Harald Heker

Ich gebe gern zu, dass die GEMA nicht unkompliziert ist.

GEMA-Chef Harald Heker über den Schutz des Urheberrechts, den Streit mit Youtube, das Image der GEMA, Reformbedarf und wie seine Mitarbeiter nach Gebührenprellern suchen

Harald Heker

© GEMA/Jochen Zick

Herr Heker,  wie ist es nach Meinung der GEMA derzeit um das Urheberrecht bestellt?
Harald Heker: Nach unserer Meinung ist es derzeit nicht gut darum bestellt. Wir erleben eine gesellschaftliche und rechtliche Entwicklung, die dazu tendiert, den Wert des geistigen Eigentums zu missachten, möglicherweise sogar das Urheberrecht ganz abzuschaffen.

Worauf beziehen Sie das konkret?
Heker: Der aktuelle Anlass, der mittlerweile ja auch gar nicht mehr so aktuell ist, ist das Internet. Und die Gewöhnung der Nutzer daran, sämtliche Inhalte kostenlos nutzen zu können. Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Politik bisher nicht genug unternommen hat, um dieser gesellschaftlichen Entwicklung entgegenzutreten und darauf hinzuweisen, dass der Wert des geistigen Eigentums im Grunde eine der Existenzgrundlagen unserer modernen Industriegesellschaft ist.

Auch die Musikindustrie gibt heute dem Internet die Schuld, doch die hat früher auch schon Alarm geschlagen und die Einführung der Leerkassette als große Gefahr dargestellt. Ganz ehrlich: Wie viel des Problems ist Ihrer Meinung nach hausgemacht?
Heker: Die Behauptung, die Musikindustrie sei selbst schuld, kann ich nicht kommentieren, weil ich eine völlig andere Auffassung habe. Ich möchte denjenigen sehen, der in der Lage ist, einem Geschäftsmodell, bei dem derselbe Inhalt nichts kostet, ein wie auch immer geartetes Bezahlmodell entgegenzusetzen. Das ist sehr, sehr schwierig. Und immer der Musikindustrie vorzuwerfen, sie habe nicht genug nachgedacht, greift meiner Meinung nach zu kurz, da wir ja sehen, wie es nach und nach auch andere Medienbereiche – seien es Zeitschriftenverleger, die Filmindustrie oder die Buchindustrie – sehr, sehr schwer haben, einem Konkurrenzmodell, das am Markt mit Nullpreisen operieren kann, etwas wirksam entgegenzusetzen. Und da kann letztendlich nur der Gesetzgeber – sei es national oder international – für Abhilfe sorgen.

In einem Interview sagten Sie, dass es noch keine funktionierenden Geschäftsmodelle gibt, mit denen sich dieser Trend im Internet umdrehen lassen könnte. Woran liegt das?
Heker: Das liegt eben genau an diesem Punkt. Und das liegt weiterhin auch daran, dass sich diejenigen, die mit dem Internet Geld verdienen – nämlich die großen Netzbetreiber und Plattformbetreiber wie beispielsweise Rapidshare  – weitgehend weigern, ihre Rolle in diesem Bereich anzuerkennen und für die Inhalte, die sie auf ihren Plattformen bereit stellen, angemessen zu bezahlen.

Wie würde Ihrer Meinung nach ein funktionierendes Geschäftsmodell im Internet aussehen?
Heker: Das sähe so aus, dass gerade die Betreiber von solchen Onlineplattformen zur Zahlung einer angemessenen Vergütung verpflichtet werden – an all diejenigen, die ihr geistiges Eigentum auf dieser Plattform zur Verfügung stellen.

Die Verhandlungen mit Youtube haben Sie kürzlich abgebrochen und das Streamingportal aufgefordert, 600 von der GEMA vertretene Titel zu sperren. Wie weit würden Sie gehen, wenn Youtube nicht einlenkt, würden Sie dann letztlich statt der bisher 600 sogar alle durch die GEMA vertretenen Titel sperren lassen?
Heker: Wie weit wir gehen werden, das hängt jetzt vom Verhalten von Youtube ab, ob sie die 600 Titel entfernen oder nicht. Es ist aber  ganz sicher nicht unser Ziel, den Youtube-Usern oder auch den Musikautoren zu schaden, in dem wir die Plattform still legen.

Haben nicht die Künstler im Fall einer Sperrung  ihrer Werke das Nachsehen, weil eine wichtige Promotion-Plattform verloren geht?
Heker: Die Künstler, deren Werke die GEMA zur Sperrung bei Youtube eingereicht hat, haben ausdrücklich ihre Zustimmung zu dieser Aktion gegeben. Natürlich ist Youtube für die Künstler eine wichtige Marketing-Plattform. Dennoch ist es Fakt, dass Youtube im Rahmen von kommerziellen Content, wie Musikvideos, sehr hohe Werbeeinnahmen generiert. Bislang leider, ohne die Musikautoren angemessen zu beteiligen.
Von einem Verlust der Promotion-Plattfom Youtube kann auch nicht die Rede sein. Schließlich bedeutet die Sperrung von 600 Werken unterschiedlicher Musikautoren im Vergleich zum millionenfachen Angebot weder eine spürbare Einschränkung der User noch eine Beeinträchtigung der diese Aktion unterstützenden Musikautoren.

Was halten Sie denn von dem Konzept einer Kulturflatrate, bei der die Nutzung urheberrechtlich geschützter Musik durch einen Pauschalbetrag abgegolten werden soll?
Heker: Gar nichts. Das wäre, glaube ich, der Offenbarungseid unserer Gesellschaft, wenn zukünftig mit einer Flatrate á la GEZ-Gebühr alle Kreativität in diesem Land abgegolten werden soll.

Was wäre die Alternative?
Heker: Die Alternative bestünde darin, dass diejenigen, die im Internet geschäftlich aktiv sind, für das, was sie dort anbieten auch bezahlen. Genauso wie sie für ihre Technik und die Miete ihrer Büroräume bezahlen.

Die GEMA genießt in der Öffentlichkeit nicht den besten Ruf. Woran liegt es, dass die GEMA so häufig angefeindet wird – ist sie doch eigentlich dazu da, für eine gerechte Bezahlung der deutschen Künstler zu sorgen?
Heker: Ja, aber die Frage ist, ob derjenige, der bezahlen soll, das ebenso empfindet. Wenn man sich anschaut, in welchen Bereichen die GEMA für die Urheber tätig ist, konzentriert sich die teilweise geäußerte Unzufriedenheit im Grunde auf einen relativ überschaubaren Bereich. Niemand hat zum Beispiel ein Problem damit, dass die GEMA entsprechende Verhandlungen mit der Schallplattenindustrie führt und die Urheber und Komponisten für jede CD einen entsprechenden Anteil bekommen. Niemand hat ein Problem damit, dass die GEMA mit den Rundfunk- und Fernsehanstalten über die Vergütung für Urheber in diesem Bereich spricht.

Zitiert

Wir erleben eine gesellschaftliche und rechtliche Entwicklung, die dazu tendiert, den Wert des geistigen Eigentums zu missachten.

Harald Heker

Und wie sieht es bei Live-Aufführungen aus?
Heker: Wir haben kein Problem damit, mit professionellen Veranstaltern über die entsprechenden vertraglichen Regelungen zu diskutieren. Der Unmut konzentriert sich auf den gemeinnützigen oder semiprofessionellen Bereich. Das Gesetz sieht vor, dass auch bei Veranstaltungen in Vereinsheimen oder auf dem berühmten Feuerwehrball für Musik gezahlt werden muss. Und hier herrscht noch, besonders wenn wir über ehrenamtliche Strukturen sprechen, ein relativ großes Unwissen. Als Ergebnis haben wir hier eine Petition – mit der wir uns in den kommenden Wochen intensiv beim Deutschen Bundestag beschäftigen werden – die deutlich machen soll, was die GEMA noch tun kann und wofür sie da ist. Sie ist ja für eine gute Sache da: für die Urheber. Dieses Verständnis bei denjenigen zu wecken, die letztendlich zur Zahlung verpflichtet werden, ist eine schwierige Aufgabe, der wir uns stellen und bei der wir möglicherweise noch mehr tun müssen als in der Vergangenheit.

Ein „Spiegel“-Artikel dokumentierte unlängst, wie ein Künstler durch die Republik tingelt und seine Werke Monat für Monat in einem anderen Bundesland vor nur wenigen Zuschauern aufführt und damit das auf nationale Verbreitung angelegte GEMA-System austricksen kann. Gibt es also Schlupflöcher, mit denen man auch als nicht im klassischen Sinne erfolgreicher Künstler viel Geld von der GEMA bekommt?
Heker: Das ist ein Thema, mit dem wir uns seit Jahrzehnten intensiv beschäftigen und wo wir ständig gefordert sind, solche Schlupflöcher zu schließen. Die GEMA ist darauf angewiesen, dass diejenigen, die die Musikveranstaltungen durchführen, diese bei der GEMA melden. Wenn sie keine Meldung bekommt, kann sie auch keine Rechnung schreiben. Wer dann die entsprechende Meldung macht und wer dann die entsprechende GEMA-Ausschüttung kassiert, ist für uns nicht in jedem Einzelfall zweifelsfrei nachvollziehbar. Und da gibt es tatsächlich solche Schlupflöcher, die aber einen relativ überschaubaren Anteil an dem ausmachen, was die GEMA ansonsten erwirtschaftet.

Viele Kritiker sehen die GEMA als reformbedürftig. Wie wird das Thema „Reform“ intern behandelt?
Heker: Ich glaube, sehr offen. Wie bei jeder größeren Organisation gibt es natürlich unterschiedliche Interessen. Wir haben zum Beispiel Verleger, Komponisten und Textdichter im Verein GEMA unter einem Dach. Und dieser Verein GEMA ist demokratisch organisiert, das heißt, dass Reformen mit den Mitgliedern diskutiert werden müssen und dann auch in einer Hauptversammlung entsprechende Mehrheiten geschaffen werden müssen. Und das ist natürlich ein langwieriger Prozess, weil er demokratisch ist. Anders als bei einem Wirtschaftsunternehmen, das alleine entscheiden kann, wie es sich verhält.

Wo sehen Sie persönlich Reformbedarf?
Heker: Wir haben ja vorhin bereits über das Thema gesprochen, wie das Verständnis im semiprofessionellen oder Laienbereich ist, was die Rolle und Funktion der GEMA angeht. Hier haben wir schon Einiges unternommen, werden aber auch in den kommenden Jahren noch mehr unternehmen, um deutlicher herauszustellen, warum die GEMA auf sie zukommt, warum es richtig ist, dass für Musik auch eine angemessene Vergütung entrichtet werden muss. Hier haben wir noch viel zu tun.

Wenn eine junge Band sich überlegt, Mitglied der GEMA zu werden, ist sie mit einer Fülle von Formularen, Regelwerken und unzähligen Seiten konfrontiert. Warum machen Sie es Musikern so schwer, die GEMA zu verstehen und von ihr zu profitieren?
Heker: Ich gebe gern zu, dass die GEMA nicht unkompliziert ist. Wenn Sie sich aber anschauen, wie kompliziert der Musikmarkt und die Nutzung von Musik sind, dann folgt das durchaus einer bestimmten Logik. Das ist bei einem Plattenvertrag, den ein Künstler mit einem Label schließt, auch nicht anders. Auch dieser Vertrag ist sehr umfangreich, weil Musik eben in ganz vielen unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt werden kann. Der Urheber muss uns ja sagen, wie er es denn gerne von der GEMA hätte. Welche Rechte überträgt er uns? Welche Rechte behält er für sich? Und und und … Das ist nicht unkompliziert, es ist aber der Situation geschuldet, dass das Musikgeschäft sehr heterogen ist.

Der GEMA-Verteilungsschlüssel sieht u.a. vor, dass 60-minütige Orchesterkonzerte mit 1.200 Punkten und ein 3-Minuten-Popsong hingegen mit gerade einmal 12 Punkten bewertet werden. Das bedeutet also, dass die klassische Rockband nicht wirklich viel von der GEMA bekommt?
Heker: Diese Punktierung ist das eine. Das andere aber ist, wenn diese kleine Rockband, die ihre eigenen Songs in einem Club spielt, nur das bekäme, was der Veranstalter für dieses Konzert an die GEMA zahlt. Das wäre erheblich weniger, als das, was er tatsächlich von der GEMA bekommt. Die GEMA sagt in diesem Zusammenhang nicht „Das, was für dieses entsprechende Konzert eingenommen worden ist, wird nach Abzug der Verwaltungskosten an das Mitglied ausgeschüttet“. Hierfür haben wir ein anderes Punktsystem, in dem Bezug auf den Veranstaltungsort und die Veranstaltungsgröße genommen wird. Und nach diesem Punktsystem wird der junge Künstler, der noch nicht so viele Zuschauer hat und der in einem kleineren Saal spielt, besser gestellt, als wenn er lediglich auf die Einnahmen verwiesen wird, die in seinem konkreten Konzert erwirtschaftet worden sind.

Kleine Clubs müssen Pauschalabgaben an die GEMA leisten und beklagen sich oft, dass sie sich dadurch zum Teil keine Live-Musik mehr leisten können. Oder die Gebühren werden auf die Eintrittspreise für das Publikum aufgeschlagen. Finden Sie das fair oder sehen Sie das als Problem?
Heker: Ich glaube, es ist doch ganz normal, dass ein Kaufmann, der einen Club betreibt, in dem er Musik spielt oder spielen lässt, die angemessene Vergütung dafür entrichtet. Die Musik ist für ihn ein Mittel, seinen Umsatz zu steigern. Die GEMA bietet gerade in diesem Bereich sehr, sehr günstige Tarife an, die es jedem Clubbetreiber, der seinen Club mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt, ermöglicht, Musik spielen zu lassen. Wir reden hier über Beträge ab 20,00 Euro für einen Veranstaltungsabend in einem kleinen Veranstaltungsraum. Wenn das ein Grund ist, zu sagen „Ich kann meinen Club nicht betreiben“, dann hat der Clubbetreiber ein anderes Problem als die wenigen Euro, die er an die GEMA zahlt.

Es gibt das Spukgespenst GEMA, das sich in Veranstaltungen reinschleicht, um zu überprüfen, ob hier unangemeldet geschützte Musik gespielt wird. Welche Methoden hat die GEMA wirklich, um Urheberrechtsverletzern auf die Spur zu kommen?
Heker: Die GEMA schaut regelmäßig im Internet und in Tageszeitungen nach, welche Veranstaltungen mit GEMA-pflichtiger Musik wo stattfinden. Das gleicht sie mit den Anmeldungen ab, die zum Stichtag vorliegen. Und wenn sie dann feststellt, dass eine Veranstaltung nicht angemeldet ist, schreibt sie dem Veranstalter einen Brief, in dem steht „Wir haben in der Zeitung xy gelesen, dass die und die Veranstaltung bei dir stattgefunden hat. Stimmt das?“ Und dann schreibt der Veranstalter „Stimmt, habe ich vergessen, bei euch anzumelden.“ Oder er sagt „Nein, die Veranstaltung wurde abgesagt.“ Das ist das eine. Das andere ist, dass es durchaus Musiknutzer gibt, die permanent versuchen, die Bezahlung von GEMA-Lizenzen bewusst zu umgehen. Wenn wir wissen, dass wieder eine Veranstaltung bei einem solchen Zahlungsverweigerer stattfindet, dann kann es im Einzelfall durchaus sein, dass die GEMA vor Ort präsent ist, um zu schauen, ob die Veranstaltung stattfindet oder nicht.

Wie viele Mitarbeiter kümmern sich denn um die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen?
Heker: Etwa 200. In ganz Deutschland.

Sie sind ein klassisch ausgebildeter Rechtsanwalt – wie viel Musiker steckt in Ihnen?
Heker: Eine Menge. Sonst wäre ich gar nicht in der Lage, dieses Geschäft für die Urheber mit der notwendigen Begeisterung zu betreiben. Mein beruflicher Werdegang war immer geprägt durch die Zusammenarbeit mit Urhebern, ob es jetzt Filmschaffende, Buchautoren, Zeitschriftenautoren oder jetzt Komponisten und Texter sind. Die Zusammenarbeit mit Kreativen ist für mich unglaublich bereichernd und macht mir sehr viel Freude. Insofern fühle ich mich bei der GEMA bestens aufgehoben.

Sind Sie selbst Musiker?
Heker: Nein, aber ich liebe und höre Musik täglich. In den Konzertsälen dieses Landes werden Sie mich immer finden.

Dr. Harald Heker (*1. März 1958 in Essen) studierte Rechtswissenschaften an der Universität München und promivierte 1988 zum Dr. jur. an der Universität Freiburg. Im Anschluss war er bis 1990 als Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Instituts für mehr

Ein Kommentar zu “Ich gebe gern zu, dass die GEMA nicht unkompliziert ist.”

  1. DownLoader |

    Verlogene Argumentation

    Dr. Hekler geht es nicht um die Urheber und deren geistiges Eigentum. Ihm geht es um die Pfründe der Musikindustrie, die sich den Löwenanteil an den Einnahmen aus Musik und literatur in die Tasche steckt. Für mich ist Dr. Hekelr in die gleiche Schublade zu stecken wie einschläge Abmahnanwälte, die ihr tun als Geschäft erkannt haben und mit dem Gesetz begründen. Herr Hekler tut gut daran, sich nicht so oft unters Volk zu mischen. Wenn ihn jemand erkennt, muss er schon damit rechnen, verprügelt zu werden.

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