Fatboy Slim

Es gibt jetzt keine Qualitätskontrolle mehr.

Norman Cook alias Fatboy Slim über seine DJ-Sets, musikalische und technische Entwicklungen in der Clubszene, politische Statements und seine Tanzkünste

Fatboy Slim

© Thomas Ecke

(Das folgende Interview entstand im Dezember 2010.)

Mr. Cook, Sie spielen in Ihren DJ-Sets heute viel House und Electro-House. Wo ist eigentlich der ganze BigBeat hin, der Sie berühmt gemacht hat?
Cook: Der ist doch längst gestorben, vor zehn Jahren. Manche Leute meinen sogar, ich hätte ihn umgebracht (lacht). Sagen wir es so: Es war ein Unfall.

War die Musik zu komplex für den Dancefloor?
Cook: Nein. Es war eher, dass BigBeat zu einem Klischee wurde. Es ging sehr schnell, dass BigBeat in jeder Fernsehwerbung auftauchte, das ganze wurde zu schnell zu poppig.

Aber House ist doch auch überall…
Cook: Ich spiele, was ich fühle. BigBeat war damals eine Reaktion, wir waren von House gelangweilt – jetzt sind wir wieder zurück bei House. Ich spiele einfach, was ich für die beste Tanzmusik halte, die beste Partymusik. Für mich ist das im Moment eher House, weniger Techno oder Dubstep.

Auf dem Cover Ihres sehr erfolgreichen Albums „You’ve Come A Long Way, Baby“ von 1998 ist ein dicker Junge zu sehen, auf seinem T-Shirt steht: „I’m Number One, So Why Try Harder“. Sie haben die Nummer Eins in den Charts erreicht, was sind für Sie heute die Herausforderungen in der elektronischen Musik?
Cook: Früher war die Herausforderung für mich, eine Karriere zu machen, die es mir ermöglicht, durch die Welt zu reisen und Musik für ein Publikum zu spielen. Heute ist das keine Herausforderung mehr, das ist jetzt einfach mein Beruf.
Mit BigBeat haben wir damals versucht, ein paar Regeln zu brechen, in Bezug darauf, was für Elemente man benutzt. Also eben nicht Purist zu sein und zu sagen: Ich spiele nur Acid House, oder nur Techno… Ich bin mit Pop aufgewachsen, dann mochte ich HipHop und dann House – also, warum nicht die drei miteinander kombinieren? Es war die Herausforderung für mich, ein paar musikalische Grenzen zu überwinden.

Aber dann ist es doch eigentlich schade, dass BigBeat nicht mehr produziert bzw. gespielt wird…
Cook: Ach, das ist von Zeit zu Zeit immer wieder so, dass man einen Sound hört und besonders mag. Ich denke, es hat seinen Zweck erfüllt, in dem Sinn, dass Rock und Pop mit elektronischer Tanzmusik gemixt wurden.

Spielen Sie als DJ noch Tracks von Ihrem Fatboy Slim-Debüt „Better Living through Chemistry“?
Cook: Ja, doch. Ich mixe sie dann meistens mit House-Platten. Was ich immer noch mag ist Eklektizismus, nur BigBeat an sich wurde zu schnell zu einer Formel. Und die Leute von damals, die sich bis heute gehalten haben, wie die Chemical Brothers – wir haben uns entwickelt und musikalisch verändert.

Was sich auch verändert hat ist das DJ-Equipment. Welche Rolle spielt Vinyl heute für die Clubmusik?
Cook: Das ist eine interessante Frage. Ich habe Vinyl gespielt, so lange es noch ging und die Leute auf Vinyl veröffentlicht haben. Heute spiele ich mit Serato (ein sogenannter Vinyl-Emulator, bei dem Musikdateien im Computer über den Plattenspieler oder CD-Player angesteuert werden können, Anm. d. Red.). Es ist natürlich schön, eine Plattensammlung zu haben, aber Vinyl ist auch ein bisschen so ein historisches Ding geworden, es ist zu schwer geworden, das durchzuziehen, weil fast nichts mehr auf Vinyl veröffentlicht wird.

In bestimmten Techno-Richtungen wird aber noch viel Vinyl produziert und DJs wie Sven Väth stehen immer noch hinter diesem Medium. Halten Sie es für sinnvoll, es für den Dancefloor zu erhalten?
Cook: Also, erhalten vielleicht in dem Sinne wie man ein altes Gebäude erhält (lacht). Ein Gebäude, dass eine historische Bedeutung hat, in dem man aber immer noch lebt und dessen Integrität man bewahrt. Genauso wie manche Leute heute immer noch in 60er-Jahre-Sportwagen herumfahren.

Was dabei sicher eine Rolle spielt, sind die technischen Möglichkeiten, die mit anderem Equipment heute größer sind.
Cook: Ja, was für mich zum Beispiel bei Serato eine Rolle spielt ist das visuelle Element. Wenn ich eine Sounddatei heraussuche ist damit sofort auch eine Videodatei verbunden, die synchron zur Musik als Projektion erscheint. In dem Moment werde ich zum VJ. Das finde ich großartig ist, du kannst selbst deine Visuals gestalten ohne eine ganze Show programmieren zu müssen. Ich kann verschiedene Tracks spielen und ineinandermixen und die Visuals laufen weiter. Wenn man solche Möglichkeiten hat ist es nicht gerade einfach zu sagen: Ich kehre um und spiele wieder nur Platten.

Hat sich durch den Wechsel des Mediums an der Musik etwas verändert?
Cook: Ja, es gibt jetzt keine Qualitätskontrolle mehr (lacht). Früher war es so, dass sich die Labels für Veröffentlichungen auf Vinyl nur die Rosinen rausgepickt hat, die besseren Tracks. Heute dagegen wird alles veröffentlicht. Wo ich früher eine von 50 Platten gebrauchen konnte ist es heute eine von 1000 Dateien. Was wiederum bedeutet, dass man sehr viel Zeit im Internet verbringt, um einen guten Track zu finden. Das ist jetzt die größere Herausforderung geworden, die guten Tracks zu finden.

Sehen Sie eine musikalische Globalisierung kommen, wenn sich DJs auf der ganzen Welt nur noch bei den gleichen großen Datenbanken wie z.B. Beatport bedienen?
Cook: Ja, früher, wenn ich beispielsweise in Südamerika gespielt habe, da hat es jeden immer brennend interessiert, was für Platten ich in der Tasche hatte, wie und wo man die bekommt. Heute können die DJs dort einen Track genau im gleichen Moment bekommen wie ich.

Aber ist es nicht langweilig, wenn in Südamerika das Gleiche gespielt wird wie zum Beispiel in Brighton?
Cook: Mit der großen Menge von neuen Tracks kommt ja eine enorme Vielfalt. Die Anzahl der Subgenres von Minimal bis zu Fidget  House – es gibt so viele verschiedene Stile. Die Musik klingt sehr unterschiedlich, aber sie ist überall im gleichen Moment zugänglich.

Sie haben also nicht die Befürchtung, dass irgendwann die Partys in den Metropolen überall gleich klingen?
Cook: Das kann passieren, ich sehe das aber noch nicht. Wobei es wirklich schon vorkam, dass ich einen großartigen neuen Track entdecke und ein DJ in Paraguay spielt den direkt vor meinem Set.
Aber wie gesagt, das ist auch diese Herausforderung, die ich mag, die guten Tracks zu finden, das ist schon fast die eigentliche Kunst. Früher bekam ich die neuen Platten ja immer von den Plattenfirmen zugeschickt.

Was halten Sie vom Sync-Button?
Cook: Also, ehrlich gesagt habe ich nie genau begriffen, was der eigentlich macht (lacht). Ich traue dem nicht, ich mixe immer live. Wenn du einmal damit anfängst, dass der Computer für dich die Musik mixt, dann ist die Gefahr da, dass du dein ganzes Set vorprogrammierst bevor du in den Club gehst – aber dann könntest du eigentlich gleich eine Mix-CD hinschicken. Ich denke, ein Live-Element muss dabei sein. Der Sync-Button würde mich zu faul machen.

Zitiert

Wo ich früher eine von 50 Platten gebrauchen konnte ist es heute eine von 1000 Dateien.

Fatboy Slim

Sven Väth sagte uns im Interview, der Sync-Button „vernichtet die Spannung und die Kreativität eines DJs“.
Cook: Ja, da würde ich ihm voll und ganz zustimmen.

Aber was ist die Alternative, den Sync-Button wieder abschaffen?
Cook: Nein, die Leute die das nutzen wollen, können das machen und die richtigen DJs… – es ist ja eine Kunst, zwei Songs ineiander zu mixen. Ich persönlich finde das spannend, besonders wenn du einen DJ hörst, bei dem der Beat erst ein wenig auseinandergeht und dann wieder aufeinanderfällt.

Wie sehr sind Ihre DJ-Sets vorbereitet?
Cook: Es gibt die großen Tracks, die ich in jedem Fall spiele, weil wir dafür auch Visuals vorbereiten. Aber jeder DJ hat ja seine Favoriten in der Plattentasche, die er spielt. Und ich muss zum Beispiel bei jedem Gig eine Version von „Praise You“ spielen.

Warum? Ist das Ihr Lieblingssong?
Cook: Nein, das nicht, aber das Publikum reagiert darauf sehr gut, was ja auch der Job des DJs ist. Wobei ich nie die Original-Version bis zum Ende durchspiele.

Ihr letztes Solo-Album als Fatboy Slim erschien 2004. Sehen Sie sich heute mehr als DJ denn als Produzent?
Cook: Ja. Das ist jetzt die Zeit in meinem Leben. Wir haben ein kleines Kind, ich habe mit dem Alkohol aufgehört, und herumzureisen, um ein Album zu promoten – da bin ich mir nicht sicher, ob ich das momentan möchte. DJing, das kann ich das ganze Jahr hindurch machen und es ist immer eine frische Erfahrung, mehr als eine neue Platte zu bewerben, mit endlosen Interviews und Promotion.
Und im Moment ist das DJing ja auch das einzige, wovon man seine Miete bezahlen kann (lacht). Mit Downloads verdient man so wenig Geld. Viele meiner Kollegen produzieren Tracks lediglich als Referenz für ihre DJ-Karriere. Ich habe jetzt eine Familie für die ich sorgen muss, was bedeutet, dass ich rausgehen und auflegen muss. Ja, ich bin jetzt mehr DJ als Produzent.

Aber Ihre Fans werden doch sicher wieder ein Album erwarten.
Cook: Es gibt auch einige aufregende Projekte mit anderen Musikern, die kommen, wovon ich aber noch nichts verraten kann. Ja, es wird eines Tages wieder was kommen. Wobei das nicht unbedingt ein ganzes Album sein wird. Das ist ja noch die andere Geschichte mit den Downloads: die Idee, ein Album mit zwölf Songs zu machen, spielt nicht mehr so die große Rolle. Heutzutage veröffentlichst du etwas auf Beatport in dem Moment wo du es fertig hast.

Sind Sie sicher?
Cook: Ich denke, dahin geht die Reise. Für andere Bands ist es vielleicht noch attraktiv, Massive Attack zum Beispiel, die so ein Album komplett von Hand fertigen und jahrelang daran arbeiten. Aber so arbeite ich nicht, insbesondere heute nicht mehr. Wir werden sehen. Natürlich sollte man niemals nie sagen, aber im Moment ist es so, wenn du ein Album veröffentlichst, skippen die Leute das durch, laden sich die vier Tracks runter, die sie mögen – und den Rest ignorieren sie.

Sind Sie traurig darüber?
Cook: Ein bisschen, ja. Andererseits kommt auch so viel Spannendes durch das Internet. Das ist mit dem Albumformat genauso wie mit dem Vinyl: Anstatt dass ich mich darüber beklage, dass heute weniger Vinyl produziert wird, freue ich mich darüber, was ich alles mit Serato machen kann. Ich bin da nicht der alte Meckerfritze, der sich darüber aufregt, dass früher alles besser war.
Ich glaube der Wandel der Musikindustrie ist schon zur Hälfte abgeschlossen. Und in drei, vier Jahren gibt es vielleicht ein neues Gleichgewicht, dann werden wir sehen, wie Musik veröffentlicht wird, welche Formate es gibt. Es sind auf jeden Fall aufregende Zeiten.

Glauben Sie, dass es Dubstep in vier Jahren noch gibt?
Cook: Haha, wir werden sehen. (lacht)

Sie spielen kein Dubstep, oder?
Cook: Nein, ich bekomme das irgendwie nicht in meinen Kopf rein. Ich weiß nicht, ob ich zu alt dafür bin, ob es am Tempo liegt – ich kann dazu jedenfalls nicht tanzen. Es gibt interessante Produktionen und Ideen, wobei auch bei Dubstep das geschieht, was beim BigBeat passiert ist: ein Sound wird kopiert und viele Platten klingen sehr ähnlich.

Und es ist sehr basslastig.
Cook: Zu viel Bass war für mich aber noch nie ein Problem.

Wenn man sich die Videos zu Ihrer Musik anschaut, gibt es darin teilweise sozialkritische Nuancen, „Don’t Let The Man Get You Down“ portraitiert einen Rassisten, „Bird of Prey“ einen Kampfjet-Piloten. Ist Fatboy Slim auch leicht politisch?
Cook: „Leicht politisch“, ja, das trifft es glaube ich ganz gut. Bei meiner ersten Band, den „Housemartins“, da waren wir sehr politisch… Beim Thema Rassismus/Pazifismus muss ich aber auch sagen, da geht es ja nicht um große Politik, sondern einfach nur darum wie die Leute ihr Leben leben sollten. Und wenn ich auf der Ebene Leute mit etwas inspirieren kann, also mehr erreiche, als dass die Leute nur zu mir kommen und sagen: Hey DJ, wo ist der Bass? – wenn ich inspirierend und ermunternd sein kann für das menschliche Zusammenleben, klar, dann werde ich das auch versuchen.

Politischer würden Sie aber nicht werden wollen?
Cook: Dance-Musik hat ja in erster Linie die Aufgabe, die Hüften zu bewegen, nicht den Kopf. Es geht um Eskapismus, das ist das Wochenende für die Leute, die in der Woche langweilige Jobs haben. Die wollen nicht angeschrieen werden, sondern die Leute wollen sich jung, sexy und frei fühlen und nicht daran erinnert werden, dass in Ruanda Menschen hungern.

Das Video zu „Toe Jam“ von Ihrem Projekt BPA (Brighton Port Authority), in dem die nackten Tänzer mit schwarzen Balken übersät werden, kritisiert die Zensur, könnte man meinen.
Cook: Nnnaaa ja. Ich würde sagen, es macht sich lustig über Zensur, aber auch über billige Erotik. Wir hätten das Video natürlich auch ganz einfach ohne die Balken veröffentlichen können – aber das wäre viel weniger lustig gewesen.

Wer steckt hinter den ganzen Video-Ideen?
Cook: Normalerweise kommen die Ideen vom Regisseur. Ich bekomme in der Regel 15-20 Drehbücher – und ich suche das Beste raus.

Es geht in vielen Fatboy Slim-Videos auch darum, wie man tanzen kann, denken wir an „Praise You“, „Ya Mama“ oder „Weapon of Choice“ – sind Sie ein guter Tänzer?
Cook: Es ist lustig, dass Sie das so sehen, ich würde ja eher sagen, in den Videos geht es darum, wie man nicht tanzt. (lacht)
Also, meine Frau hatte vor kurzem ihren 40. Geburtstag und – kennen Sie die TV-Show „Strictly come Dancing“?

Ja, bei uns heißt die Show „Let’s Dance“.
Cook: Also, meine Frau war dort zu Gast und danach haben wir alle für ihre Geburtstagsfeier Tanzstunden genommen. Und ich war richtig schlecht. Die Lehrer haben mich dann gefragt: Wie kann es sein, dass du solange in der Musikindustrie tätig bist – aber nicht tanzen kannst?
Ich meinte nur, meine Herangehensweise an Tanz ist ein wenig mehr freestyle, ich hab es nicht so mit Regeln.

Was haben Sie denn getanzt?
Cook: Einen Social Foxtrot, Walzer und Jive – und ich war erbärmlich, bei allen dreien (lacht). Ich hatte schon Spaß dabei, wir haben viel gelacht, aber ich habe einfach Probleme mit der Formalität und der Rigidität, die darin liegt. Ich meine, wenn Sie sich meine Karriere anschauen, da ging es ja immer auch ein bisschen darum, Regeln zu brechen. Nicht um jetzt ein großes politisches Ding draus zu machen, aber ich mag eben, mich über bestimmte Dinge hinwegzusetzen. Und das betrifft auch das Tanzen.

Sie haben 2004 in einem Interview gesagt: „Das Phänomen Fatboy Slim kontrolliert mich, nicht umgekehrt“ – gilt das heute noch?
Cook: Nein, ich bin seitdem einen Schritt zurückgegangen Das meiste von dem, was ich zuletzt gemacht habe, mit David Byrne oder mit dem BPA-Projekt, das war nicht mehr Fatboy Slim – ich denke, ich habe meinen Norman wieder zurück, meinen inneren Norman sozusagen.
Vorher hat dieses Phänomen wirklich mein ganzes Leben in Beschlag genommen. Ich habe ja schon immer Pseudonyme verwendet, aber draußen auf der Straße war ich für die Leute trotzdem noch Norman. Doch nach dem Erfolg mit Fatboy Slim, da kamen auch Leute und riefen, „Hey, Fatboy..!“ – da will ich immer sagen: „Nein, ich bin das nicht, ich bin Norman.“ Jetzt habe ich schon länger nichts mehr als Fatboy Slim veröffentlicht – und ich würde sagen, ich habe mein Leben zurück.

Eine Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Cook: Ich denke manchmal, Fatboy Slim ist wie eine Comicfigur…. Da muss ich jetzt überlegen: Wer waren meine Comichelden? Im Moment fallen mir nur die ganzen Cartoons ein, die mein Sohn guckt… Ich wäre wahrscheinlich Stimpy, von „Ren & Stimpy“. Der übernimmt keine Haftung für all den Quatsch, den er macht. (lacht)

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