist.

Angenommen ich würde Sie mal besuchen – woran erkenne ich in Ihrem Haus, dass dort ein Magier wohnt?
James: Ich habe eine große Bibliothek, wirklich sehr groß, und bei mir hängen alte, klassische Lithographien an den Wänden, aus den 1920er und 1930er Jahren. Plakate von Zaubershows mit kunstvollen Illustrationen. Das hat einen guten Vibe, das mag ich.

kevin james2Kann man Sie eigentlich noch mit einem Zaubertrick täuschen?
James: Nein, auf diesem Level trickst dich eigentlich keiner mehr aus, ich kenne schon so ziemlich alles. Und wenn es doch mal jemand fertig bringt, dann schätze ich das sehr, ich liebe es! Weil es dieses Gefühl vom ersten Mal ist. Für mich geht es da weniger um das Technische, sondern was ein Magier mit einem Trick macht, wie er das dem Publikum präsentiert. Die Magie passiert nicht auf der Bühne, sondern in deinem Kopf. Damit meine ich das Gefühl, das du hast, während du zuschaust.
Wenn ich es im Publikum schneien lasse, dann weckt das beim Zuschauer vielleicht Erinnerungen an das Spielen im Schnee, an eine Schneeballschlacht oder daran, wie sie als Kind einen Schneemann gebaut haben. Das ist für mich die Magie, wenn ich es schaffe – auch wenn es nur unterbewusst geschieht – diese wundervollen Erinnerungen zurückzuholen und die Leute auf eine bestimmte Weise fühlen zu lassen.

Eigentlich klingt das nun eher nach einem Künstler, einem Musiker oder Filmemacher.
James: Ich bin immer auf der Suche nach menschlichen Themen, Dingen, die den Menschen etwas bedeuten, die bei ihnen etwas auslösen. Man versucht etwas zu erschaffen, was im Publikum einen Nachhall findet. So wie ein Sänger, der einen bestimmten Song singt und der Zuhörer dabei feststellt: „Der spricht über mich, ich verstehe genau, was er mir sagen will.“ Das gleiche will ich mit Magie erreichen, diese Verbindung finden und in das Herz der Menschen vordringen.

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