Karola Wille

Die Quote darf nicht zum alleinigen Impulsgeber werden.

Die ARD-Vorsitzende und Intendantin des MDR Karola Wille spricht über Mahnverfahren, Transparenz, ihr Gehalt und die vielen ARD-Mediatheken.

Karola Wille

© MDR/rbb/Thomas Ernst

Frau Wille, der Umfang an Mahnverfahren beim Rundfunkbeitrag ist inzwischen enorm. Etwa 4,9 Millionen Beitragskonten im Mahnverfahren, bei 1.4 Millionen gibt es Vollstreckungsersuche (Zahlen von Beitragskommunikation, Juli 2016). Wie werden Sie zukünftig auf die Millionen von Menschen zugehen, die nicht bereit sind, den Beitrag zu zahlen?
Karola Wille: Die Zahl der Verfahren heißt ja nicht, dass all diese Menschen den Rundfunkbeitrag grundsätzlich ablehnen. Es geht hier zum Teil auch um Unklarheiten, was Zahlpflicht und Befreiungsmöglichkeiten angeht.** Grundsätzlich wollen wir alle Beitragszahler mit unseren Angeboten überzeugen – so dass sie gerne zahlen. Und ansonsten ist klar: Das ist eine Abgabe, die nicht wir festgelegt haben, sondern der Gesetzgeber. Und der Gesetzgeber hat dazu auch Vollstreckungsmöglichkeiten für die zuständigen Behörden geschaffen. Wobei ich auf der Pressekonferenz auch gesagt habe, dass für uns die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der Maßnahme wichtig ist. Bei der Erzwingungshaft ist das in der Regel nicht mehr der Fall.

Wäre mehr Transparenz eine Maßnahme?
Wille: Wenn Sie über die Programme hinaus fragen: Ja klar. Es ist ganz wichtig zu erfahren, wofür man den Rundfunkbeitrag zahlt. Wir haben in den letzten Jahren bereits eine Menge an Transparenz geschaffen. Wenn Sie auf die Website des Beitragsservice gehen, können Sie dort nachlesen, was mit diesen 17,50 Euro passiert, wie viel für das Programm verwendet wird, wie viel in die Verwaltung fließt oder bei den Verbreitungskosten anfällt. Wer sich dafür interessiert, findet dort, auf ARD.de und auf den Websites der einzelnen ARD-Anstalten eine Menge Antworten, was aus diesem Geld wird, das man jeden Monat zahlen muss.

Sie selbst haben formuliert, dass Sie für eine „umfassende Transparenz im wirtschaftlichen und journalistischen Handeln gegenüber den Beitragszahlern“ eintreten wollen. Haben Sie Ihr Gehalt als MDR-Intendantin offengelegt?
Wille: Ja.

Wo kann man das finden?
Wille: Vor ein paar Jahren gab es entsprechende Anfragen und ich glaube, da hat fast jeder Intendant das Gehalt offen gelegt (siehe auch Tabelle am Ende des Interviews, Anm. d. Red). Vor drei Jahren sind auch die Nebenbeschäftigungen transparent gemacht worden. Was meine Person betrifft: Die MDR-Pressestelle gibt hierzu jederzeit Auskunft. Ich verdiene aktuell 275.000 Euro brutto im Jahr.

Sie haben m Januar 2016 erklärt, dass die öffentlich-rechtlichen Medien sich „an der Lebenswirklichkeit der Menschen“ bewegen, aber auch „außerhalb von Mainstreamkorridoren“ arbeiten sollten. Welche Rolle spielt dafür die Einschaltquote?
Wille: Die Einschaltquote ist für mich immer ein Hilfsmittel, weil wir mit unserem Angebot die Menschen ja auch tatsächlich erreichen müssen. Und die Quote misst, wie viele Menschen wir tatsächlich erreichen können und wie viel wir in dem Moment erreicht haben. Es ist immer ein Hilfsmittel, aber es ist nicht der allein bestimmende Impuls, welche Inhalte in der ARD laufen. Es gibt beispielsweise Kulturangebote, die würde ich nicht machen, wenn ich mich nur auf das Massenpublikum fokussieren würde. Es gibt Dokumentationen und Reportagen, wo ich weiß: Da werden nicht so viele Menschen einschalten, aber es geht um die Lebenswirklichkeiten, um alles, was diese Gesellschaft beschäftigt und deswegen kann die Quote hier nicht der Maßstab sein.

Aber müssen Sie sich an der Quote orientieren?
Wille: Wir müssen die Menschen in der Gesellschaft erreichen und die Quote ist das Messinstrument, das wir im Moment haben. Aber es darf nicht zum alleinigen Impulsgeber werden, für das, was wir redaktionell entscheiden und was wir machen.

Ist die Quote ein Impulsgeber?
Wille: Ja, auch – ich muss ja wissen, wie viele Menschen ich erreiche.

Warum taucht das Wort „Quote“ dann kein einziges Mal im Rundfunkstaatsvertrag auf?
Wille: Der Rundfunkstaatsvertrag verlangt von den öffentlich-rechtlichen Anbietern dem Sinn nach Relevanz und Akzeptanz Wir haben den Auftrag, für alle Menschen in dieser Gesellschaft Angebote zu machen, Alt und Jung. Und ich muss wissen: Wen erreiche ich eigentlich? Und wie viele erreiche ich? Um das festzustellen, gibt es wie gesagt die Quote als Hilfsmittel.

Alle ARD-Anstalten betreiben eigene Mediatheken. Ist das benutzerfreundlich?
Wille: Wir schauen uns gerade unsere Mediathekenwelt an, die der ARD, die gemeinschaftlichen Angebote und die Mediatheken der einzelnen Landesrundfunkanstalten. Wir prüfen, wie wir diese benutzerfreundlicher entwickeln können. Unsere Leitfragen sind: Wie findet der Nutzer am schnellsten unsere Angebote und welche Funktionen wünscht er sich vielleicht noch? Das geht bei Personalisierungssystemen los – wir sind in der ARD mitten drin, das zu diskutieren und unsere Mediatheken weiter zu entwickeln.

Und ist es kosteneffizient, so viele Mediatheken zu betreiben?
Wille: Aktuell spiegelt unsere Mediathekenwelt die föderale Struktur der ARD mit den einzelnen Angeboten der Landesrundfunkanstalten – aus denen sich die ARD-Mediathek speist – und der eigenen Mediathek für Das Erste. Die ARD-Telemedienangebote sind für sich genommen kosteneffizient und von der für die Ermittlung des Rundfunkbeitrags zuständigen Kommission bestätigt.

Aber es entsteht für jede einzelne Mediathek ein Aufwand.
Wille: Ich sagte ja: Wir analysieren das gerade: Was ist benutzerfreundlich, was wünscht sich der Nutzer, was müssen wir ändern beim Zugang? – Wir sind da mitten in der Diskussion, da will und kann ich nichts vorweg nehmen.

Finden Sie es fair, dass der Gebührenzahler Renten finanziert, die z.B. im Fall von Dagmar Reim (Ex-RBB-Intendantin, Anm. d. Red) 12.000 Euro monatlich betragen?
Wille: Wie in allen anderen Unternehmen gibt es auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine betriebliche Altersversorgung. Hier verhandeln wir gerade mit den Gewerkschaften über ein völlig neues System, dass die Landesrundfunkanstalten sehr entlasten würde. Auf eine solche Altersversorgung hat – wie in allen anderen Unternehmen – natürlich auch die Geschäftsleitung Anspruch. Die genaue Höhe im von Ihnen angesprochen Fall ist aber Sache des RBB, dazu kann ich mich nicht äußern.

** Der Beitragsservice konnte auf unsere Anfrage hin keine Zahlen nennen, wie viele der Mahnverfahren auf „Unklarheiten, was Zahlpflicht und Befreiungsmöglichkeiten angeht“ basieren. Zitat: „Wir könnten auch nur spekulieren, für wie viele Personen das zutrifft.“

Offenlegung der Intendanten-Gehälter auf den Websites der Rundfunkanstalten der ARD:

NDR Ja http://www.ndr.de/der_ndr/daten_und_fakten/Was-verdienen-die-Mitarbeiter-des-NDR-,ndrdaten189.html
WDR Ja http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/profil/haushaltsrechnung/geschaeftsbericht-100.pdf (S.128)
MDR Ja http://www.mdr.de/unternehmen/zahlen-und-fakten/aufwaende-und-ertraege118.html
Radio Bremen  Ja http://www.radiobremen.de/unternehmen/organisation/veroeffentlichungen/jahresabschluss116.pdf (S.15)
SR Ja http://download.sr-online.de/oeffentlichkeitsbericht/0000_pdf_2015_2016.pdf (S.157)
HR Nein
BR Ja http://www.br.de/unternehmen/inhalt/br-zahlen-mitarbeiter-100.html
RBB Ja http://www.rbb-online.de/unternehmen/der_rbb/zahlenundfakten/zahlen-und-fakten-2016.file.html/zahlen_und_fakten_2016_20160601_komplett.pdf (S.25)
SWR Ja http://www.swr.de/-/id=15908664/property=download/nid=7687068/13gtbap/index.pdf (S. 12)
DW Nein

Update: Die obige Tabelle enthielt in der ersten Version noch zwei Fehler in Spalte 2, diese haben wir nun korrigiert und bitten um Entschuldigung.

[Das Interview entstand am 28.06.2016.]

2 Kommentare zu “Die Quote darf nicht zum alleinigen Impulsgeber werden.”

  1. rene |

    Kommentar gelöscht. Bitte diskutieren Sie den Inhalt des Artikels. Für Hasskommentare, Gewaltaufrufe o.ä. ist hier kein Platz. PI-Redaktion

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  2. Uwe Pompös |

    Zitat: „Und ansonsten ist klar: Das ist eine Abgabe, die nicht wir festgelegt haben, sondern der Gesetzgeber.“

    1. ARD, ZDF und D Radio geben ein Gutachten im Auftrag.
    2. Gutachten über die Finanzierung.
    3. Da weder ARD, ZDF, noch DRadio für die Rundfunkfinanzierung zuständig sind und ihnen somit für die Realisierung die notwendigen Rechte fehlen, ist der rechtliche Status gleich null.
    4. Außerdem, da keine Rechte zur Umsetzung da sind, ist es eine Verschleuderung des Geldes.
    5. Dieses Gutachten wurde später als rechtliche Grundlage!!! für gesetzliche Normen genommen. So haben die LRAs die Entstehung der Staatsverträge am Anfang manipuliert. Manipulation „keine Alternative“. Zu diesem Zweck wurde dieses Gutachten erstellt.

    Gutachten trägt den Namen „G U T A C H T E N über DIE FINANZIERUNG DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS erstattet im Auftrag der ARD, des ZDF und DRadio“.

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