Guillermo del Toro

Du brauchst keine gute Regierung, sondern eine gute Bevölkerung!

Regisseur Guillermo del Toro über seine Faszination für Comics, seine Comic-Verfilmung "Hellboy" und ob Superhelden die Welt verändern könnten

Guillermo del Toro

© Columbia Tristar

Herr del Toro, wenn Sie unterwegs sind, haben Sie da Comichefte in Ihrer Reisetasche?
del Toro: Ja, ich habe einige Comichefte, die ich letzte Woche in Spanien gekauft habe und hier in Berlin habe ich in dem wundervollen Comicshop am Checkpoint Charlie einen ganzen Stapel "Donald Duck"-Hefte gekauft, einige französische Comichefte und zahlreiche deutsche Independent-Comics, die ich sehr schätze.

Ein sehr bekannter deutscher Comicheld, der sehr kleingewachsen ist und kontinuierlich ohne Kleidung herumläuft, ist "Das kleine Arschloch" von Walter Moers. Kennen Sie diesen Comic?
del Toro: Nein, aber das klingt sehr vielversprechend. Ich werde im Comicladen mal danach schauen. Und der trägt niemals Klamotten? Echt strange!

Nach Ihrem Kinofilm "Blade 2" haben Sie die in der Comicszene berühmten und geschätzten "Hellboy"-Comics von Mike Mignola in einer Realverfilmung zum Leben erweckt. Ist Mignola zufrieden mit dem Ergebnis?
del Toro: Ja, er ist sehr zufrieden mit meiner Arbeit! Bei der ganzen Zusammenarbeit mit Mike gab es niemals ein "Ich", sondern immer ein "Wir". Es war mir sehr wichtig, ihn von Anfang an in die Entstehung des Filmes einzubeziehen, denn ich wollte das Universum, dass er durch seine Comics geschaffen hat, nicht zerstören oder auf falsche Weise wiedergeben. Wir haben zusammen am Drehbuch gearbeitet und sehr oft über die Geschichte gesprochen. Er inspirierte mich immer wieder mit seinem unfassbar großen Ideenreichtum. Ohne seine Mitarbeit wäre der Film niemals zu dem geworden was er jetzt ist!

Wünschen Sie sich gelegentlich anstatt in der realen Welt in einer Comicwelt zu leben?
del Toro: Nein, ich liebe unsere Welt! Ich liebe es, mit Menschen zu reden und in die Natur zu gehen um abzuschalten. Als ich "Hellboy" drehte sah ich die Figur Hellboy jeden Tag, wusste aber gleichzeitig, dass unter dieser Maske der grandiose Schauspieler Ron Perlman steckt und wir uns auch normal unterhalten können, wenn der Drehtag beendet ist oder wir gerade eine Drehpause einlegen. Ich denke, dass es die normale Welt ist, die Filme wie "Hellboy" erst interessant macht, denn wenn es all diese Dämonen und futuristischen High-Tech-Städte wirklich gäbe und wir darin leben würden – worüber sollte ich dann noch Filme machen? Das wäre doch nur noch langweilig!

In den Nachrichten wird pausenlos von Krieg und Terror berichtet und ein friedliches Ende in den Krisengebieten, ob nun im Irak oder im nahen Osten, ist nicht abzusehen. Denken Sie, dass wir einen Superhelden wie Hellboy bräuchten um diese Probleme zu bewältigen?
del Toro: Nein, das denke ich nicht! Das fantastische an der "Hellboy"-Geschichte ist, dass sie zeigt, dass jede Entscheidung, die wir treffen, letztendlich unser Leben beeinflusst und wir uns irgendwann dazu entscheiden wie wir letztendlich sein wollen und wie wir in bestimmten Situationen handeln. Genauso wie Hellboy sich dazu entschließt, als Dämon aus der Hölle auf der Seite der Guten zu kämpfen. Die Griechen pflegten zu sagen: "Du brauchst keine gute Regierung, sondern eine gute Bevölkerung!" Das sehe ich ganz genau so! Jeder kann in seinem Leben und in seinem kleinen Umfeld Dinge verändern und Zustände verbessern, aber ich glaube nicht, dass die Menschen zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft in vollkommenem Frieden und Glück leben werden. Hellboy ist zwar stark und zäh, aber auch er könnte im realen Leben hier nicht viel ausrichten und auch nicht den Frieden auf Erden schaffen! Dazu ist der Wille der am Krieg beteiligten Politiker und Menschen erforderlich und den sehe ich derzeit nicht!

Um "Hellboy" realisieren zu können haben Sie angeblich das Angebot "Harry Potter 3" zu drehen, abgelehnt. Warum haben Sie sich diese Chance entgehen lassen?
del Toro: Da gibt es nur einen Grund: Ich mache die Filme, die ich machen möchte und renne nicht irgendeinem Hype hinterher, nur um öffentlich gut dazustehen. Mein Drehbuchlehrer sagte einmal zu mir: "Mache die Filme, die dich brauchen und nicht die Filme, die du brauchst!" Ich habe mich bisher mein ganzes Leben lang an diesen Grundsatz gehalten und bisher nur bei "Blade 2" eine Ausnahme gemacht. Ich hatte schon lange die Idee den "Hellboy"-Comic zu verfilmen und als dann das Angebot für "Blade 2" kam, wusste ich, dass ich diesen Fim drehen musste um letztendlich "Hellboy" realisieren zu können. Das war eine sehr gute Übung, weil der Film ja in gewisser Weise auch das gleiche Genre bedient.

Wie visualieren Sie die Bilder, die sie von einer bestimmten Szene im Kopf haben gegenüber den Teammitgliedern, die diese dann schließlich schauspielerisch und technisch umsetzen müssen? Haben Sie da bestimmte Techniken?
del Toro: Für "Hellboy" habe ich eine 15-seitige Infomappe geschrieben, in der ich meine Vorstellungen hinsichtlich der filmischen Umsetzung dieses Comics erläutert habe. Außerdem habe ich entscheidende Szenen aus dem Comicheft ausgeschnitten und in die Mappe geklebt, um meine Ausführungen bildlich zu unterstützen und zu visualisieren. Diese Mappe gab ich dann an das Drehteam und die zahlreichen Schauspieler weiter und so konnten die sich in etwa ein Bild davon machen, in welche Richtung der Film gehen würde.

Zitiert

Hellboy ist zwar stark und zäh, aber auch er könnte im realen Leben hier nicht viel ausrichten und auch nicht den Frieden auf Erden schaffen!

Guillermo del Toro

Wie arbeiten Sie mit ihren Schauspielern? Sind Sie eher der Typ Regisseur, der auf seinen Vorstellungen und Plänen beharrt oder sind Sie der kompromissbereite Regisseur, der auch offen für Änderungsvorschläge ist?
del Toro: Zunächst muss ich sagen, dass ich die Arbeit mit Schauspielern liebe! Für "Hellboy" haben wir im Vorfeld der Dreharbeiten eine große Leserunde gemacht, damit die Schauspieler eine gewisse Textsicherheit bekommen und ein Textverständnis entwickeln können. So etwas sollte eigentlich auch zu jedem Filmprojekt dazugehören, aber leider fehlt manchmal im Rahmen eines Projektes einfach die Zeit dazu. Wenn man so eine Leserunde veranstaltet und sich intensiv mit dem Drehbuchtext befasst kommen automatisch auch immer viele Anregungen der einzelnen Schauspieler und dann wäre es doch bescheuert, wenn ich diese Anregungen permanent abblocken würde. Ähnlich kommt es dann natürlich auch während der Dreharbeiten vor, doch gerade hier ist oft wenig Zeit vorhanden, so dass man natürlich nicht immer jeden Vorschlag annehmen kann, weil sonst einfach alles aus dem Ruder läuft. Im Allgemeinen denke ich aber, dass durch konstruktive und produktive Anregungen ein Projekt wächst und oft auch in einem sehr positiven Sinne bereichert wird.

Zur Zeit arbeiten Sie bereits an dem Drehbuch zu "Hellboy 2". Welches Filmgenre außer Comic und Horror würde Sie darüber hinaus in Zukunft reizen?
del Toro: Ich hätte große Lust auf einen Kriminalfilm mit Gangstern und cleveren Cops, habe bisher aber noch nicht die richtige Story gefunden. Ich mag Kriminalfilme, die eine schön komplexe Story haben und wo der Zuschauer erst am Ende erfährt wer jetzt wirklich der Mörder ist und wie sich alles ergeben hat. Man darf es dem Zuschauer nicht immer so einfach machen und sollte immer auch Überraschungseffekte einbauen, die alles bisher geglaubte auf den Kopf stellen!

Wann hat Ihre Faszination für das Filmemachen begonnen?
del Toro: Als Kind habe ich wahnsinnig gerne gezeichnet und bin in der Natur herumgelaufen um jedes noch so kleinste Detail zu entdecken und zu verstehen. Ich wollte eigentlich Biologe werden, meine eigenen Bücher schreiben und sie mit meinen Zeichnungen illustrieren. Eines Tages legte sich mein Vater eine Super-8-Kamera zu und ich begann meine "Planet der Affen"-Spielzeuge abzufilmen. Als dann der Film erneut in die Kinos kam fing ich endgültig Feuer und Flamme. Ich zeichnete schließlich im Alter von acht Jahren meine ersten Storyboards und drehte all die weiteren Jahre meine "Super 8"-Filme. Als junger Erwachsener besuchte ich dann die Universität im mexikanischen Guadalajara und ließ mich vom heute Oscar-prämierten Make-up- und Spezialeffekt-Künstler Dick Smith ausbilden. Das war eine sehr lehrreiche und aufregende Zeit, in der mir klar wurde, dass ich durch das Filmemachen meine Leidenschaften – Schreiben, Zeichnen und Biologie – zu einem Ganzen vereinen kann, zum Beispiel durch das Kreieren von Figuren. Wenn ich heute eine Figur kreiere lasse ich immer von der Natur inspirieren, so dass in vielen meiner Figuren immer ein Stück aus der real existierenden Tierwelt steckt. Das ist doch eine wunderbare Sache!

Es ist sehr interessant zu beobachten, wie enthusiastisch Sie von Ihrer Arbeit erzählen und welches Funkeln dabei in ihren Augen entsteht …
del Toro: Ja, ich bin immer so! Ich bin ein absoluter Fan von Comics und liebe das Filmemachen mehr als alles andere! Ich habe zu Hause eine riesige Sammlung von Comicheften, DVD’s und Actionspielzeug. Das ist einfach meine Welt!

Ist es vielleicht auch der Wunsch, sich ein Stück der geliebten Kindheit zu bewahren?
del Toro: Nein, das würde ich so nicht ausdrücken! Ich bin einfach überglücklich einen Job machen zu können, der es mir erlaubt, mit Comicheften zu experimentieren und diese in die Realität umzusetzen. Warum sollte ich, nur weil ich jetzt als Erwachsener gelte, mich nicht mehr mit solchen Themen beschäftigen? Mann, ich liebe es einfach!

Und Ihre Leidenschaft für Action-Spielzeug drückt sich auch darin aus, dass geplant ist, der DVD mit dem Directors Cut von "Hellboy" eine Actionfigur beizulegen?
del Toro: Ja, das ist mir auch sehr wichtig! Ich betrachte meine Arbeit immer aus der Auge des Fans und frage mich: "Welche Actionfiguren habe ich früher geliebt?" und "Welche Merchandising-Artikel habe ich mir gekauft?". Ich designe oft auch die DVD-Cover in Eigenarbeit und es ist immer wieder ein Vergnügen die DVD mit verschiedenen Features zu versehen, um sie für die Fans unersetzlich und einmalig zu machen!

Vielleicht können Sie zum Schluss noch ein paar Fakten zu "Hellboy 2" ausplaudern?
del Toro: Ich arbeite derzeit noch an dem Drehbuch und werde es wahrscheinlich Anfang 2005 fertiggestellt haben. In "Hellboy 2" wird Hellboy die reale Welt betreten und dabei erneut begleitet werden von der feurigen Liz Sherman. Alle Darsteller, außer Rupert Evans und Karel Roden werden wieder dabei sein und die Fans können sich schon jetzt auf eine tempogeladene und witzige Fortsetzung freuen!

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