Katharina Thalbach

Ich möchte mit Politikern nicht tauschen

Katharina Thalbach über ihre Darstellung der Kanzlerin, Theater auf der politischen Bühne, Selbstzensur und ihr Wunsch-Ministerium

Katharina Thalbach

© © SAT.1/Hardy Brackmann

Frau Thalbach, haben Sie den Film „Der Minister“ schon gesehen?
Thalbach: Ja, aber noch nicht in der finalen Fassung.

Wie fanden Sie sich?
Thalbach: Ach, mit sich selber hat man ja immer Probleme. Doch obwohl ich zuerst misstrauisch war, habe ich mich bei diesem Film nicht geschämt. Und das ist schon viel Wert. Es kommt ja leider auch vor, dass man einen eigenen Film sieht und dann wegguckt. Hier habe ich mich sehr amüsiert.

Haben Sie eigentlich sofort zugesagt, als Sie das Rollenangebot bekamen?
Thalbach: Als der Produzent Nico Hofmann mich anrief und fragte, ob ich die Bundeskanzlerin spiele, hatte ich zunächst Bedenken, weil ich dachte: Wohin geht das? Geht es jetzt darum, jemanden ans Bein zu pinkeln?

Darum ging es nicht?
Thalbach: Nein. Da hat mich auch das Drehbuch von der Dorothee Schön beruhigt. Sie hat das auf eine sehr clevere Weise und mit einem großen, eigenen Fantasie-Bereich geschrieben, sie hat dafür auch sehr gut recherchiert. Es geht um einen aufstrebenden Adligen, der auszog in die politische Welt, um sein Glück zu machen – und dann irgendwann das Fürchten zu lernen. Bei der Rolle der Kanzlerin stellt sie gewisse Mutmaßungen über den privaten Bereich an, aber das macht sie auf eine sehr schöne Art und Weise. Der Film hat etwas von einem satirischen Märchen. Und es geht um das Geben und Nehmen von Politik und Medien.

Wie schwierig ist aber der Umgang mit so einer realen Figur?
Thalbach: Wenn man authentische Figuren nachstellt, also da bekomme ich immer so Höflichkeitsanfälle. Ich weiß ja nicht wie jemand wirklich ist. Nichtsdestotrotz wird man dann mit der realen Person verglichen und es kommt die Authentizitätsfrage.

Haben Sie sich auch angeschaut, wie Matthias Richling die Kanzlerin darstellt?
Thalbach: Nein, da wäre ich auch ehrlich gesagt nicht drauf gekommen. Ich habe mir sehr viel Dokumentationen über Angela Merkel angeschaut und versucht, bestimmte Merkmale an ihr zu studieren. Aber meine Rolle ist und bleibt natürlich eine fiktive Figur, denn am Ende wissen wir ja nicht was im Kanzleramt wirklich stattfindet.

Haben Sie Frau Merkel schon mal persönlich getroffen?
Thalbach: Ja, ich habe sie einmal beim Friseur getroffen, einen Tag nach dieser Elefantenrunde, in der sich Gerhard Schröder so entsetzlich benommen hat. Was der Typ dort abgezogen hat, war unerträglich, unverschämt, da war ich wirklich empört, wie man sich in einer Demokratie so präpotent benehmen kann. Ich glaube auch, er hätte sich das nicht getraut, wenn ihm ein Mann gegenüber gesessen hätte.

Hat denn die theoretische Möglichkeit, dass Sie Frau Merkel eines Tages erneut beim Friseur begegnen, Ihre jetzige Darstellung beeinflusst?
Thalbach: Nein. Ich habe mir keine Zensur auferlegt. So was liegt mir fern.

Ihre Figur heißt „Angela Murkel“ – das klingt ein wenig nach „Murks“.
Thalbach: Nein, für mich klingt das, wie wenn man sagt „du kleiner Murkel“. Damit kann ich mich gut identifizieren, mit diesem Zwergenhaften.

Mochten Sie die Blazer?
Thalbach: Das ist eine Uniform. Keine besonders schöne, wie ich zugeben muss. Ich glaube, das ist auch eine Waffe, sie fällt ja auf allen Fotos auf, wobei nicht so schlimm wie das manchmal bei Frau Thatcher der Fall war. Und wahrscheinlich hat sie die Blazer auch nicht zuhause an.

Interessieren Sie sich eigentlich sehr für Politik?
Thalbach: Man kommt ja nicht umhin, sich dafür zu interessieren. Ich bin da vor allem ein Fernsehgucker und bekennender Phönix-Fan. Dort gucke ich mir viele Dokumentationen und auch die Bundestagsdebatten an.

Was haben Sie denn gedacht, als Sie das erste Mal von der gefälschten Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg hörten?
Thalbach: Das ist sehr lange her… Ich glaube, ich habe darüber gelacht. Man kannte das ja auch schon von anderen Bekenntnissen vor der Kamera, sowohl von Barschel als auch von Clinton, dieses feierliche Schwören – also gerade durch so etwas wird man doch misstrauisch, von nichts kommt auch nichts.
Ich habe mir das eher als großes Theater angeguckt, und weniger mit moralischer Empörung. Seine Show, die vorangegangen war, zum Beispiel in Afghanistan, das hatte mich schon sehr irritiert. Die Plagiats-Affäre war dann wie das I-Tüpfelchen.

Zitiert

Durch die ständige Anwesenheit von Medien sitzt man als Politiker wie auf einer riesengroßen Bühne.

Katharina Thalbach

Wird auf der politischen Bühne viel Theater gespielt?
Thalbach: Ja, natürlich. Aber ich glaube, das geht auch gar nicht mehr anders, durch die ständige Anwesenheit von Medien sitzt man ja als Politiker wie auf einer riesengroßen Bühne. Man ist sich bewusst, dass man eine öffentliche Figur ist, die ständig Publikum hat, ich denke, dass es dadurch automatisch zu Theater werden kann. Es ist auch oft so durchsichtig, auch langweilig, weil sich einfach vieles wiederholt. Damit meine ich auch das, was an Sprachgebilden und Worthülsen vorkommt. Wobei ich erschreckend finde, dass diese Show oft viel mehr Raum einnimmt, als die wirklichen gesellschaftlichen Fragen, die gelöst werden müssen.

Wie empfinden Sie den Umgang der Medien mit den Politikern?
Thalbach: Ich möchte nicht in der Haut der Politiker stecken. Es ist, wie ich sagte, ein Geben und Nehmen, sie brauchen sich gegenseitig, sie belauern sich und machen sich gegenseitig fertig.

Politiker machen die Medien fertig?
Thalbach: Das denke ich schon, dass es das gibt. Nicht ohne Grund hat Nico Hofmann diesen Film bei einem Privatsender gemacht. Weil er das bei den öffentlich-rechtlichen nie durchgekriegt hätte.

Aber nochmal, warum würden Sie nicht gerne in der Haut der Politiker stecken?
Thalbach: Das wäre sowieso kein Beruf für mich, muss ich ehrlich sagen. Die Arbeit eines Politikers ist glaube ich viel anstrengender und langweiliger als man sich das eigentlich denkt. Ich möchte mein Leben nicht in diesen Sitzungszimmern verbringen und mit dem ständigen Studieren von Akten zubringen. Dann wird auch jedes Wort, was man sagt, auf die Goldwaage gelegt, kann so aber auch wieder ganz anders ausgelegt werden. Irgendwann heißt es dann: „Es regnet und der Staat ist schuld.“ Also, ich möchte mit denen nicht tauschen.

Haben Sie schon mal ein Filmangebot von Roman Polanski bekommen?
Thalbach: Nein, leider nicht.

Sie würden es annehmen?
Thalbach: Polanski? Sofort.

Würde es Ihre Entscheidung beeinflussen, dass es in seiner Biografie schwarze Flecken gibt?
Thalbach: Nein. Ich fand schon seinen ersten Film, den er an der Filmhochschule in Polen gedreht hat, ganz toll. Er ist ein großartiger Künstler und da bin ich geneigt über gewisse schwarze Flecken hinwegzusehen.

Würden Sie das in der Politik auch?
Thalbach: Das kommt auf die Größe der schwarzen Flecken an.

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Es geht in der Politik oft um Macht und Intrigen – wie sieht es damit in Ihrem Beruf aus?
Thalbach: Gibt es bestimmt, aber ich habe das große Glück, dass ich relativ autark lebe. Ich kriege das nicht so mit. Ich bin nirgends fest in einem Ensemble, ich mache mein Zeug, kriege Gott sei Dank genügend Angebote, für Filme, für Regie, für Theater und Oper. Dadurch komme ich einfach nicht in diese Mühlen rein. Dadurch, dass ich immer wieder die Bühne wechsle bin ich auch immer wieder neu in der Klasse und gucke sie mir an, stelle fest, ‚mit dem kannst du spielen und mit dem nicht‘. Dann finde ich ein paar nette Kameraden für den Schulhof und danach wechsle ich wieder die Klasse.

Nach Friedrich II. und Königin Marie von Bayern ist die Kanzlerin Ihre dritte Rolle in einer Regierung…
Thalbach: Ja, das ist ein auffälliger Aufstieg in die herrschende Klasse, habe ich neulich gedacht (lacht) Mir gefallen diese Rollen aber auch. Wobei ich insgesamt ein gesundes Durcheinander von Projekten und Rollen mag. Ich finde zum Beispiel die Putzfrau von Frau Merkel genauso interessant wie die Kanzlerin selbst.

Sie kennen Frau Merkels Putzfrau?
Thalbach: (lacht) Nein, ich würde sie aber gerne mal spielen. Wäre doch toll, wenn man mal den Bundestag aus der Perspektive einer Putzfrau sieht. Wahrscheinlich unterliegt das Putzpersonal einer gewissen Schweigepflicht. Aber was die dort in den Papierkörben finden, würde mich schon interessieren. Oder wie es dort riecht, mir wurde erzählt, es würde dort in den Gängen teilweise sehr nach Alkohol riechen (lacht). Berlin in der Mitte Macht, aber von ganz unten, das wäre mal ein interessanter Film.

Zum Schluss: Wenn man nun Ihnen nun doch ein Ministerium anbietet, für welches entscheiden Sie sich?
Thalbach: Oh nein, bitte nicht.
Das liebe ich ja so an Island, dass die eine Regierungsbeauftragte für Elfen haben. Das ist jetzt kein Scherz, das ist bei denen fast ein Ministeramt. Zum Beispiel wenn es um Baustellen geht, da muss die Elfenbeauftragte kommen und wenn dort Elfen wohnen wird da drum herum gebaut. Die nehmen das richtig ernst.

Sie wären also unsere Elfenbeauftragte.
Thalbach: Ich wäre für die 7 Zwerge verantwortlich, als Märchenbeauftragte im Verteidigungsministerium für Fantasie. Das Amt würde ich übernehmen.

****An der markierten Stelle können wir das Interview mit Katharina Thalbach leider nicht vollständig wiedergeben. Thalbach hatte im Gespräch mehrere Fragen zur Debatte um die Vergangenheit von Gregor Gysi, zum Umgang mit Stasi-Akten und zur Verjährung einer Stasi-Tätigkeit beantwortet.  Katharina Thalbach hat diese Antworten bei der Autorisierung des Interviews ersatzlos gestrichen, was wir sehr bedauern. Eine schriftliche Bitte an Frau Thalbach, die Streichungen zurückzunehmen, blieb ohne Erfolg. Unser Standpunkt zur Autorisierung kann hier nachgelesen werden.

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