Emel Zeynelabidin

Für mich sind verhüllte Frauen neutrale Gestalten ohne Identität.

Emel Zeynelabidin über Vollverschleierung, Burkaverbote, die Rolle des Koran und der muslimischen Männer und ihre emotionale Integration

Emel Zeynelabidin

© Privat

Frau Zeynelabidin, 30 Jahre lang trugen Sie ein Kopftuch, bis 2005. Wie lange haben Sie gebraucht, sich daran zu gewöhnen, unverhüllt zu sein?
Es brauchte Zeit bis es für mich selbstverständlich war. Ich habe eine Identitätsverwandlung durchgemacht, von der muslimischen Frau zum freien Menschen.

Wie hat sich das angefühlt?
Auf meinem Kopf fehlte anfangs etwas. Es war auch kalt im Februar 2005, so behalf ich mir mit Stirnbändern und später mit zu Haarreifen gebundenen Tüchern.
Ich konnte anfangs nichts mit meinen langen Haaren anfangen, der Bezug fehlte irgendwie. Ich wusste nicht mal, dass ich eigentlich eine Naturwelle habe. Sie war über 30 Jahre lang unter dem Tuch glatt gepresst gewesen.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder ein Kopftuch zu tragen?
Niemals! Das Tragen des Tuches als eine unausweichliche Pflicht mit religiöser Rechtfertigung zerstört den freien Willen, die weibliche Persönlichkeit und die Haare als Teil des Körpers.

Haben Sie jemals einen Ganzkörperschleier getragen?
Nein, aber meine Kleidung glich einer Ganzkörperverhüllung. Die Regel besagt, dass die Kleidung der muslimischen Frau alles bis auf die Hände und das Gesicht bedecken muss, nicht eng anliegen und nicht durchsichtig sein darf.
Ich trug Kleidung, die mir zwei Nummern zu groß war: fast immer eine Hose und darüber eine knielange Tunika. So kann eine Frau kein Körpergefühl entwickeln. Das Kopftuch ist sehr dominant und bestimmend. Es baut  eine Fassade auf, hinter der sich eine Frau verstecken kann, aber die eine Frau auch verstecken kann.

Verstehen Sie Frauen, die Burka oder Niqab tragen?
Diese Frauen sind nicht zu verstehen. Wir leben in einer Zeit und an einem Ort, wo es selbstverständlich für Frauen ist, sich in ihrer Freizeit zu kleiden wie es ihnen gefällt. Ich kenne keinen Mann in meinem Lebensumfeld, der eine Frau belästigen würde, nur weil diese kein Kopftuch trägt.
Manchmal frage ich mich, ob diese ihre Regeln für heilig haltenden Muslime denn blind sind und nicht sehen können wie das Leben für so viele Menschen ohne diese Regeln in Frieden und Sicherheit abläuft.

Haben Sie schon einmal nachgefragt?
Ich hatte Anfang des Jahres bei einer meiner Vortragsreisen eine vollkommen in Schwarz gehüllte Gestalt im Publikum. Ich fragte, warum sie sich so kleide, wo doch der Islam die Verhüllung des Gesichts und der Hände gar nicht vorschreibe.
Sie war eine junge Konvertitin, unter dem Schleier sehr angenehm anzuschauen, und antwortete, dass es zwei Meinungen von Gelehrten gebe, die diese Form von Verschleierung vorschreiben würden. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass sie mit dem Befolgen von Meinungen anderer die Verantwortung für ihr Verhalten an diese Personen abgebe.

Wie hat sie reagiert?
Sie schien leider so sehr überzeugt davon zu sein, dass sie sich mit dem bloßen Befolgen einer fremden Meinung islamisch verhielte, dass ihr völlig entging, wie sie den Rest der Zuhörer in Angst und Schrecken versetzt hatte. Was wohl ihre Gelehrten über die soziale Verantwortung eines Muslim den Mitmenschen gegenüber meinen könnten?

Die Zuhörer hatten Angst? Wie hat sich das geäußert?
Der Seelsorger, der mich eingeladen hat, erzählte mir später, dass er die ganze Zeit überlegte, was er tun sollte, wenn jetzt ein Attentat auf mich verübt würde. Ich habe das gar nicht mitbekommen. Aber er war absolut angespannt. Und so war auch die Atmosphäre im Raum, nachdem diese Frau eingetreten war.

Machen Ihnen vollkommen verhüllte Frauen auch Angst?
Für mich sind das neutrale Gestalten ohne Identität. Das macht mir Angst, weil ich diese Gestalten nicht einordnen kann. Kommunikation kann nur geschehen, wenn eine Mindestsichtbarkeit vorhanden ist. Ich liebe die Kommunikation mit den verschiedensten Menschen, weil ich Menschen für Geschöpfe eines allwissenden Schöpfers halte und von diesen dann auf den Schöpfer schließen kann. Im Koran heißt es in Sure 49 Vers 13, dass Gott die verschiedenen Völker erschaffen hat, damit sie sich kennen lernen können. Jemanden unter einer Vollverhüllung kann man aber leider niemals kennen lernen.

Sie teilen also das Unwohlsein, von dem viele Nicht-Muslime in Zusammenhang mit vollverschleierten Frauen sprechen?
Ja, sogar sehr. Aber es herrscht Stille. Das Unwohlsein wird nicht angemessen ausgedrückt. Es geht ja nicht nur um die sichtbare Verhüllung, es geht doch vielmehr um die Ansichten, die dahinter stecken und die eigentliche Irritation auslösen. Was stimmt mit uns, die wir zeitgemäß gekleidet sind, nicht, dass es welche gibt, die sich mit ihrer uniformartigen Kleidung von uns radikal unterscheiden und dass auch noch im Namen von Religion? Was ist das für ein Gott, der so etwas verlangt?

Was halten Sie von einem Vollverschleierungs-Verbot, wie es in Belgien und Frankreich in Kraft getreten ist?
Verbote sind in diesem Fall völlig falsch, weil sie in die Privatsphäre einer Frau eingreifen. Sie provozieren Muslime zur Defensive und bestätigen ihre Vorurteile über Ungläubige, und vor allem ihre Feindbilder. Ziel in einer modernen Demokratie sollte sein, mit professionellen Mitteln Rahmenbedingungen zu schaffen, um Diskussionen zu fördern, die diese besonderen Ansichten sehr genau beleuchten. Denn das große Defizit besteht bei den meisten Muslimen leider darin, alles, was mit Religion zu tun hat, nicht infrage zu stellen.

In Deutschland wurde ein Burkaverbot auch schon heftig diskutiert, zwei Befürworterinnen nehmen dabei harte Worte in den Mund: Die Deutsch-Türkin und deutsche Politikerin Lale Akgün (SPD) nennt die Burka ein „Ganzkörpergefängnis“, Silvana Koch-Mehrin (FDP), Vizepräsidentin des EU-Parlaments, spricht von einem „mobilen Gefängnis“. Was sagen Sie dazu?
Man kann sich auch an ein Leben im Gefängnis gewöhnen. Ich denke, wir brauchen eine offensive Debatte, die die Ansichten hinter der Verschleierung genau beleuchten. Einer solchen Debatte sind Aussagen wie die der beiden Politikerinnen leider nicht dienlich. Sie stellen Frauen als Opfer dar, die sich selbst aber gar nicht als Opfer sehen.

Wie sehen sich diese Frauen?
Es gibt so viele verhüllten Frauen, und eine davon war ich selbst, die nichts anderes als ihre Selbstverständlichkeit kennen. Wenn ich gewollt hätte dann hätte ich mich ohne weiteres wehren können.

Das gesetzliche Burka-Verbot in Frankreich und Belgien hat sicherlich auch Symbolcharakter. Wie wichtig ist ein Burka-Verbot, allein um ein Zeichen zu setzen?
Es ist die falsche Methode, weil mit einem Verbot die Frauen instrumentalisiert werden, um dieses Zeichen zu setzen.
Ein Verbot müsste von Muslimen ausgehen, und zwar einstimmig von allen islamischen Organisationen in Europa! Nach meinem Verständnis von Islam beunruhigt es mich sehr, dass islamische Organisationen, die hier in Europa mit vielfältigen Freiheiten auf demokratischem Terrain leben, sich lieber mit ihren indiskutablen Vorstellungen des islamischen Rechts hinter dem Gesetz der Religionsfreiheit verstecken, anstatt es sich zu einer wichtigen Aufgabe zu machen, das Leid derjenigen Frauen, die im Namen von Islam und Gott für überholte Traditionen ihr Leben opfern, ernst zu nehmen und professionell anzugehen.

Zitiert

Ein Verbot regt nicht zum Nachdenken, Denken und Umdenken an.

Emel Zeynelabidin

Nun hat Hessen Anfang 2011 ein Burkaverbot für den öffentlichen Dienst erlassen. Wie stehen Sie zu dieser Entscheidung?
Ich sagte ja bereits, dass ich grundsätzlich nichts von Verboten halte. Allerdings finde ich ein Burkaverbot am Arbeitsplatz dringend erforderlich, weil es hier um die Sicherheit geht: man muss einfach sehen können mit wem man es zu tun hat. Das ist eine absolute Selbstverständlichkeit, gerade im öffentlichen Dienst wo es um Dienstleistungen für Bürger geht. Ich will  nicht mit einer Mitarbeiterin zu tun haben, die ich nicht sehen kann, in dessen Augen ich nicht schauen kann. Ich rede auch ungern mit Leuten, die eine Sonnenbrille auf der Nase tragen. Ich glaube, das ist ein ganz natürliches Bedürfnis und hat absolut nichts zu tun mit Belästigungen von Frauen etc. In Frankfurt haben sich laut Zeitungsberichten auch Islamische Organisationen von der Burka distanziert. Der Islam kennt den Gesichtsschleier überhaupt nicht, für das Pilgerritual in den heiligen Stätten Mekka und Medina ist das Bedecken des Gesichts sogar verboten. Es sind vielmehr die Landestraditionen, die diesen Gesichtsschleier eingeführt haben, vornehmlich diktiert von Männern dieser Länder, die befolgt werden von gehorsamen Frauen, die keine Chance haben sich innerhalb diesem vorgegebenen sozialen Kollektivverhalten zu wehren.
Ich finde es beunruhigend, dass die Islamischen Verbände, nur bei Notwendigkeit so wie jetzt, reagieren und nicht im Interesse dieser Frauen beständig agieren. Das ist ein Mangel an sozialer Verantwortlichkeit und an Wertschätzung Frauen gegenüber.

Brauchen wir eine Debatte um die Burka in Deutschland?
Ja, unbedingt, und zwar eine, die Männer mit ihren Ansichten einbezieht, denn um diese ging es zur Zeit der Entstehung des Islam und um sie geht es heute noch.

Inwiefern?
Die Verhüllung war weder damals eine Frage der Religion noch ist es heute eine religiöse Handlung. Wer sich mit den historischen Quellen des Koran auseinandersetzt, kann erkennen, dass es zwei praktische Gründe gab: Die gläubigen Frauen sollten sich verhüllen, weil die Männer ein Problem damit hatten, bei ihren Belästigungen diese von den Sklavinnen zu unterscheiden, und zweitens diese Männer eine Schwäche für weibliche Reize hatten, mit der sie nicht zurecht kamen.
Heute wird im gesellschaftlichen Konflikt die Religionsfreiheit politisch für die Rechtfertigung einer praktischen Maßnahme aus der Wüste missbraucht und dabei ein Bild von Männern und Frauen in unsere moderne Zeit transportiert, das uns allen sehr zu denken geben sollte. Warum fragt niemand muslimische Männer, ob sie die Verhüllung heute noch brauchen?

Befürworter eines generellen Burka-Verbotes erklären häufig, den Frauen zu mehr Freiheit verhelfen zu wollen. Gegner fürchten, dass diese Frauen dann gar nicht mehr vor die Tür gehen, weil sie es selbst nicht wollen oder ihre Ehemänner oder Väter es ihnen verbieten. Welches Szenario halten Sie bei einem generellen Verbot für möglich?
Mit solch einer radikalen Maßnahme ist niemandem gedient. Man versucht als Staat das Problem an der Oberfläche zu lösen, indem man das Bild der wandelnden Gestalten aus dem Straßenbild verbannt. Dabei ist es ein diskriminierender Eingriff in eine sehr private soziale Struktur, die man Familie und Gemeinde nennt.

Glauben Sie, dass durch ein generelles Burka-Verbot auch bei gläubigen muslimischen Männern ein Umdenken stattfinden könnte?
Ein Verbot regt nicht zum Nachdenken, Denken und Umdenken an. So ein Verbot löst emotionale Reaktionen aus, die negativ sind und verleitet zu Handlungen, die besser nicht sein sollten. Ich bevorzuge Handlungen, die aus Einsicht und Erkenntnis erfolgen.

Aber wie kann Einsicht und Erkenntnis befördert werden?
Ich denke, ein Austausch auf geistiger Ebene und nicht anhand von Äußerlichkeiten ist nötig, ein verbaler Dialog, innerhalb dessen diese Dinge angesprochen werden. Nicht-Muslime müssen sich klarer werden, was sie stört und dies deutlicher gegenüber Muslimen formulieren. So das diese merken, dass sie eine Aufgabe vor sich haben.

Muslime und Nicht-Muslime sollten also mehr miteinander reden? Bedarf es besonderer Orte oder Organisationsformen für solche Gespräche?
Ja, Gespräche wären erste Schritte. Und Dialogveranstaltungen wären nicht schlecht. Sie müssten aber weiter gehen als bisher.

Inwiefern?
Jetzt enden solche Diskussionen immer mit der Erklärung durch die Religion. Es muss aber weiter gehen. Nicht-Muslime müssen ihre Befindlichkeiten klar benennen. Und die Fortsetzung wäre, dass jeder sich traut, diese zu formulieren. Das hieße, wenn ich mich auf der Straße durch verschleierte Frauen gestört fühle, das auch zu sagen.

In einer solchen Situation könnte man sich aber auch unwohl oder unverschämt fühlen, sogar Angst haben.
Deswegen muss es Vorbilder geben, Personen, Veranstaltungen. Etwas, worauf man sich in der konkreten Situation stützen kann.

Dass Sie das Kopftuch abgelegt haben war nur ein Teil der Veränderung. Sie haben sich auch scheiden lassen, begonnen, religiöse Ansichten zu hinterfragen und selbst zu formulieren. Was gab den Anstoß zu dieser Veränderungs-Welle?
Meine Trennung von der Rolle als Ehefrau und das Ablegen meiner kennzeichnenden Verhüllung haben wenig miteinander zu tun. Beide Entscheidungen fielen in unterschiedlichen Zusammenhängen.
Meine kritischen Fragen bezüglich Ansichten der Religion sind hauptsächlich zurückzuführen auf die Reaktionen meines muslimischen Bekanntenkreises. Ich habe mich behandelt gefühlt wie eine Verräterin und sah mich plötzlich bizarren Verleumdungen ausgesetzt, anstatt dass man mit mir redete. Dieses Missverhältnis hat mich aufmerksam gemacht auf die herrschende Diskrepanz von Islam und Muslimen, der ich dann analytisch nachgegangen bin. Für meine Veränderung sind einige Schlüsselerlebnisse auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene ausschlaggebend gewesen, die ich erst im Rückblick erkennen konnte.

Ihr neues Selbstbewusstsein stößt nicht bei allen alten Bekannten und Weggefährten auf Zustimmung, oder?
Seit meiner „Enthüllung“ erlebe ich, wie mein alter Bekanntenkreis, der hauptsächlich aus Muslimen bestand, sich von mir distanziert hat und mich bewusst meidet. Man weiß nicht, wie man mit einer solchen Veränderungen umgehen soll, hat man doch gelernt, dass es Sünde sei, wenn eine Frau sich nicht verhüllt, anstatt zu verstehen, dass Veränderungen Ergebnisse von Lernprozessen sind.
Ich kann in meiner Veränderung keine Irrleitung sehen, wie mir von Muslimen vielfach vorgeworfen wird, sondern eine natürliche Kontinuität in meiner Persönlichkeitsentwicklung als Frau, und vor allem eine selbstverständliche Anpassung an mein soziales Umfeld und an die Zeit, in der ich lebe.

Gibt es Momente, in denen Sie Ihren Schritt bereuen?
Nein, ich bereue nicht. Ich muss aber sagen, dass es nicht einfach ist, nach Jahrzehnten des Befolgens von festgelegten Regeln seine eigenen Regeln aufzustellen und eigenverantwortlich zu leben. Will man mit gesetzlichen Maßnahmen nun von allen verhüllten Frauen verlangen, dass sie meinen Prozess kopieren? Oder will man ihnen einen Entwicklungsprozess verordnen?

Sie sind gegen ein staatliches Kopftuchverbot, weil dies die Frauen wieder bevormunden würde. Doch wie kann dann eine Bevormundung durch Familie und / oder Gemeinde verhindert oder beendet werden?
Der nicht-muslimische Staat muss erst einmal verstehen, wie seine muslimischen Mitbürger ticken, bevor er irgendwelche Maßnahmen ergreift. Muslime glauben an ein Leben nach dem Tod, dass entweder Belohnung oder Bestrafung für das hiesige Leben ist. Alles ist ausgerichtet auf das ewige Leben was noch kommen wird, hier geprägt von Freude und Angst.
Das muss von Nicht-Muslimen, die in Politik und Medien professionelle Verantwortung tragen, sehr ernst genommen werden. Belohnung und Bestrafung im Jenseits ist festgelegt von einem Regelsystem der Erlaubten und Verbotenen Dinge im Diesseits. Auch das muss sehr ernst genommen werden. Wenn Muslime, die daran glauben, und das sind sehr viele auf dieser Welt, sich darin akzeptiert fühlen, ist schon sehr viel gewonnen. Nach der Akzeptanz, die mehr ist als Toleranz, kommt das nötige Vertrauensverhältnis, aus dem heraus Selbstreflektion und offene Debatten entstehen können. Ich denke, es liegt in der politischen Verantwortung des Staates, nicht aus Hilflosigkeit in die Gesetzeskiste zu greifen, sondern mit Fingerspitzengefühl auf die Wichtigkeit von sozialer Verantwortung in einer pluralen Gesellschaft hinzuwirken, die mit einer Belohnung im Jenseits vergolten wird.
Hinweise dafür aus dem Leben des Propheten gibt es genug, etwa den Ausspruch: „Der Beste von euch ist der, der den Menschen am nützlichsten ist“.
Der Islam des Propheten Muhammed beansprucht für sich universale Allgemeingültigkeit, zu Recht wenn man ihn filtert und versteht, aber die meisten seiner Anhänger leben einen Islam, der einer exotischen Sekte von einem anderen Stern gleichkommt.

Welche Wege gehen Sie persönlich bei der Aufklärung über diese Bildungslücke?
Ich engagiere mich als Privatperson mit den wenigen Mitteln, die ich habe für meine Öffentlichkeitsarbeit, bei der ich abhängig bin von interessierten Medien und Veranstaltern, die mich zu Vorträgen oder als Mitdiskutant einladen. Nebenbei entsteht mein autobiografisches Buch, in dem ich die Zusammenhänge der Stationen meines Lebens schildere, um auf die Existenz eines allwissenden Schöpfers hinzuweisen, der nichts mit dem urteilenden Gott der Religionen zu tun hat. Das hierarchische Gottesbild der Christen und Muslime ist eine zweckdienliche Erfindung, die sich bis heute gehalten hat und unbedingt reformiert werden muss.

Trotz aller gelungenen Beispiele von Integration und Aufklärung leben auch in Deutschland Musliminnen, die wenig bis kein Deutsch sprechen, die sich in einem sehr eingegrenzten  Umfeld bewegen. Wie wollen Sie diese Frauen erreichen?
Ich hoffe, dass ich viele verschiedene Menschen erreiche. Mir geht es nicht nur um muslimische Frauen als Zielgruppe, obwohl sie als Mütter große Verantwortung für das geistige Wohl ihrer Kinder tragen. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass es sehr schwer ist, die Elterngeneration zu erreichen. Es sind die Heranwachsenden, die für mich ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft des Diesseits mit all ihren Problemen sind.

Welche Hilfen hatten Sie beim Umbau Ihres Lebensentwurfs und welche hätten Sie sich gewünscht?
Ich habe die Liebe und Hingabe kennen gelernt, was mir ungeheuerliche Kraft für meinen neuen Lebensweg gegeben hat. Mein geschiedener Ehemann und meine Kinder begleiten mich ebenso wie einige für mich bedeutende Menschen.
Allerdings war mir zuvor nicht klar, wie wichtig Geld ist, um auf eigenen Beinen zu stehen und sein eigenes Leben zu gestalten. Diese finanziellen Abhängigkeiten empfinde ich mittlerweile als lästig, obwohl ich viel dazu lernen konnte was den Umgang mit Geld angeht.

Als wir kürzlich mit dem iranischen Filmemacher Ali Samadi Ahadi (u.a. „Salami Aleikum“, „The Green Wave“) sprachen und ihn fragten, wie gut er sich in Deutschland integriert fühle, antwortete er: „Ich glaube in Deutschland gut integriert zu sein, habe mich aber noch nie so fremd in Deutschland gefühlt, wie nach dieser Integrationsdiskussion Ende letzten Jahres.“ – Wie ist es Ihnen mit dieser – vor allem durch das Sarrazin-Buch ausgelösten – Diskussion ergangen?
Ich weiß nicht wie lange dieser Filmemacher in Deuschland schon lebt, aber ich selbst bin hier als Säugling mit meinen Eltern hergekommen und hier komplett sozialisiert worden. Die Frage der Integration hat sich bei mir deshalb überhaupt nicht gestellt. Ich unterscheide zwischen einer praktischen und einer emotionalen Integration. In meinem Fall würde ich sagen, dass meine emotionale Integration in den letzten Jahren sehr gelitten hat. Ich fühle mich hier in Deutschland durch die kälter gewordene Atmosphäre nicht mehr zuhause. Den Unterschied merke ich immer wenn ich von einer Reise im Ausland nach Berlin zurückkehre. Diese Kälte ist ermüdend und sehr impulsarm. Das ist nichts für mich.

Emel Zeynelabidin wurde 1960 in Istanbul geboren und wuchs in Deutschland auf. Ihr Vater Yusuf Zeynelabidin gründete in den 70er Jahren die deutsche Sektion der islamischen Organisation Milli Görüs. Sie engagierte sich für islamische Kindergärten mehr

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