Jörg Pilawa

Fernsehen ist ein Medium, das unterhalten und entspannen soll.

Kaum einer stellt so viele Fragen wie er: Jörg Pilawa hat sich als Moderator von Quiz-Shows fest etabliert, aktuell präsentiert er in der ARD den „Quizduell-Olymp“. Adrian Arab sprach mit Pilawa über die Schwierigkeit, innovativ zu sein, „Mainstreamzuschauer“, Produktionsfirmen von Moderatoren, Quotenanalyse und Selbstversuche im TV.

Jörg Pilawa

© ARD/Uwe Ernst

Herr Pilawa, Sie sagten kürzlich, es gäbe nur wenige Personen, die eine Quiz-Show moderieren können. Welche Fähigkeiten muss ein Quiz-Moderator denn mitbringen?
Pilawa: Er muss Menschen mögen, muss Interesse an ihnen haben. Das unterschätzt man immer, weil man bei Quiz-Sendungen an klare Regeln denkt, bei denen der Moderator nur noch Fragen vorlesen muss. Es sind aber die Zwischenmomente – in der Denkphase oder wenn eine Antwort aufgelöst wird, wenn Kandidaten scheitern oder du sie groß machst – in denen das Gespür für Menschen enorm wichtig ist. Sonst könnte man die Fragen ja auch aus dem Off stellen.

Quiz-Shows sind Ihr Steckenpferd geworden. Reizt Sie eigentlich noch die Moderation anderer Formate?
Pilawa: Ursprünglich komme ich aus den Informationsmedien, habe Magazine und Sport gemacht und mich dann für die Unterhaltung entschieden. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir von den Formaten, die aktuell auf dem Markt sind, keines vorstellen, das ich nicht entweder schon gemacht habe oder in dieser Form unbedingt machen wollte. Da fällt mir keines ein.

Welchen Wunsch würden Sie sich denn noch erfüllen wollen im TV?
Pilawa: Ich wäre glücklich, wenn es mir als Produzent gelingen würde, neue Gesichter im Fernsehen zu etablieren. Durch die Flut an Sendern die Deutschland hat, wird das zunehmend schwieriger. Früher, wenn man zwischen 15 und 30 Millionen Zuschauer am Abend hatte, konnte man durch eine einzige Sendung berühmt werden. Das geht einfach nicht mehr. Heute haben wir Spartensender und klar definierte Zielgruppen, die ihr jeweiliges Programm gucken. Da neue Gesichter reinzubringen ist echt schwer.

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Ein Verjüngungswunsch ist da.

Jörg Pilawa

Sie wünschen sich neue Gesichter. Wie sehr hängen Quiz-Shows und ihre Popularität vom Moderator ab?
Pilawa: Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Sendung ist ein starkes Format. Als Topmoderator kann man ein schlechtes Format nicht gut machen, aber ein Topformat kann man als schlechter Moderator nur schwer kaputt machen. Der Idealfall ist dann etwa „Wer wird Millionär“, wo auf ein erstklassiges Format ein erstklassiger Moderator trifft. Das ist die Königsdisziplin und der Erfolg gibt der Sendung seit 15 Jahren recht.

Ein starkes Format ist also auch auf ein bekanntes Gesicht angewiesen?
Pilawa: Das Gesicht – das beweisen Marktanalysen – ist deshalb wichtig, weil es für den Zuschauer eine Verlässlichkeit bedeutet. Wenn Günther Jauch, Jörg Pilawa, Kai Pflaume oder Thomas Gottschalk im Programm stehen, wissen die Zuschauer schon bevor sie einschalten, was sie erwartet. Das ist wichtig, weil das Fernsehen ein Medium ist, das unterhalten und entspannen soll. Mit einem neuen Gesicht auf Akzeptanz zu stoßen ist deshalb schwer, weil es für den Zuschauer eine Irritation bedeutet.

Irritation kann ja auch positiv sein und für Spannung oder Vorfreude sorgen.
Pilawa: Das kann so sein, aber es kann auch das Gegenteil bedeuten. Es mag ein positiver Impuls sein, zu sagen: Der ist ja interessant, weil er einen netten Dialekt hat oder gut aussieht. Es kann aber auch sein, dass sich der Zuschauer denkt: „Komisch, die Stimme gefällt mir aber nicht“. Bei einem populären Moderator bleibt er dran.

Zuweilen bekommen auch neue Gesichter die große Bühne und schaffen den Durchbruch, wie das Duo Joko und Klaas.
Pilawa: Kollegen wie Joko und Klaas sind extrem anders, eben für eine gewisse Zielgruppe. Jetzt müssen wir uns aber mal vorstellen, die beiden sollten am Samstagabend um 20.15 Uhr in der ARD Programm machen. Die Feuilletonisten und Medienkritiker würden das klasse finden, aber wir müssen bedenken, dass die große Mehrzahl der Zuschauer sogenannte klassische – das meine ich nicht negativ – „Mainstreamzuschauer“ sind. Die könnten mit so einer Sendung nichts anfangen und wären weg. Deshalb müssen die Sender mit sehr viel Fingerspitzengefühl vorgehen, wenn sie neue Gesichter ins Programm heben.

Wenn die Verlässlichkeit so eine große Rolle spielt, können Sie dann noch innovativ sein? Wollen Sie es überhaupt?
Pilawa: Das ist schwer. Wir haben beim „Quizduell“ oder in der Sendung „Spiel für dein Land“ versucht, durch die Einbindung einer App ein technisches Element einzufügen. Aber man muss das realistisch sehen: Wenn fünf Millionen Zuschauer „Spiel für dein Land“ einschalten, dann spielen maximal 200.000 Menschen per App mit. Da darf ich die die 4,8 Millionen Zuschauer, die nicht mitspielen als Programmmacher nicht aus den Augen verlieren. Wenn ich mich nur noch auf die App beziehe sind 4,8 Millionen Menschen nicht interessiert daran. Die wollen nicht mitspielen, sondern fernsehen. Das macht es so schwer, einerseits innovativ zu sein und andererseits nicht jene zu verschrecken und zu verlieren, die nur das Gewohnte sehen möchten.

In einem Interview sagten Sie: „Die Einbeziehung der digitalen Welt taugt nur dann etwas, wenn sie dem großen Teil der Zuschauer, die damit nichts zu tun haben, einen Mehrwert bringt.“ Müsste man nicht umgekehrt auf jene zugehen, die sich vom TV-Medium bereits abgekoppelt haben?
Pilawa: Wenn ich in der digitalen Welt zu Hause bin – ich sehe das bei meinen Kindern –, warum sollte ich plötzlich anfangen lineares Fernsehen zu schauen? Die sind ja gewohnt, ihre digitale Welt zu jeder Zeit um sich herum zu haben.
In meiner Generation war es normal, dass um 20 Uhr die Tagesschau kam und anschließend ein Spielfilm oder eine Show. Das ist in der nächsten Generation anders. Wenn meine Kinder „Schlag den Raab“ oder „Circus Halligalli“ gucken, tun sie das nicht im linearen Programm sondern im Internetstream.

Also keine Verjüngungskur für ARD und ZDF?
Pilawa: Ein Verjüngungswunsch ist da, trotzdem müssen sich die Sender darum kümmern, auch die Kernzuschauer nicht zu verlieren. Einen neuen Moderator zu nehmen und die Sendung dadurch zu verjüngen führt nicht dazu, dass automatisch mehr junge Menschen einschalten.

In Ihrem Buch„Bin ich eigentlich bekloppt“  schreiben Sie, wie Sie einmal zwischen neuem ZDF-Vertrag und dem Wechsel zur ARD hin-und herüberlegten. Warum leisten sich die beiden großen Sendeanstalten mit Gebührengeldern überhaupt so einen Bieterwettstreit?
Pilawa: Es ist die schon genannte Verlässlichkeit, die ich mitbringe. Hinzu kommt, dass ich nicht nur Moderator bin, sondern mir auch als Produzent ein Know-how erarbeitet habe. Mit meiner Firma habe ich mittlerweile über 2500 Quizshows gemacht. Da ist eine Quizkompetenz vorhanden, die sich die Sender in gewisser Weise einkaufen wollen. Leider ist es in Deutschland immer noch so, dass du es als produzierender Moderator schwer hast, für Sender zu produzieren, bei denen du nicht als Moderator auftrittst. In anderen Ländern ist das wesentlich einfach. Aber wir versuchen das trotzdem.

Viele Moderatoren wie z.B. Günter Jauch, Johannes B. Kerner oder Markus Lanz gründen ihre eigenen Produktionsfirmen. Warum war das auch für Sie als Moderator ein notwendiger Schritt?
Pilawa: Uns wird oft vorgeworfen, dass Geldgründe im Vordergrund stünden. Natürlich gründe ich keine Firma, wenn ich jeden Monat Geld mitbringen müsste. Das ist auch legitim. Aber: Wenn ich eine gewisse Zeit moderiert habe, gibt es Redakteure um mich herum, von denen ich weiß wie sie funktionieren – und die wissen wie ich funktioniere. Das geht weiter von der Produktionsebene bis zur Nachproduktion. Irgendwann hatte ich dann ein Kernteam, mit dem ich sowieso alles gemeinsam gemacht habe. Der Schritt, das in einer Firma zu bündeln, lag nah. Dazu kommt ein extreme Verlässlichkeit. Wenn ich eine neue Sendung mit meiner Firma mache, weiß ich wer Producer und Redakteur ist, wer einkauft und wer die Dekoration macht. Wenn ich als Moderator in eine fremdproduzierte Sendung komme, ist von der Maske bis zur Kamera alles Neuland. In meiner Variante kann ich mich ganz auf das Moderieren konzentrieren und muss mich nicht mit vielen anderen Dingen beschäftigen. Mit vielen Kollegen aus meinem Team bin ich von Anfang an unterwegs – wir werden gemeinsam alt.

Die Produktionsfirma Endemol stieg 2011 bei Ihnen ein und hält 51% an Ihrer Produktionsfirma. Warum?
Pilawa: „Rette die Million“, die wir für das ZDF produziert haben, war ein großartiges Format. Die Rechte lagen damals bei Endemol – die Möglichkeit zur Produktion gab es nur durch eine gemeinsame Firma. Wichtig ist auch, dass Endemol alle Formate die wir machen, durch ein weltweites Netzwerk vermarkten kann. Die Sendung „Deutschlands Superhirn“, die wir entwickelt haben, läuft heute in Frankreich, China, und bei FOX in den USA. Damit sind wir die Ersten, die ein ausschließlich deutsches Format nach Amerika verkauft haben. International hätten wir die Sendung nicht verkaufen können, wenn meine kleine Firma „Herr P“ sie entwickelt hätte. Letztlich sind die Synergieeffekte förderlich. Wenn wir als kleiner Produzent eine Idee haben, können wir durch Endemol auch mal einen Pilotsendung produzieren. Das haben wir mit „Die 8 Stufen“ für den NDR gemacht – da gab es nur einen Piloten. Den haben wir unter Mitfinanzierung von Endemol produziert und ihn schließlich nach Argentinien, Brasilien und Chile verkauft. Aus solchen Gründen haben wir uns einen globalen Player an die Seite geholt.

Fließt bei so einem Verkauf ins Ausland auch Geld an den öffentlich-rechtlichen Sender zurück?
Pilawa: Natürlich. Um ein konkretes Beispiel zu nennen. „Das Superhirn“ haben wir für das ZDF gemacht. Alle Lizenzeinnahmen die weltweit generiert werden bekommt zur Hälfte das ZDF. Für den Sender ist das richtig gutes Geld, das mit der im Ausland gesendeten Sendung noch verdient wird. Das ist auch völlig legitim, weil das ZDF mir die Chance gegeben hat, die Sendung zu zeigen. Die Rechte liegen in Deutschland immer bei den Sendern.

Kritiker bemängeln, dass durch die komplette Abgabe von ÖR-Sendungen an private Produktionsfirmen die Produktion der öffentlichen Kontrolle entzogen wird – was man etwa daran sieht, dass Moderatorengehälter geheim bleiben. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Pilawa: Ich weiß nicht, was bei unseren Produktionen intransparent ist. Da ist alles bekannt, mit jeder Produktion durchlaufen wir knallharte, branchenübliche Kalkulationsverhandlungen. Zudem sind private Produzenten wesentlich preiswerter als die Hausinternen.

Die Gehälter sind transparent?
Pilawa: Ja, die kann man einsehen, natürlich.

© ARD/Thomas Leidig

© ARD/Thomas Leidig

In Ihrem Buch beschreiben Sie es regelrecht als Sucht, sich über die Einschaltquoten des letzten Abends zu informieren. Wie kam es zu dieser Sucht?
Pilawa: Die Quote ist die einzige Marke die uns ein direktes Feedback auf das gibt, was wir am Abend vorher getan haben. Deshalb kann ich die Kollegen nicht verstehen, die behaupten, ihnen sei die Quote egal. Die Quote darf unser Programm nicht bestimmen, aber wir müssen als Programmmacher schon gucken, wer eingeschaltet hat.

Sagt sie denn auch etwas über Qualität aus?
Pilawa: Man kann die Quote auch qualitativ lesen und gucken, wann Zuschauer eingeschaltet haben, wann sie umgeschaltet haben. Das geht in 2-Minuten-Schritten. Wenn ich plötzlich erkenne, dass die Zuschauerzahlen in einem Moment in die Höhe gehen ist es legitim, zu analysieren, was interessant war. Falsch wäre es, dann die gesamte Sendung wie in diesem Moment zu gestalten – dann geht die Quote auch wieder runter. Den Zuschauer aber über die Quote ernst zu nehmen, ist Teil meiner Aufgabe.

Dennoch wird die Orientierung der Öffentlich-Rechtlichen an der Quote immer wieder kritisiert.
Pilawa: Ich habe noch keinen Dokumentarfilmer, Nachrichtensprecher oder fiktionalen Programmmacher gesehen, der sich über eine gute Quote beschwert hat. Ich sehe nur, dass niemand auf die Quote gucken möchte, wenn sie schlecht ist. Für mich ist das Ausblenden der Quote der falsche Schritt.

In Ihrer Sendung „Paarduell“ rätselte Frank Plasberg gemeinsam mit seiner Frau Anne Gesthuysen. Würden Sie sich auch mit Ihrer Frau vor die Kamera stellen?
Pilawa: (lacht). Bei Frank (Plasberg) und Anne (Gesthuysen) ist das wesentlich einfacher, da beide Menschen des öffentlichen Lebens sind. Die sind es gewohnt, vor der Kamera zu stehen und wissen genau was sie tun. Ich hätte kein Problem damit, nur weiß ich auch, dass meine Frau keinen Drang hat, vor die Kamera zu gehen. Ich könnte mir gut vorstellen, mit ihr als Gast aufzutreten, aber wenn es darum ginge seriell aufzutreten würde sie vermutlich sagen: „Jörg, ich bin Lehrerin – und das gerne. Lass mich damit in Ruhe“.

Wir sprachen schon über Joko und Klaas die beim jungen Publikum vor allem durch ihre Mutproben populär geworden sind. Wo liegen für Sie die Grenzen dessen, was Sie persönlich vor der Kamera tun würden?
Pilawa: Es stellt sich die Frage, was man vor der Kamera noch alles machen kann. Ich kann mir ja den Mund zunähen, aber was mache ich dann beim nächsten Mal? Ich könnte mir vielleicht noch den Hintern zunähen und die Latte immer tiefer legen. Damit erzeugt man eine Erwartungshaltung.

Mögen Sie denn die Selbstversuche von Joko und Klaas?
Pilawa: Ich finde gut, was Joko und Klaas machen, kann es für mich persönlich aber ausschließen. Mit 50 Jahren muss ich zum Glück vieles nicht mehr machen, in dem Alter erarbeitet man sich gewisse Freiräume. Thomas Gottschalk ist mal bei einer Stadtwette in „Wetten, dass…?“ in Düsseldorf aufgetreten und hat gesagt: „Düsseldorf ist toll, hier habe ich vor 20 Jahren einen Sohn gezeugt“. Das ist ein super Opening, weil es Thomas Gottschalk sagt. Wenn Joko und Klaas in Düsseldorf sagen würden: „Mensch, hier hatten wir den besten Sex unseres Lebens“, würde das wenige interessieren. Genauso lächerlich wäre es, wenn sich Gottschalk den Mund zunähen würde. Du musst dir also die Frage nach deiner individuellen Lebenssituation stellen und für wen du Programm machst. Bei mir wäre wohl niemand angetan, wenn ich mir das Konterfei meiner Frau am Samstagabend auf die Stirn tätowieren ließe. Das will niemand sehen.

Sie sind ehrenamtlicher Botschafter unter anderem für die sozialen Projekte der Aktion Mensch und des World Future Council, werben aber auch für Rügenwalder Mühle oder sind Markenbotschafter für Mercedes Benz. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Engagements aus?
Pilawa: Werbung habe ich einmal in meinem Leben gemacht und tue das seit Jahren nicht mehr. Das war für mich eine gute und wichtige Erfahrung und die Betreiber kenne ich privat sehr gut. Die Familie Rauffus…

…Besitzer des Lebensmittelherstellers Rügenwalder Mühle…
Pilawa: …sind wirkliche Freunde. Ich weiß was das für ein Produkt ist und kann dazu stehen. Beim sozialen Engagement ist mir Nachhaltigkeit wichtig. Deshalb ist es der World Future Council, für den ich mich engagiere, der sich für die Implementierung von Nachhaltigkeit in Afrika einsetzt. Wer eine Person des öffentlichen Lebens ist und somit leicht Gehör findet, muss durch solche Aktionen seine Finger in die Wunde legen und Öffentlichkeit generieren. Wir besuchen alle zwei Jahre ein größeres Projekt im Ausland, bei dem mir als Vater von vier Kindern das Thema Familie wichtig ist. Prämisse allen sozialen Engagements ist für mich die Hilfe zur Selbsthilfe. Irgendwann muss die Hilfe von Organisationen vor Ort getragen werden können.

[Das Interview entstand im Februar 2016.]

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