Katja Kessler

Ich glaub, ich wäre gern mit mir verheiratet.

Katja Kessler über ihr Buch "Das Schatzi-Experiment", Selbstironie, ihre Laufbahn als Autorin und die Frisur ihres Mannes

Katja Kessler

© Diana Verlag

Anmerkung: Katja Kessler hat bei der Autorisierung des folgenden Interviews einen Teil ihrer Antworten nicht freigegeben, mehr dazu hier.

Frau Kessler, gerade ist Ihr neues Buch „Das Schatzi-Experiment oder Der Tag, an dem ich beschloss, meinen Mann zu dressieren“ erschienen. Sie haben mal gesagt, Sie sind süchtig nach dem Schreiben. Wie oft brauchen Sie das am Tag, in der Woche…
Kessler: Sie meinen meine Dröhnung? Also, ich habe ja das Glück, oder, ähm, Pech, dass mein Mann viel weg ist. Ich hätte also abends die Möglichkeit, mich auf die Couch zu setzen mit einer Schachtel Pralinen oder eine Affäre mit unserem Elektriker anzufangen – aber wer den kennt, versteht, warum ich noch zögere. Und so schreibe ich halt. Das ist für mich ein Hobby, Erfüllung, Ventil, Tagebuch.

Ihre Beobachtungen sind sehr detailliert – machen Sie sich immerzu Notizen?
Kessler: Ja, das ist ja mein Beruf. Wenn ich kein Papier zur Hand habe, schicke ich mir auch gern selbst eine SMS. Und im Klappentext meines Buchs warne ich: Wer mich zu Kaffee und Kuchen einlädt, muss damit rechnen,  dass ich mit Überwachungskamera und Richtmikrofon komme. Außerdem neigen Autoren wie ich ja dazu, ihre Umwelt zu missbrauchen. Ich erzähle zum Beispiel Freundinnen irgendwas und teste schon in der Sekunde meine Formulierungen und Pointen aus. So, jetzt ist es raus, jetzt kennen Sie die Tricks, mit denen ich arbeite! Wollen Sie auch mal das Testkaninchen geben? Also .. Gestern fragte mein Sohn Caspar: „Du Papa, du bist doch Chef von der „Bild“, oder? Und mein Mann: „Jaha …“ Caspar: „Sag mal, ich wollte Dich fragen, hast du eigentlich schon entschieden, ob ich oder der Kolja das später macht? Ich weiß nämlich noch nicht, ob ich das wirklich werden will. Vielleicht werde ich auch Tierpfleger.“ – Na, wie habe ich das erzählt??? Und jetzt sind sie wieder dran!

Sie haben auch mal gesagt, es besteht eine Art Gemeinschaftsgefühl zwischen Ihnen und Ihren Lesern. Wie bauen Sie das auf?
Kessler: Na ja, einfach indem ich von mir selbst erzähle. Und irgendwann habe ich festgestellt: Ich bin viele. Meine Probleme sind Allerweltsprobleme. Cool, nicht? Wir Frauen leiden ja gern an uns selbst. Ich bin auch so eine typische Defizitverwalterin. Ich geh abends ins Bett und rechne mir vor, was ich alles NICHT geschafft habe. Ich mache deswegen auch wahnsinnig gern Lesungen. Wenn ich an den Reaktionen der Zuhörerinnen im Saal spüre: Auch die pulen die Streusel vom gekauften Kuchen, damit er fürs Kitafest aussieht wie selbstgebacken, dann klebt mir das ein großes Pflaster auf die Seele. Dann weiß ich: Ich bin nicht alleine gaga.

Klingt in der Tat seltsam.
Kessler: Ja; es leben die Schrullen! Mit denen bist du als Frau Mainstream! Das ist doch mal eine positive Botschaft! Außerdem: Die Kunst ist ja nicht, zu beschreiben, was keiner versteht, sondern dass meine Leserin sagt: „Hach, kenn ich!“ Geht mir doch genau so. Als Mutter von vier Kindern zwischen zweieinhalb und neun Jahren liebe ich Anekdoten, die mir bestätigen: Auch die anderen Muttis leben im durchorganisierten Chaos. Neulich zum Beispiel kam ich nach Hause und meine kleinste Tochter Lilly, die ich bei ihrem Mittagsschläfchen wähnte, hatte die Wände und den Fußboden im Badezimmer liebevoll mit Lippenstift dekoriert. Und außerdem noch Haarshampoo in meine Puderdosen umgefüllt. Da rufe ich auch laut: „Sch…… ön!!“

In dem, was Sie schreiben, steckt auch eine große Portion Selbstironie. Woher haben Sie die?
Kessler: Aus der Not geboren! Ich leide seit zweiundvierzig an mir selbst. Niemand kann so schön in Fettnäpfchen stolpern wie ich. Als ich jung war, kellnerte ich in einer Pizzeria. Ein Kunde bestellte Warsteiner. Und ich, die ich immer Spezi und KiBA, also Kirschbananensaft trank, erwiderte: „Haben wir zwar nicht, kann ich Ihnen aber mixen!“ Also, bevor ich mich jetzt aus Scham und Verzweifelung von der  Köhlbrandbrücke stürzen würde, versuche ich es erst mal mit Lachen. Oder, auch eine hübsche Anekdote – ich war kleine Praktikantin bei BILD und sollte ein Telefoninterview führen mit Rod Stewart. Er nuschelte fürchterlich und ich hatte ehrlich gesagt auch keine Ahnung. Und es dauerte nur ein paar Minuten und er fragte genervt in die Leitung: „Is here anybody who speaks my language?“

Aber ist diese Selbstironie ein Charakterzug von Ihnen, der schon immer da war oder hat sich das entwickelt?
Kessler: Na fragen Sie mal meinen kleinen Bruder Leuch, ob der mich früher selbstironisch fand! Dem habe ich mich in Streits immer auf die Brust gesetzt, mit meinen Knien seine Oberarme fixiert und dann über seinem Gesicht Spucke abgeseilt. Ich war eine echte Pest, Und auch wenn sie meine Mutter fragen, die wird Ihnen ein Lied davon singen, wie ich früher die gesamte Familie genervt habe mit Einfällen, die ich total lustig fand – aber leider die anderen nicht. Aber wenn Sie so wollen, das ist das Thema meines Buchs: „Hey, lacht mal. Perfekt kommt morgen!“

Ihr Buch ist also nicht nur Selbsttherapie.
Kessler: Richtig. Ich bin Vorsitzende des ersten Männer-Fanclub Deutschlands und als solche rufe ich allen Ehefrauen zu: „Hey, Eure Männer sind Liebhaberstücke! Liebt sie und lasst sie.“ Anders herum gesprochen: Möchtest du, dass wirklich etwas passiert, nimm es selbst in die Hand! Ich glaube, wir Frauen sind viel stärker als wir glauben. Wir müssen uns nur trauen. Ich bin selbst ernannte Frauenbekehrerin! War ich schon beim „Mami-Buch“. Als mir die Idee kam, einen Schwangerschaftsratgeber zu schreiben, der nicht nur die zehn Monate der Schwangerschaft beackert, sondern auch die für Frauen nicht minder wichtigen zehn Monate danach, hat mein Verlag gegähnt. Mittlerweile ist das Mami-Buch 250.000 Mal verkauft, es gibt sieben Übersetzungen und neulich packte mir bei einer Lesung eine junge Frau ein Exemplar auf den Tisch und sagte: „Weil es dieses Buch gibt, gibt es mein Baby.“

Was macht das „Mami-Buch“ so erfolgreich?
Kessler: Meine Botschaft ist: Ja, du bist schwanger, nutze die Errungenschaft der modernen Medizin. Die sind nämlich großartig. Aber vergiss niemals, Schwangersein ist keine Olympiade im Richtigmachen, vielmehr geht es darum, dass du in deiner Mitte bist. Es gibt nicht die perfekte Schwangere! Die dürfte nämlich noch nicht mal mehr in ein Mozzarella-Brötchen beißen. Versuche ein bisschen in deinen Bauch zu lauschen. Und vergiss das Genießen nicht! Was bringt ein Nobelpreis für Salatfuttern, wenn du zehn Monate lang frustriert bist. 

Kommen wir noch mal zur Mission bei Ihrem neuen Buch „Der Tag, an dem ich beschloss, meinen Mann zu dressieren“…
Kessler: Okay, das Buch besteht aus Imperativen. Erster Imperativ, wie gesagt: Frauen, lacht mal über Euch! Zweiter Imperativ: lacht über Eure Männer. Dritter Imperativ: Frauen und Männer, lacht miteinander, genießt das Leben. Alt werdet ihr von selbst! Das hilft und heilt. Mir liegen aber auch die Muttis am Herzen, die brauchen auch mal ein bisschen Entspannung. Im Buch gibt’s da die Rubrik „Mami-WikiLeaks  – was nur Muttis voneinander wissen“. Hier finden sie alle statt: Die Generalsstabsmutti, die die Zeugung ihrer Kinder so plant, dass die später in Monaten mit geringer Niederschlagswahrscheinlichkeit ihre Geburtstage im Garten feiern können. Oder die Rudelmutti – so eifrig, dass sie dir mit ihrem Schweizer Fahrtenmesser aus einem Baumstamm einen funktionierenden Apple-Computer schnitzt. Aber am allerliebsten ist mir natürlich die Journalisten-Mutti, schlau ohne Ende, man möchte ihr am liebsten einen Knebel in den Mund  stopfen. Und wenn Sie wissen möchten, woher ich die alle kenne: Ich hab bei der Recherche ganz viel in den Spiegel geschaut. Meine arme Tochter zum Beispiel musste zwei Jahre ihres Lebens Ballett tanzen, bis ihre überambitionierte Mutter Willens war einzusehen, dass die Tochter für eine Hauptrolle in Schwanensee noch vierzig Jahre braucht.

Das Schreiben ist Ihr Beruf, die „Bild“-Zeitung war dabei gleich eine Ihrer ersten Stationen.  Was hat Sie an dem Umfeld mehr gereizt als an Medien wie zum Beispiel der „Frankfurter Allgemeinen“, der „Süddeutschen Zeitung“ oder der „Zeit“?
Kessler: Die wollten mich nicht, so einfach. Letztlich war ich froh, als ich bei „Schöner Wohnen“ meinen ersten Hocker betexten durfte.

Und wo wollten Sie hin?
Kessler: Natürlich „Max“, „Stern“, „Amica“. Da war aber auch eine Zweckliebe. Zuvor war ich nämlich in einen Edeka-Laden marschiert, um im Impressum verschiedener Zeitschriften zu recherchieren, welche Verlage da waren, wo ich auch war, nämlich in Hamburg. Ein Praktikum zum Beispiel in München hätte ich mir bei einem dunkelroten Dispo ohnehin nicht leisten können. Und dann, der allererste Tag, an dem ich auf dem Redaktionsflur stand, hatte ich echt das Gefühl: Hier geh ich nie mehr weg! Ich war schockverliebt!

Hatten Sie auch an „Die Zeit“ geschrieben?
Kessler: „Zeit“? Was war das? Keine Ahnung. Ich las im Wartezimmer meines Vaters immer Jantzen’s Lesemappen. Und da waren ganz weit vorn die „Frau im Spiegel“, „Quick“ und „Neue Post“. Ich war auch nie die super-investigative Leserin, sondern schon zufrieden, wenn ich die Kreuzworträtsel lösen konnte.  „Bild“ war dann mein großes Glück. Hier hieß es: „Fahr los! Mach!“ Ich bekam eine Kolumne und berichtete von den Oscars und Prinz Alberts weißen Socken. Ich muss sagen: Mein Kapital, das ich mitbrachte, war meine Ahnungslosigkeit und mein grenzenloser Optimismus

Wenn Ihr Mann abends spät, wie Sie schreiben, nach Hause kommt, reden Sie dann noch viel über die „Bild“-Zeitung?
Kessler:

Sie beschreiben viele Erlebnisse mit Ihren Kindern, aber auf den Fotos in Ihrem Buch sind sie unkenntlich gemacht, die Gesichter werden versteckt oder abgeschnitten.
Kessler:

Haben Sie als prominente Autorin und Ehefrau des „Bild“-Chefs denn manchmal Probleme mit Paparazzi?
Kessler:

Ärgert es Sie, wenn in Zeitungen Bilder von Prominenten-Kindern in privaten Situationen abgedruckt werden?
Kessler:

Aber was denken Sie dann, wenn beispielsweise der Sohn von Boris Becker am Flughafen abgelichtet wird?
Kessler:

Was sind denn Dinge, über die Sie mit Ihrem Mann mal so richtig streiten?
Kessler: Meine Überzeugung ist ja, dass man sich von seinem Mann nicht in irgendwelche Scharmützel verwickeln lassen darf. Halte dich als Frau vom Häuserkampf fern, schlage nur die großen Schlachten. Bestimmte Frontabschnitte unserer Ehe habe ich längst geräumt. Er findet, dass ich schlecht koche. Und ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt eine Tomate von einer Gurke unterscheiden kann. Grundsätzlich haben wir’s aber ganz gut gelöst: Er hat seinen Bereich, also seinen Job, ich habe meinen, in dem ich den Hut aufhabe. Allerdings lässt sich mein Mann von unseren Kindern um den Finger wickeln. Gerade wenn Caspar mit Dackelblick vor ihm sitzt und Bilder für sein Fußball-Sammelalbum haben möchte, dann bringt mein Mann eher fünf Päckchen mit als drei.

Zitiert

Wer mich zu Kaffee und Kuchen einlädt, muss damit rechnen, dass ich mit Überwachungskamera und Richtmikrofon komme.

Katja Kessler

Nun sind Sie auch Journalistin und die „Bild“-Zeitung wird in journalistischer Hinsicht viel kritisiert, eine ganze Website entstand allein zu dem Zweck, auf Fehler in „Bild“ hinzuweisen. Reagieren auch Sie manchmal verärgert auf eine „Bild“-Schlagzeile?
Kessler:

Es gibt aber immer wieder Fälle, in denen „Bild“ die Würde der Menschen verletzt. Nur ein Beispiel: Als Shawne Fielding, die Frau des früheren Schweizer Botschafters, infolge einer angeblichen Affäre ihres Mannes eine Fehlgeburt erlitt, titelte „Bild“: „Sex-Schock – Baby verloren“. War das eine Schlagzeile, über die Sie mit Ihrem Mann noch einmal geredet haben?
Kessler:

Ich hatte auch nicht angenommen, dass Sie jede Schlagzeile kennen.
Kessler:

Das heißt, wenn über jene Fehlgeburt geschrieben wird „Sex-Schock – Baby verloren“, sind Sie nicht entrüstet?
Kessler:

Dadurch, dass andere es vielleicht auch machen, ist es für die „Bild“ legitimiert?
Kessler:

Hellmuth Karasek sagte uns kürzlich in einem Gespräch, er nehme an, dass die „Bild“ „mehr in Anführungszeichen gelesen wird“. Sehen Sie das auch so?
Kessler:

Mit anderen Worten, wenn jemand wie Hans Leyendecker der „Bild“ „hetzerische Gewalt“ vorwirft, ist das nur der Scheuklappenblick eines Journalisten?
Kessler:

Was denken Sie über ihn?
Kessler:

Karasek sagte, er nimmt die „Bild“ so ernst wie Stefan Raab.
Kessler:

Würden Sie eine politische Entscheidung nach „Bild“ treffen?
Kessler:

Ich habe nun noch einige Klatschfragen: Sie schreiben, Ihr Mann kommt immer erst 20.30 Uhr von der Arbeit nach Hause. Frau Kessler, sind Sie frustriert?
Kessler: Nein. Toll! So habe ich ja Zeit, viele hundsgemeine Geschichten über ihn zu schreiben.

Ist Ihre Familienplanung wirklich vollständig?
Kessler: Na ja, an guten Tagen wollen wir noch zwanzig Kinder. Und an schlechten Tagen möchten wir sie alle ins Tierheim bringen und gegen Meerschweinchen tauschen.

Glückliche Kinder ist eine Sache. Wie halten Sie das Glück zu Ihrem Mann frisch?
Kessler: Na ja zum Beispiel, indem ich mir eine neue Handtasche kaufe und sie nur für ihn trage. Raffiniert, oder?  Außerdem halte ich es mit dem Spruch von Goethe: Ab und an müssen ein Mann und eine Frau auch miteinander streiten, sonst erfahren sie ja gar nichts voneinander.

Ist Ihr Mann zärtlich?
Kessler: Und wie! Er ist ja Absolvent der Bielefelder Charme-Uni.

Ist er eitel?
Kessler: Null, dafür bin ich es ganz doll. Das trifft sich gut. Vor dem Spiegel kommen wir uns nicht in die Quere.

Was tragen Sie im Bett?
Kessler: Oh, jetzt wird das große Geheimnis gelüftet!!! Jogginghose. (lacht)

Was sind für Sie No-Gos im Bett?
Kessler:

Was denken Sie, wenn Sie an dem Relief „Friede sei mit dir“ vorbeifahren?
Kessler: Jetzt kennen alle Frauen mein Geheimnis – und beneiden mich. (lacht)

Welche Gedichte haben Sie sich bei Ihrem ersten Date vorgelesen? Sie erwähnen das ja in Ihrem Buch…
Kessler: Bis zum Gedichtevorlesen sind wir, so schreibe ich’s ja auch in dem Buch, gar nicht gekommen.

Wie hat Ihr Mann Ihnen den Heiratsantrag gemacht?
Kessler: Also, ich glaub, ich wäre gern mit mir verheiratet. Ich vergesse so was nämlich. Hat er mich überhaupt gefragt? Ich weiß auch gar nicht, wann unser Hochzeitstag ist oder sein Geburtstagstag.

Mögen Sie die Frisur Ihres Mannes?
Kessler: Super, ganz toll. Sein Markenzeichen.

Wie lange möchten Sie noch auf dieser Welt wandeln?*
Kessler: So lange, dass ich meine Kinder immer beschützen kann.

Das ist keine sehr hohe Lebenserwartung.
Kessler: 

Und welche „Bild“-Schlagzeile wünschen Sie sich an Ihrem Todestag?
Kessler: „Vor lauter Liebe gestorben“ … oder, besser … „Vor lauter Lachen gestorben“. Eins von beidem. Muss ich noch mal drüber nachdenken.

*Zitat aus "Bild" vom 08.09.2009, Interview mit Udo Jürgens

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