Hermann Nitsch

Ich bin ein Kirchenmaler ohne Kirche.

Hermann Nitsch über seine Inszenierung von Messiaens "Franz von Assisi", Skandale, Tiere, Religion und seine Kunst der Überwirklichkeit

Hermann Nitsch

© Wilfried Hösl

Herr Nitsch, Olivier Messiaen litt 1981 während der Komposition zu „Saint Francois d’Assise“ unter Depressionen. Erst Besuche der Abendmesse in Sacre Coeur ermutigten ihn, weiter zu schreiben. Wann waren Sie das letzte Mal in der Kirche?
Nitsch: (Überlegt lange) Ich hätte so gern gesagt: „Gestern!“. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.

Sind Sie überhaupt gläubig?
Nitsch: Ja, aber nicht bezogen auf eine bestimmte Religion. Die christlichen Symbole öffnen mir ein Tor zur gesamten Religionsgeschichte. Ich bin in einem christlichen Umfeld erzogen worden, aber ich habe mich mein Leben lang immer auch mit asiatischen Religionen beschäftigt.

Wie zum Beispiel dem Zen-Buddhismus. Was fasziniert Sie daran?
Nitsch: Das Christentum hat vom Buddhismus viele Symbole übernommen: z.B. die Mönche, die fast kahlgeschorenen Köpfe oder auch Glocken und die Klöster. Die Schöpfung, das Sein und die Natur faszinieren mich, genauso wie Religionsarchaik, Kulte und frühe Religionen. Das Leben soll ein Fest sein.

Es heißt, dass Sie sich für Ihre Beerdigung den letzten Satz aus Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 7 wünschen, stimmt das?
Nitsch: Ja. Richard Wagner nannte diese Sinfonie eine „Apotheose des Tanzes“. Dieser letzte Satz hat so viel Kraft.

Glauben Sie an die Auferstehung?
Nitsch: Tod und Auferstehung sind großartige, zeitlose Symbole, die Teil aller Religionen sein sollten. Ich glaube, dass alles immer wiederkehrt. Der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar ist eine großartige Darstellung des Themas: Der geschundene Christus auf der einen Seite, dann dreht man ihn um und sieht den Auferstandenen, und der lacht vor dem Kosmos. Diese Intensität aber ich auch mit meiner Kunst immer gesucht.

Wird Ihre Inszenierung das Münchner Publikum schockieren?
Nitsch: Ich wollte nie schockieren.

Für Ihre Aktionen verwenden Sie Tierblut, wühlen in Gedärmen, schlagen Menschen ans Kreuz und sagen, Sie wollten nie schockieren?
Nitsch: Ich weiß natürlich, dass meine Arbeit etwas auslösen kann. Aber ich suche eben vor allem Intensität.

Im Oktober 2010 gab es hier in München einen großen Skandal wegen eines gehäuteten Rehs in „Rusalka“. Regisseur Martin Kusej wollte ein echtes Tier verwenden. Auf Grund der großen Proteste hat man dann davon abgesehen.
Nitsch: Nikolaus Bachler hat mich am Burgtheater mein Orgien Mysterien Theater mit allem drum und dran machen lassen: Blut, Gedärme, nackte Menschen. Da gab’s auch Proteste.

Warum sind „Grenzüberschreitungen“ am Theater möglich, an der Oper aber nicht?
Nitsch: Oper ist eine der höchsten Kunstformen. Das Sinnliche wird von einer Vergeistigungstendenz verdrängt. Direkt in die blutige Wirklichkeit hineinzugreifen und einen Tierkadaver in die Oper zu bringen, wäre ein Rückschritt in die Anfänge der Menschheit und ihre ersten Kultformen. Alle Kulturträger sind darauf aus, dass man das nicht darf.

Tierschützer sind auch darauf aus. Darf man um der Kunst willen, Lebewesen töten?
Nitsch: Ich habe einmal in Amerika und einmal in meinem Theater in Prinzendorf Tiere geschlachtet, die sowieso zur Schlachtung bestimmt waren und nachher gegessen wurden. Ich habe als Regisseur und Künstler die Schlachtung, die sowieso geschehen wäre, in mein Theater hineingenommen. Ich liebe Tiere, ich habe z.B. zwanzig Pfaue.

Die machen vermutlich einen ganz schönen Krach…
Nitsch: Ach, da gewöhnt man sich dran. Besser Pfaue als Autos.

Würden Sie Menschen opfern?
Nitsch: Die Freiheit der Kunst ist im Grundgesetz verankert. Das ist aber ein sehr holpriges Unternehmen, ich kann ja nicht hingehen und einen im Namen der Kunst erschlagen.
Theoretisch kann für mich alles Kunst sein. Selbst wo Leid verbreitet wird, hört die Kunst nicht auf. Aber da möchte ich nicht hin. Menschen zu opfern verbietet mir mein Gewissen.

Was muss eine Oper, ein Theaterstück haben, damit es Sie reizt?
Nitsch: Ich habe „Hérodiade“ in Wien, die Gandhi-Oper „Satyagraha“ in St. Pölten oder die „Faust Szenen“ in Zürich inszeniert und für einige Ballette die Ausstattung übernommen. Es muss ein Bezug zu meinem eigenen künstlerischen Werk da sein.  Das kann beispielsweise durch eine Verbindung zum Mythos geschehen.

Warum haben Sie nie für die Passionsspiele in Oberammergau gearbeitet? Eine große Bühne, der christliche Bezug…
Nitsch: Dort hätten mich vermutlich die Erzkatholiken gelyncht. (lacht)

Empfinden Sie selbst Ihre Werke als blasphemisch?
Nitsch: Nein. Als ganz junger Mensch wollte ich Kirchenmaler werden. Mich fasziniert die Malerei der großen Meister Michelangelo oder El Greco bis heute enorm. Eigentlich bin ich das auch geworden. Wenn ich jetzt eine große Ausstellung mache, gestalte ich den Ausstellungsraum in einen Tempel oder eine Kirche um. Ich bin ein Kirchenmaler ohne Kirche. Und ohne Religion.

Wer macht eigentlich bei Ihren Aktionen mit? Würden Sie mich nehmen?
Nitsch: Wenn sie’s ehrlich meinen, ja. Es sind meistens Studenten aus bis zu 15 Nationen. Ich habe viel an Kunsthochschulen unterrichtet. Wenn ich heute etwas mache, kommen die Leute aus aller Welt.

Welchen Einfluss nehmen politische…
Nitsch: (unterbricht) Politik ist das Unglück der Welt. Ich beschäftige mich viel mit Philosophie. Ich glaube, dass von dieser Seite mehr Belehrung für die Menschheit in puncto gerechtes soziales Zusammenleben zu erfahren ist als seitens der Politik. Ich bin völlig unpolitisch.

Zitiert

Theoretisch kann für mich alles Kunst sein. Selbst wo Leid verbreitet wird, hört die Kunst nicht auf. Aber da möchte ich nicht hin.

Hermann Nitsch

Religion kann auch zum Unglück der Welt werden, wir erleben das tagtäglich…
Nitsch: Ja, aber nur, wenn sie missbraucht wird.

Dass man als Künstler „unpolitisch“ sei, lässt sich in einer Demokratie natürlich leicht sagen. In Diktaturen sieht das anders aus. Ihr chinesischer Kollege Ai Wei Wei saß bis vor kurzem in seiner Heimat im Gefängnis. Hätten Sie sich für seine Freilassung öffentlich eingesetzt?
Nitsch: Selbst wenn ich noch so sehr fliegen möchte: Wenn ich jetzt zum diesem Fenster dort gehe, meine Arme ausbreite und springe, plumpse ich höchstwahrscheinlich auf die Maximiliansstraße. Es gibt gewisse Dinge, da kann man sich mit großen Gedanken öffentlich in Vordergrund stellen, aber helfen kann man dem wirklich nicht.

Beziehen Sie deshalb in Ihrer Kunst keine Stellung zum politischen Geschehen?
Nitsch: Man kann das machen. Aber es interessiert mich nicht. Meine Kunst hat mit der Überwirklichkeit zu tun, mit dem Sein, dem Lebensextrakt. Nicht mit aktuellen Ereignissen.

Und die Farbe „Rot“, die Sie seit Jahren hauptsächlich verwenden, spiegelt für Sie all das wieder?
Nitsch: Ich kann nicht sagen, dass Rot die schönste Farbe ist, aber sie ist die Intensivste. Rot ist die Farbe des Blutes und „Blut ist ein ganz besonderer Saft“.

…sagt Goethes Mephisto zu Faust…
Nitsch: Da geht es um Leben und Tod. Wenn zu viel Blut austritt, müssen wir sterben.

Wenn nicht Rot, welches ist denn nun die schönste Farbe?
Nitsch: Alle Farben.

Sie selbst sieht man aber immer nur in schwarz.
Nitsch: Ja, ich trag‘ nur schwarz. Seit Anfang 20 bin ich ein begeisterter Anhänger von Stefan George. Der hatte einen Jünglingskreis um sich herum, er war ja homosexuell. Die haben sich wie Priester gefühlt, ein bisschen wie eine Sekte. Für Klimt war die Kunst ja auch eine Art Priestertum, daher kommt das schwarz. Vielleicht ist schwarz die schönste Farbe.

Haben Sie mal über den Priesterberuf nachgedacht?
Nitsch: Ein Künstler ist eine Art Priester, aber ohne an eine Religion gebunden zu sein. Denken Sie nur an die großen Kreuzigungsdarstellungen von Tintoretto in Venedig, an die Rembrandt-Radierung „Die drei Kreuze“ mit dem unglaublichen Spiel von hell und dunkel. Oder die Passionen von Johann Sebastian Bach oder Heinrich Schütz. Das ist  doch auf viel höherem Niveau, als diese naturalistischen Volkssachen in Oberammergau.

Olivier Messiaen hat in seiner Kindheit viel gelesen. Besonders fasziniert haben ihn Märchen und die Werke William Shakespeares, wie z.B. „Macbeth“…
Nitsch: Wo ihn die böse Frau ins Unglück hineinreitet. Die Lady Macbeth hat ihn doch angestiftet! Er hat das alles ihr zu liebe gemacht,  weil sie ihm das eingeredet hat.

Wurden Sie auch schon mal von einer Frau ins Unglück getrieben?
Nitsch: Nur im positiven Sinn. Die Frauen um mich haben mich immer sehr unterstützt und mir geholfen.

Ich wollte eigentlich fragen, was Sie als Kind gelesen haben?
Nitsch: Auch Märchen, Karl May natürlich und viele Revolverromane! Dann ging’s aber schnell: Mit 15 Jahren haben mich schon die Philosophen interessiert, vor allem die Entwicklung von Arthur Schopenhauers Weltverneinung hin zur Lebensbejahung Friedrich Nietzsches. Ich habe die ganze Weltliteratur durchforstet und mich immer sehr für Lyrik interessiert. Musik war aber immer genau so wichtig für mich.

Hören Sie Musik beim Malen?
Nitsch: Ich höre meistens Musik beim Schreiben. Und ich kann was, das kann niemand: Fremde Musik hören und gleichzeitig komponieren

Ohne abgelenkt zu sein?
Nitsch: Als junger Kunststudent  habe ich immer in der kleinen Küche meiner Mutter gemalt. Nebenher ist das Radio gelaufen und meine Mutter hat ununterbrochen auf mich eingeredet. Da bin ich so robust geworden, dass ich heute zwei oder drei Sachen gleichzeitig machen kann. (lacht)

Gab es eine Initialzündung musikalischer oder literarischer Art, die Ihr Leben beeinflusst hat?
Nitsch: Ja, ich habe einmal ein wunderbares Konzert in Wien gehört. Karl Böhm dirigierte die späten Mozart-Sinfonien, u.a. die g-moll Sinfonie und die Jupiter-Sinfonie. Da bin ich drauf  gekommen, dass es noch was anderes gibt als Schlager und Operette.

Messiaen war Synästhetiker, der sowohl bei Klängen Farben sah, als auch bei Farben Klänge hörte. Spielt das in Ihrer Inszenierung eine Rolle?
Nitsch: Ich möchte nicht so viel über die Inszenierung an sich sprechen, das muss man sehen.
Aber der Engel beispielweise wird projiziert und es laufen Farbskalen durch, wo ich schon eine Verbindung zu den Klängen sehe. Es wird aber nicht so sein, dass ein Farbton einer bestimmten Note entspricht. Für mich bedeutet Synästhesie eine Fülle von Möglichkeiten zusammen zu bringen, die die Natur so oft nicht mehr bieten kann.

Das heißt, es gibt für Sie keine „Leitmotive“ innerhalb der Farbschemata?
Nitsch: Beim nächsten Mal vielleicht. Wenn ich einmal den „Parsifal“ mache.

Ist denn ein „Parsifal“ geplant?
Nitsch: In Wien hatte man ihn mir schon zugestanden, dann gab’s politische Umwälzungen und Ioan Holender hatte die Hosen voll. Nikolaus Bachler würde ihn mir gerne geben, aber es gibt ja einen am Haus von Peter Konwitschny.

Wenn Sie in die Oper gehen, welchen Inszenierungsstil bevorzugen Sie? Konservativ oder provokant?
Nitsch: Einen Inszenierungsstil, der dem Autor und Komponisten dient. Es ist ja schon großartig, wenn man auf einem Plakat gewarnt wird: „von Friedrich Schiller“ oder „nach Friedrich Schiller“. Die meisten schreiben’s ja nicht mal hin! Diese sogenannten modernen Regisseure sollen  von mir aus selber Stücke schreiben aber nicht unsere Klassiker verhunzen.

Welche Klassiker sind für Sie vollkommen?
Nitsch: Ich habe einmal Tristan und Isolde in Bayreuth gehört. Das ist herrlichstes Menschenwerk.
Auch die späten Beethoven-Streichquartette, die „Herzgewächse“ von Schönberg. In der Kunst die „Judenbraut“ von Rembrandt und die „Pietà Rondanini“ von Michelangelo!

Und den Bart tragen Sie aus philosophischen Gründen? Sieht ein bisschen aus wie Sokrates.
Nitsch: Seine Philosophie ist nicht die meine. Ich hab mir immer gedacht, wenn ich mal älter werde, dann lasse ich mir so einen Bart wieder wachsen. Dieser stammt von der Documenta 1982.

Herr Nitsch, wenn Sie noch eine Frage stellen könnten, welche wäre das?
Nitsch: Ihre Leibspeise möchte ich wissen.

Zitronenspaghetti mit Champignons in Weißweinsoße mit Salat.
Nitsch: Ich esse am liebsten Schweinsbraten. Mit Kraut und Kruste, durchzogen mit Fett. Und ein wunderschöner Saft, wo so Fettaugen drin schwimmen. Den gehe ich heute Abend essen.

Hermann Nitsch, geboren 1938 in Wien, gilt als einer der wichtigsten Maler und Aktionskünstler Österreichs. Nach seiner Ausbildung an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien sorgte er in den 60ern mit sogenannten „Schüttbildern“ für mehr

2 Kommentare zu “Ich bin ein Kirchenmaler ohne Kirche.”

  1. truthforyou |

    Perverse Verrohung und dekadenter Sadismus

    http://youtu.be/0_Z1x3fmCEY

    Solch dekadentes, sadistisches Treiben hat nichts mit Kunst zu tun und darf auch nicht unter Kunstfreiheit gestellt werden! Es ist meiner Meinung nach das Produkt eines kranken, perversen Geistes. Wenn die Gesellschaft beginnt, sowas zu tolerieren, was wird dann als nächstes kommen? Ich will es mir nicht ausmalen müssen… Im Grunde sind das Straftaten, da sie klar gegen das geltende Tierschutzgesetz verstoßen!

    Antworten
  2. truthforyou |

    Perverse Verrohung und dekadenter Sadismus

    Hermann Nitsch legt Wert darauf, daß die Tötung der Tiere durch gesetzmäßige Schlachtungen erfolgt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

    Wie sich aus den Ankündigungen, aber auch den Fotos der beiliegenden Einladung ergibt, sind an den frisch und nur zu diesem Zweck getöteten Tieren Vorgänge geplant, die deren anschließenden Verzehr ausschließen. Es ist z.B. \\\“ekstatisches Trampeln\\\“ auf Tierlungen, Fleisch und Gedärmen frisch geschlachteter Tiere geplant, aber auch im Zuge von Nachstellungen von Kreuzigungen das Bedenken von lebenden Menschen mit frischem Blut und noch warmen, weil von frisch getöteten Tieren stammenden, Innereien. Dem \\\“Künstler\\\“ liegt offensichtlich auch an einer Affinität seines Theaters zu sexuellen Belustigungen und werden auch hiezu Religion und Tiere sowie die mit diesen verbundenen Werte mißbraucht.

    Hermann Nitsch will (wie schon öfter) kübelweise frisches, noch warmes Blut auf vor allem weiße Flächen schütten, um damit –was auch immer – darstellen zu wollen, jedenfalls nicht um dieses Blut anschließend zum Zwecke der \\\“Fleischgewinnung\\\“ zu verzehren oder verzehren zu lassen.

    Im Zuge der Veranstaltung sollen Kreuzigungen nachgestellt, also Parallelen zum Christentum gezogen werden. Die Gekreuzigten werden hiebei mit Innereien und Blut frisch und extra hiefür geschlachteter Tiere überhäuft. Der vermeintliche Künstler will damit \\\“das Opfer Christi\\\“ vergegenwärtigen. In der diesbezüglichen Einladung werden – wohl um der ganzen Sache einen seriösen oder gar mystischen Touch zu geben – völlig aus dem Zusammenhang gerissen, Namen aus der griechischen Mythologie herangezogen, ägyptische und indische Götternamen zitiert und ähnliches, dies alles im Zusammenhang mit der Verballhornung des Ritus einer christlichen Messe.

    In diesem Zusammenhang plant Hermann Nitsch \\\“Beschüttungsaktionen, Ausweidungsaktionen und Kreuzigungsaktionen\\\“. Dazwischen spielen Streichquintette, später beginnt dann ein \\\“meditatives Begreifen der Nacht\\\“ (?), samt \\\“Schauen auf den Sternenhimmel\\\“.

    Für den 07.08.1998 plant Hermann Nitsch die Abhaltung einer – wie er es nennt – messe, die sich während der Eucharistie in ein orgeastisches Abreaktionsfest verwandeln soll. Hiebei werden wieder Tiere geschlachtet und ausgeweidet und sollen sodann \\\“exzessive Aktionen mit Tierkadavern\\\“ folgen. Akteure sollen sich in Blut, Fleisch und Gedärmen balgen, Fleisch und Tierkadaver zerreißen.

    Es liegt daher wohl eine Anstiftung, Aufforderung und Gutheißung im Sinne des § 282 zur bzw. der Tierquälerei gemäß § 222 je des Strafgesetzbuches vor, indem in einem Druckwerk, daß einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, die Teilnahme an einem \\\“Orgien Mysterien Theater\\\“ beworben wird, da offensichtlich Tiere vorsätzlich roh mißhandelt (weil sie nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Zwecken geschlachtet werden) oder ihnen auch im Hinblick darauf, daß die zur reinen Belustigung geplanten Tötungen dem anwendbaren Niederösterreichischen Tierschutzgesetz zuwiderlaufen, unnötige Qualen zugefügt werden sollen.

    Gemäß Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (Foregger, Novakovsky, 1981) ist für diese Mißhandlung eine Schmerz- bzw. Unlustempfindung der Tiere nicht erforderlich, sondern geht es vielmehr um den Schutz der gesellschaftlichen Wertvorstellung zum Schutz der Tiere.

    Setzt man das geplante Verhalten, insbesondere dessen ausmaß, Publizität und Intensität der gegen die Tiere und die christliche Religion und daher auch gegen von diesen repräsentierten Werte zu setzenden Handlungen in Verhältnis zu oben dargelegten Fehlen jeglichen vernünftigen und berechtigten Zweckes. So kann nur auf eine gefühllose Gesinnung des Hermann Nitsch geschlossen werden, aus der sich letztlich auch dessen Strafbarkeit ergeben wird.

    Im vorliegenden Fall sollen ganz eindeutig Tiere entweiht und entwürdigt werden. Mag das Motiv des lebenserhaltenden Interesses der Menschen die Schlachtung eines Tieres allenfalls rechtfertigen, so trifft dies auf die Tötung im Rahmen des Orgien Mysterien Theaters nicht zu! Hiebei sind nämlich die allgemeinen Wertvorstellungen des Durchschnittsmenschen also das des durchschnittlichen Österreichers heranzuziehen. Für diesen ist jedoch die mutwillige Tötung von Tieren allein zum Zwecke der Unterhaltung nicht gerechtfertigt und keinesfalls sozial adäquat.

    Es ist von Hermann Nitsch offensichtlich geplant, daß im Zuge der artfremden Verwendung der Tierteile entgegen dem § 188 des Strafgesetzbuches religiöse Lehren des Christentumes herabgewürdigt werden sollen, bzw. entgegen dem § 282 des Strafgesetzbuches zu dieser mit Strafe bedrohten Handlung aufgefordert und diese gutgeheißen wird, indem in einem Druckwerk, das einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, die Teilnahme an seinem \\\“Orgien Mysterien Theater\\\“ bewirbt.

    Die geplante Tötung der Tiere ist jedenfalls ungerechtfertigt, unnötig und mutwillig und dient rein kommerziellen und egozentrischen Zielen und Zwecken. Hermann Nitsch rechnet mit bis zu 1.500 Teilnehmern. Das Teilnehmerentgelt beträgt rund S 7.000,- pro Person, sodaß mit Umsätzen von ca. 10.000.000,- zu rechnen ist!!

    Auch diese kommerzielle Seite ist im Hinblick auf die Strafbarkeit sämtlicher oben dargestellter Delikte auch im Hinblick auf die Öffentlichkeitswirkung die Hermann Nitsch in den Medien erzielt, aus generalpräventiven Gründen von höchster Relevanz, da auch sie das Mißverständnis des Zweckes des Übertretungen zu einer allfälligen Rechtfertigung aufzeigt.

    Grundsätzlich stellt jede Tötung eines Tieres als absoluter nicht rückführbarer Eingriff eine Tierquälerei im Sinne des § 222 des Strafgesetzbuches dar. Die von der Rechtsordnung diesbezüglich geschaffenen Rechtfertigungs- und/oder Entschuldigungsgründe wird Hermann Nitsch, wenn er sein Orgien Mysterien Theater so wie von ihm geplant durchführt, bei weitem überschreiten.

    Jedenfalls liegen aber verwaltungsrechtliche Übertretungen des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes vor: Tiere werden nicht zu den vom Gesetz determinierten Zwecken getötet, sodaß die entsprechenden Sanktionen zu ersetzen sein werden.

    Jedenfalls wird Hermann Nitsch durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stören und daher insbesondere gegen § 31 des Sicherheitspolizeigesetzes verstoßen. …

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.