Eko Fresh

Ich bin schon extrem eingedeutscht.

Er ist eine Schlüsselfigur in der deutschen HipHop-Szene und hat mit beinahe jeder Rap-Größe zusammengearbeitet. Im ausführlichen Interview spricht Eko Fresh über Schauspielerei, seine Aktivität als Ghostwriter, Authentizität, die Folgen der Kölner Silvesternacht, Cannabis-Konsum – und warum er im Rap-Game den „Onkel-Status“ genießt.

Eko Fresh

© Punchline

Eko, die Sitcom „Blockbustaz“, die vor kurzem auf ZDFneo lief, war nach „3 Türken und ein Baby“ bereits dein zweiter Ausflug vor die Filmkamera. Wie ernst nimmst du die Schauspielerei?
Eko: Ich nehme das schon ernst, wie eigentlich alles, was ich mache. Auch wenn manche Rap-Texte von mir mal ironisch sind oder der Unterhaltung dienen, gehe ich da erstmal technisch ran und nehme das Handwerk sehr ernst.

Wie fühlst du dich als Quereinsteiger im Filmgeschäft?
Eko: Also, mein Vater hat auch Schauspielerei und jahrelang Kabarett gemacht, das liegt mir schon.

Hat dir dein Vater ein paar Ratschläge gegeben?
Eko: Nein, leider nicht. Ich hätte das öfter gebrauchen können, doch ich habe nicht einen so guten Kontakt zu ihm. Wobei ich ihm da jetzt keinen Vorwurf mache. So ist halt das Leben.
Ich habe vor dem Kinofilm einen Schauspiel-Chrash-Kurs genommen, wo ich ein paar Tricks gelernt habe, alles danach war learning by doing. Nach dem Kinofilm und den Dreharbeiten zur Sitcom ist bei mir aber auch schon Routine reingekommen.

Helfen dir als Schauspieler auch deine Erfahrungen als Rapper?
Eko: Klar, ich stehe ja schon mein halbes Leben vor der Kamera, eigentlich seit ich Jugendlicher bin. Ohne die 15 Jahre Rap vorher hätte ich das nicht einfach so machen können. Es ist natürlich ein bisschen anders als beim Dreh von Musikvideos, aber ich habe mich schnell dran gewöhnt und dann ging es wie von allein. Man hat als Rapper auch Timing-Vorteile, was die Sprache und das Spielen anbelangt. Ich glaube, es ist für einen Schauspieler viel schwieriger zu rappen als umgekehrt als Rapper eine Szene zu spielen.

In „Blockbustaz“ hast du Sol gespielt, der in einem ‚Problemviertel‘ wohnt, selten Arbeit hat und eigentlich Rapper werden will. Gibt es Verbindungen zu deinem Lebenslauf?
Eko: In der Sitcom ist das Viertel Köln-Chorweiler, während ich selbst aus Köln-Kalk/Humboldt/Gremberg komme, was aber genauso ein Brennpunkt ist. Eigentlich ist es verrückt, dass ich vom Publikum ausgewählt wurde, den Zuschauern das vorzuspielen, was ich quasi früher erlebt habe. Wobei das jetzt nicht 1:1 ist, die Serie ist nicht autobiografisch.
Mir war wichtig, mich nicht über die Leute aus so einem Viertel lustig zu machen. Ich komme selbst von dort und weiß, dass dort viele liebe sympathische und intelligente Menschen wohnen.

Stammte die Musik in „Blockbustaz“ auch von dir?
Eko: Den Soundtrack habe ich zusammen mit meinem Produzenten Isy B produziert. Wir haben uns dabei ein bisschen an der Musik von „Der Prinz von Bel-Air“ orientiert, die auch etwas hiphop-lastig ist.

In einer Folge war Moritz Bleibtreu mit einem Rap zu hören. Hat er einen guten Flow?
Eko: Er hat das bombastisch gemacht. Ich habe ihn mehrmals gefragt, ob er seinen Rap-Part wirklich selbst geschrieben hat – er hat geschworen, dass der Text von ihm war. Er ist ja ein Rap-Experte und kennt sich da sehr gut aus.

Ein weiterer Song, der in „Blockbustaz“ auftauchte ist „Lass die Affen aus’m Zoo“ von Haftbefehl
Eko: Das war ein Wunsch des Regisseurs, ich finde aber auch, dass der Song in die Szene passt. Der Nachbar klopft weil die Musik zu laut ist, er ruft „mach die Kanackenmusik aus“ – ich denke, dass Haft im Moment der Puls dieser Jugendkultur ist.

Würdest du für dich sagen, dass du seine Texte verstehst?
Eko: Ja, klar.

Wenn er zum Beispiel Zeilen rappt wie „Drive-by mit AKs, siehst die Löcher noch am Tatort, Bleib in deinem Dorf, sonst gibt’s Kugeln in dein‘ Kaffa“…
Eko: Wenn du ein Gangster-Rapper bist, erzählst du aus der Beobachter-Perspektive. Er rappt da nicht: „Ich fahre mit einer AK…“, sondern es ist sozusagen ein Bericht. Und er spricht die Sprache der Jugendlichen.

Oder „MCs in Germany blasen in Michigan, lass die Straße brenn‘, das ist FFM“.
Eko: Damit meint er Leute, die den amerikanischen Rap feiern, den sozusagen übersetzen und in Deutschland produzieren. Das findet Haftbefehl nicht real, weil er denkt, dass es hier auch eine eigene Straßenkultur gibt, was ja auch stimmt. Er sagt: Warum amerikanischen Rap nachmachen? – Wir haben doch eine eigene Identität.

Zitiert

Es ist gut, dass ich zwischendurch auch mal Dreck gefressen habe.

Eko Fresh

Ist man als Rapper eigentlich ein Stückweit auch Schauspieler? Wenn es in Texten um Dinge geht, die mit dem eigenen Leben nichts zu tun haben…
Eko: Man kann nicht alle Rapper über einen Kamm scheren und pauschal sagen, „das haben die nicht erlebt.“ Es gibt ja sehr unterschiedliche Rapper und nicht nur Gangster-Rap. Das wird leider in den Mainstream-Medien oft falsch dargestellt. Weil Gangster-Rap das Anstößigste ist wird es immer hervorgehoben, weil da die Leute eher drauf klicken.
Der perfekte MC ist, wer einerseits das Talent und das Künstlerische drauf hat und der andererseits aber auch diese Dinge erzählen darf, weil er es erlebt hat.

Wie ist das bei dir?
Eko: Ich rappe keine Gangster-Lyrics, etwas wie „ich ballere alle ab“ kommt bei mir nicht vor. Allerdings habe ich auch an der unteren Armutsgrenze gelebt, deswegen kann ich es mir rausnehmen, darüber zu berichten.

Was ist mit „Diese Zwei“? Im Video mit Bushido sieht man ja schon allerhand Waffen…
Eko: Die Waffen kommen im Song aber nicht vor. Das war ein Song, wo wir nach gefühlten zehn Jahren unsere Differenzen aus dem Weg geräumt haben. Im Video sind wir wie John Travolta und Samuel L. Jackson, die zusammenkommen und sich an frühere Zeiten erinnern, darauf ist es eine Anspielung. Das ist ja auch ein Musikvideo und keine Doku.

Ich erinnere mich noch an ein Video, wo man dich im Luxusleben sieht…
Eko: Über Luxus rappe ich sehr selten, ich gebe in Texten nicht an mit materiellen Dingen. Weil ich auch erlebt habe, wie es ist, wenn man nichts hat. Ich mag es nicht, wenn man anderen den eigenen Luxus unter die Nase hält. Kay One zum Beispiel singt nur über Yachten und so – das finde ich Schrott. Das funktioniert nicht, zumindest nicht in meiner Welt.

Was ich meinte war das Video zu „German Dream“.
Eko: Bei „German Dream“ ging es mir einfach um die Feststellung, dass ich die letzten zehn Jahre eine sehr schöne Zeit hatte, da wollte ich zeigen: „Guckt mal, ich habe es wieder geschafft“. Der Text des Songs entspricht der Realität.

‚Realness‘ scheint dir also wichtig zu sein.
Eko: Ja, das ist das Einzige, was ich habe. Ich habe vor 15 Jahren mit Rap angefangen, damals war ich gar nicht in der Lage, mich als irgendeine bestimmte Figur zu inszenieren. Ich bin da nicht mit so einer Distanz rangegangen, sondern habe einfach gemacht. Und heute kann ich mich auch nicht mehr inszenieren, das würde sofort auffallen, weil die Leute mich alle schon so kennen wie ich bin. Meine Texte sind zum Teil überspitzt oder ironisch, aber es basiert alles auf meiner wirklichen Person. Das hat Nachteile, weil es manchmal nicht so polarisiert, hat aber auch den Vorteil dass es langfristiger ist.

In der Tat sind viele Rapper mit Gangster-Image sehr erfolgreich…
Eko: Ja, aber das mit dem Image gibt es längst nicht nur im Gangster-Rap. Cro zum Beispiel ist auch eine Inszenierung, der läuft im Privatleben ja auch nicht mit Panda-Maske rum und ist immer nur happy, sondern das ist das Image, das er verkauft.

Fler sagte jüngst in einem Interview: „Ich kann nur das rappen was ich gelebt habe.“

Fler meint, wenn ein Rapper nicht weiß, wovon er redet, dann sei das „Fake“. Siehst du das genauso?
Eko: Da hat Fler Recht und Unrecht. Er hat Recht, weil Rap die einzige Musik ist, die 1:1 das Leben widerspiegeln kann und widerspiegeln sollte: Wenn du es nicht bist solltest du es nicht rappen.
Andererseits sagt Fler das auch aus einem persönlichen Interesse heraus. Weil er – genauso wie ich – schon lange dabei ist und sich gar nicht neu inszenieren kann. Alle kennen ihn ja. Und natürlich kommen dann manchmal neue Rapper, wie zum Beispiel Kollegah, die dann für alle interessant sind. Wie man damit umgeht ist jedem selbst überlassen. Außerdem ist gar nicht bewiesen, dass Kollegah das nicht selbst erlebt hat.

Ist diese Realness, über die wir hier sprechen, auch möglich, wenn ein Rapper Texte rappt, die er nicht selbst sondern die andere für ihn geschrieben haben?
Eko: Meiner Meinung nach nicht. Dafür nehme ich HipHop zu ernst. Ab dem Moment, wo ein anderer für den Rapper den Text schreibt, wird es ein Geschäft. Ich persönlich könnte das nicht, ich würde das nicht übers Herz bringen. Selbst wenn ich dann als Penner unter der Brücke leben müsste. Das werden dir auch alle Kollegen sagen, wenn du sie über Eko fragst. Das geht nicht.

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Ghostwriting ist im HipHop immer noch ein Tabuthema. Könnte es irgendwann dazu kommen, dass man damit etwas lockerer und offener umgeht? Sprich, dass Rapper auch mal Fremdautoren in den Credits nennen?
Eko: Das muss der Rapper selbst entscheiden, sozusagen der Kunde. Als Dienstleister, also als Ghostwriter, habe ich nicht das Recht, zu sagen: Ich habe das geschrieben. Der Rapper bezahlt ja für diese Leistung, wie das dann kommuniziert wird entscheidet der Auftraggeber. Das liegt nicht in meiner Hand, ich bin da auf der anderen Seite. Ich verdiene damit zum Teil mein Geld und wenn ich die Namen nennen würde, würde ich keine Aufträge bekommen.

Wie viele Songs hast du als Ghostwriter schon geschrieben?
Eko: Das sind schon einige Lyrics gewesen, ich denke um die 100 Songs.

Wow! Schreibst du immer noch auf Papier?
Eko: Ja. Das habe ich so gelernt und bis heute so durchgezogen.

Aus welchem Grund?
Eko: Wenn du in der Gesangskabine bist, musst du die Texte sehr schnell ablesen. Und wenn ich den Anfang einer geschriebenen Zeile sehe, erkenne ich schon den ganzen Satz.

Ginge das nicht auch mit einem Handy oder Tablet?
Eko: Beim Handy geht das ein wenig flöten, zumindest bei mir. Das ist so ein konditioniertes Ding: Wenn du es auf Papier machst merkst du dir im Unterbewusstsein irgendwie, dass du diese Zeile geschrieben hast. Und wenn du dann den Anfang der Zeile siehst, dann schaltet dein Gehirn auf: ‚Ach, das kenne ich schon‘.

Wenn man sich deine Diskographie anschaut, bekommt man durch die vielen Features den Eindruck, dass du im HipHop hierzulande derjenige mit den meisten Verbindungen in die Szene bist, von Azad bis Xatar sind fast alle großen Rapper dabei. Wie geht das bei einem Genre, zu dem nun mal auch Beefs dazugehören?
Eko: Ich hatte auch mal meine Beef-Zeit, ungefähr vor zehn Jahren. Aber irgendwann bin ich dann zur neutralen Person im Rap-Leben geworden. Ich stelle mich nicht auf eine bestimmte Seite, deswegen ist es einfacher, mit mir zu arbeiten. Viele andere können das nicht, weil sie zu bestimmten Camps gehören.

Bist du harmoniesüchtiger als andere?
Eko: Ja, bin ich. Manchmal ärgert mich das auch. Da denke ich dann „du bist immer so nett, vor allem in Interviews“ (lacht). Neutral zu sein ist dafür aber langfristiger. Ich setze darauf, eine Konstante in diesem Spiel zu sein, dadurch habe ich mittlerweile so eine Art Onkel-Status. Das ist vielleicht manchmal nicht so spannend wie der neueste Scheiß, der rauskommt. Aber auf der anderen Seite: das bin halt ich. Dass ich eine ruhige Kugel schiebe, darin spiegelt sich meine Persönlichkeit.

Gibt es dennoch Kollegen, mit denen du heillos zerstritten bist, wo das Tischtuch für immer zerschnitten ist?
Eko: Ich glaube, dass die alte Geschichte, der Streit mit Kool Savas, sich so versteift hat, dass wir in diesem Leben wahrscheinlich keine Musik mehr zusammen machen. Savas ist aber nicht wegzudenken aus der Szene und er sieht wahrscheinlich auch, dass ich genauso dableiben werde. Insofern ist das so ein neutraler Respekt zwischen uns, das hoffe ich zumindest.

Sind Beefs zwischen Rappern eigentlich nur anstrengend oder macht das auch Spaß, einem Kollegen mal eine ‚reinzudrehen‘?
Eko: Das kommt auf die Situation an. Es gibt Beef, der wirklich ernst ist, wo man denkt: Wenn die beiden sich treffen, wird es mindestens ein lautes Wortgefecht geben. Es gibt aber auch Beef, der lustig oder ironisch ist, wo es nur darum geht, sich gegenseitig ein bisschen lächerlich zu machen.

Du hast 2004 in „Die Abrechnung“ ordentlich ausgeteilt. Wenn man so einen Text schreibt, ist da kein Spaß dabei? Sind das alles so ernste Zerrüttungen?
Eko: Ich habe das todernst genommen. Ich war als Jugendlicher in diese Szene reingekommen, durch einen Hit, „König von Deutschland“. Dann hatte ich die Unverfrorenheit, noch einen Hit zu haben, und noch einen… und dann bekam ich sehr viel Hate ab. Man hat viele Dinge damals nicht so locker gesehen wie heute. Die „Bravo“ zum Beispiel war der allgemeine Feind.
Als der Hate gegen mich sehr groß war, habe ich gesagt: Ich bin doch ein Rapper, es kann nicht sein, dass ich hier als Pop-Typ abgestempelt werde. Deshalb habe ich dann diesen Rundumschlag gemacht. Das war mir ernst, ich konnte das nicht auf mir sitzen lassen.

In „700 Bars“ hast du ja später selbst gerappt, dass die ein oder andere Single von dir „etwas poppig, kommerziell“ war. Die Pop-Ausflüge haben dir die Kollegen offenbar übel genommen.
Eko: Ja, Savas zum Beispiel hat darüber in „Das Urteil“ gerappt, er wollte damit sagen „du hast dich jetzt für die „Bravo“ entschieden, du kannst nicht wieder zurück zu Rap“. Das klebt mir bis heute am Arsch. Aber ich nehme das mittlerweile mit Humor. Auch weil ich sehe, dass ich am Ende in diesem Oldschool-HipHop geblieben bin. Das ist mein Ding.

Wie war denn deine Sony/BMG-Zeit?
Eko: Die war cool, ich habe noch die Zeit mitbekommen, als die Musikindustrie noch eine große Fete war, wo das Geld und Schampus geflossen sind. Acces all areas.

Bist du heute künstlerisch freier als damals?
Eko: Es gab auch damals keine Vorgaben, ich habe immer das gemacht, was aus mir rauskam. Und wenn du als 18-Jähriger gerade bei BMG gesignt wurdest, dann rappst du halt auch so. Ich war geistig auch nicht dazu in der Lage, so abgewichst zu sein, mir ein Image zurechtzulegen. Ich war eher wie ein kleiner Junge im Spielzeugladen.
Mein Musikgeschmack hat sich mit der Zeit natürlich geändert. Das gibt es aber bei fast jedem Rapper. Casper zum Beispiel, wenn man sich die Battle „Feuer über Deutschland“ anschaut, wo er damals teilgenommen hat, da ist er im Vergleich zu heute auch ganz anders. Er war da noch unbekannt und in seinem Experimentierstadium, das hat keiner gesehen. Im Gegensatz zu mir, wo immer Kameras dabei waren, weil ich eben mit 18 schon sehr bekannt war.
Man kann schon sagen, dass damals nicht jeder Song von mir der true-este/wahrste HipHop war. Aber wenn man sich anguckt, was andere Rapper damals so gefeiert haben – da bin ich nicht der Einzige. Das sind halt Jugendsünden, die man lächelnd wahrnimmt, wie wenn man ein altes Foto sieht.

Laut Wikipedia hast ja mal einen Wrestler gemanagt…
Eko: Als Rolle, ja. Ich bin als Kind ein großer Wrestling-Fan gewesen und habe mich gefragt, wie das dort hinter den Kulissen ist. Deswegen habe ich eine Zeit lang beim deutschen Wrestling mitgemacht, ich habe zum Beispiel Cesaro kennen gelernt, der es bis in die WWE geschafft hat.

Ist Beef zwischen Rappern manchmal wie ein Wrestling-Schaukampf?
Eko: Nein. Denn es geht im Rap um dein persönliches Leben, es geht um Existenzen. Beim Wrestling bekommt nach einem Kampf jeder der beiden sein Geld, die Leute wissen, dass es eine Aufführung ist und die Kämpfer sind alle eingeweiht. Beim Rap ist das anders. Nach einem Beef spricht dich jeder drauf an, es geht um deinen Ruf, du wirst in deinem privaten Leben krass damit konfrontiert. Es kann es passieren, dass dein Hund oder deine Tante angegriffen wird, die gar nicht eingeweiht sind oder es nicht wollen. Es ist ernster.

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Rapper wie Xatar oder Haftbefehl haben in ihrer Vergangenheit Drogen verkauft, bei Xatar ging die kriminelle Karriere bis zum bewaffneten Raubüberfall. Warum würdest du sagen, bist du nie auf die schiefe Bahn geraten?

Eko: Meine Mutter hat mich davor bewahrt. Ich durfte alles machen, aber ich sollte mich um die Schule kümmern. Sie war auch total dagegen, als ich den Plattenvertrag unterschrieb und ausgezogen bin. Meine Mutter hat alles dafür gegeben, dass ich nicht in kriminelle Kreise komme. Nach den ersten erfolgreichen Jahren hatte ich ja sogar eine Zeit, in der ich wirklich an der Armutsgrenze lebte. Aber ich war zu bekannt um in irgendein illegales Business einzusteigen.

Wie blickst du zurück auf diese Zeit?
Eko: Die Zeit war wirklich schlimm. Aber wenn ich darüber gerappt habe, habe ich nie geheult, sondern immer lustig und ironisch darüber gerappt. Das war meine Art, sich damit auseinanderzusetzen.
Ich weiß auf jeden Fall, wie es ist, wenn man nichts hat. Über diese Erfahrung bin ich auch froh, das hat mich humbled gemacht, ich kann mich jetzt viel mehr über Sachen freuen. Von unten nach oben ist sowieso immer besser. Wenn du am Anfang schon oben bist hast du ganz andere Probleme. Es ist gut, dass ich zwischendurch auch mal Dreck gefressen habe. Ich bin mit allen Wassern gewaschen und deshalb kein Arschloch geworden.

Dein finanzieller Absturz muss beträchtlich gewesen sein, schließlich hast du 2004 (in „Die Abrechnung“) noch gerappt, dass du „bald Millionär“ bist. Woran lag es? Haben etwa die Plattenfirmen so hohe Produktionskosten zurückgefordert?
Eko: Das sind verschiedene Sachen, Wechsel vom Label, Wechsel vom Management, da wird eine Ablöse genommen usw. Ich war jung und habe mich wenig gekümmert, hatte wenig Ahnung von Papierkram. Das ist das typische Musikbranchen-Ding. Zum Glück konnte ich mir das aber zurückerkämpfen. Im Rap ist das ja möglich, du kannst dir das als Rapper wieder erkämpfen. Stell dir vor ich wäre bei DSDS gewesen, da würde ich heute einen Scheißdreck machen.

In „Blockbustaz“ wurde ja Einiges an Cannabis geraucht und angebaut. Wie stehst du zu dem Thema? Samy Deluxe zum Beispiel sagte neulich auf der Pressekonferenz zu „Sing meinen Song“, dass es von ihm keinen drogenverherrlichenden Song in der Sendung geben werde….
Eko: Das soll jeder für sich entscheiden. Ich bin kein Prediger oder Politiker, ich bin ’nur‘ Künstler, ich kann nur von meinem Erfahrungsschatz berichten. Und da muss ich sagen: Ich habe lange Cannabis konsumiert, jahrelang hardcore, schon morgens wenn ich aufgewacht bin – und es hat mir nichts gebracht. Das war diese schlimmste Zeit meines Lebens, von der ich dir gerade erzählt habe. Cannabis hat das in dem Moment für mich erträglicher gemacht, aber es hat auch etwas Schlechtes: Du setzt dich mit der Lösung nicht auseinander. Du willst es nicht. Du liest deine Briefe nicht, gehst nicht ans Telefon.

Du würdest also heute davon abraten?
Eko: Solange es ein Genussmittel bleibt, muss das jeder für sich entscheiden, aber sobald es zu einer Sucht wird, bin ich raus. Ich bin froh, dass ich das hinter mir habe. Ich habe meinen Führerschein übrigens deswegen erst sehr spät gemacht. Ich hatte keine Motivation, weil ich dachte, dass ich in der Probezeit dann nicht rauchen kann.

Und deine Textproduktivität, hat die sich durch Cannabis nicht vergrößert?
Eko: Doch, ich habe damals immer gekifft, wenn ich geschrieben habe. Aber wie du siehst bin ich heute immer noch produktiv. Klar, vielleicht kommt man durch Cannabis auf verrückte Ideen und Textzeilen… Aber ich für mich kann das heute nicht mehr vertreten. Ich werde selbst bald Vater und kann den Konsum in meinen Texten nicht empfehlen.

Samy Deluxe sagte im Interview zum Thema Verantwortung: „Man hat sich als Künstler die Verantwortung nicht ausgesucht, aber wenn man sie dann nun mal hat, muss man auch versuchen, so gut wie möglich mit ihr umzugehen.“
Eko: Selbst Snoop Dogg hat irgendwann gesagt, er könne kein Gangster-Album mehr machen. Damit beschäftigen sich alle, wenn sie ein gewisses Alter erreichen.
Ich sehe mich als Berichterstatter – und da ist es ein bisschen wie bei der Presse: Du kannst dir aussuchen, ob du hetzerisch berichtest oder ob du dir einen Bildungsauftrag mit reinnimmst. Selbst wenn ich in einem Text über Crime berichte, tue ich das mit einer gewissen Distanz und einer reflektierten Seite. Es muss auch ein Ausweg da sein, eine Lösung, sonst kann ich das nicht vertreten. Ich könnte keinen Gangster-Text schreiben, der nicht auch eine Alternative aufzeigt.

Gerade ist dein Album „Freezy“ erschienen. Worum geht es textlich?
Eko: Zum Beispiel geht es wieder viel um Köln. Weil die Stadt wieder in den Schlagzeilen ist und weil ich zufällig auf der Straße gewohnt habe, wo jetzt immer Razzien stattfinden.

eko coverWarum ist dein Song „Domplattenmassaker“ nicht auf dem Album ?
Eko: Das wäre für mich ein Leichtes gewesen, ich habe es aber nicht gemacht, weil ich mich nicht an der schlechten Situation anderer bereichern will. „Domplattenmassaker“ war ein Track, der für die Öffentlichkeit war, dessen Message so viele Menschen wie möglich hören sollten, den ich aber nicht kommerziell verwerten wollte.

Hat sich das Klima in Köln seit den Geschehnissen an Silvester verändert?
Eko: Ja, klar. Es ist überall Thema, bei jeder Nachricht kommt das wieder hoch. Neulich habe ich Reportern vom Kölner Stadtanzeiger mein altes Viertel gezeigt, die Straße, wo ich lange gewohnt habe. Ich habe denen die Freundlichkeit und Wärme der Leute gezeigt, das Südländische usw. Aber am gleichen Tag hat dort die Polizei mit 50 Mann wieder eine Razzia durchgeführt. Viele Leute, auch in meinem alten Viertel, stehen jetzt unter Generalverdacht, vor allem bei denjenigen, die die Nachrichten weniger differenziert betrachten.

Ganz egal wie ich mich auch änder, ich bleib immer der scheiß Ausländer,
Egal wie viel Kohle ich mache, ich bleibe immer der Quotenkanake.“
So hast du vor drei Jahren in „Quotentürke“ gerappt.

Eko: Die Zeilen klingen schon sehr hart, aber das ist mein Galgenhumor, den hatte ich immer wieder. Der Text bezog sich auf mich als TV-Persönlichkeit: Ich mache schon 15 Jahre Rap, bin also durchaus Rap-Experte – aber im TV komme ich nur vor, wenn es um Türken geht. Ich werde von den Medien nicht als ‚gefühlter Deutscher‘ wahrgenommen. Was wohl auch daran liegt, dass ich Rapper bin, das ist ja eher etwas, was man der Unterschicht und den Ausländern zuspricht. Aber ich versuche das Beste draus zu machen, eben durch einen Song wie „Quotentürke“. Wenn eine angespannte Stimmung im Raum ist, dann hilft es, einen Witz zu erzählen. Deswegen ist der Humor ein Vehikel, das ich gerne benutze.

Der deutsch-irakische Schriftsteller Abbas Khider verglich bei uns im Interview das aktuelle Klima gegenüber Migranten mit der Zeit nach dem 11. September. Erlebst du das ähnlich?
Eko: Ich persönlich erlebe es weniger, weil mich viele erkennen. Aber ich weiß von vielen Kollegen, dass sie das so erleben. Deshalb habe ich den Song „Domplattenmassaker“ ja auch gemacht, um zumindest für Köln ein Statement zu setzen, weil ich mich als Sprachrohr sehe. Nicht nur als Sprachrohr der Ausländer, sondern auch der Deutschen, mit denen wir hier zusammen aufgewachsen sind. Mein Megaphon ist allerdings nicht so groß wie das Megaphon der Hetzer. Ich versuche, etwas dagegen zu setzen, aber ändern kann ich es alleine nicht.

Was ist deine deutscheste Eigenschaft?
Eko: Also, wenn meine türkischen Fans wüssten, was ich teilweise für deutsche Eigenschaften habe (lacht). Ich bin sehr genau. Und ich bestehe auf Sachen. Ich bin schon extrem eingedeutscht.

Wie stehst du eigentlich zur Religion? War für dich Rap und Religion jemals ein Gegensatz?
Eko: Nein. Ich sehe das so: Ich habe das Rap-Talent von Gott bekommen, ich soll das machen und damit lernen und darin aufgehen und dadurch ein besserer Mensch werden. Der eine kann malen, der andere Autos reparieren – und ich kann rappen. Für mich ist das mit der Religion vereinbar.

Sido verglich im Gespräch Rapper wie Samy Deluxe mit Lyrikern wie Goethe und Schiller. Wie siehst du den Stellenwert von Rap? Seid ihr die Poeten von heute?
Eko: Ich würde schon sagen, dass unsere Texte am Puls der Zeit sind. Im Mittelalter ist man mit einer Papyrusrolle auf den Marktplatz gegangen und hat dort vorgetragen, was gerade los ist. Heute machst du deine Rhymes und stellst sie ins Internet. Ich weiß nicht, was Rap heute für einen Stellenwert hat, aber in jedem Fall wird er unterschätzt.

Woran machst du das fest?
Eko: Ich habe nur wenige Situationen erlebt, wo das mal jemand erkannt hat. Thomas M. Stein zum Beispiel hat es damals gesehen, der meinte: „der Eko kann super texten, lass den mal das Yvonne Catterfeld-Lied schreiben“ – und das wurde dann ein großer Hit („Du hast mein Herz gebrochen“). Die Leute müssen es mit den eigenen Augen sehen, dann raffen die das erst. Weil diese Art von Kunst in deren Köpfen sonst nicht vorkommt.
Ich habe ja selbst viele Rapper entdeckt, trotzdem habe ich nie von einem Label gesagt bekommen: Wir stellen dich ein als A&R (Artist & Repertoire). Bevor sie dir als Rapper so eine Position geben, fragen sie dich erstmal ob du überhaupt zurechnungsfähig bist, weil sie denken „das sind ja Ausländer, Rapper aus dem Dreck“ usw. Dabei haben wir ganz andere Qualitäten und könnten teilweise den Job viel besser machen. Einmal war ich kurz davor, bei 7 Days Music, aber dann ist das Label pleitegegangen, was aber eben nicht an der HipHop-Abteilung lag. Nur war es da schon zu spät.

Rapper werden als Person also zu wenig ernst genommen?
Eko: Es ist noch zu fremd für die Entscheidungsträger. Die stoßen sich an deiner Person da geht es nicht um das, was du wirklich kannst. Diese Vorurteile müssen aus dem Raum geschafft werden. Und dafür müssen dich die Leute erstmal live erleben.

[Das Interview entstand im März 2016.]

2 Kommentare zu “Ich bin schon extrem eingedeutscht.”

  1. Thomas |

    Das Vertrauen in der Ghostwriterbranche wichtig ist klar. Nicht ohne Grund steckt in dem Begriff Ghostwritring, das Wort Geist. Einen Geist sieht man nicht. Genausowenig wie einen Ghostwriter. Kannte Ghsotwriting aber bislang eher aus der Unizeit. Da haben sich einige bei http://www. eine Vorlage basteln lassen. Angeblich nur als Vorlage. Überprüfen konnte das damals keiner. Im Bereich HipHop finde ich Ghostwriting interessant. Besonders weil sich die meisten Rapper über ihrere Texte definieren, die sie dann nicht mal selber schreiben ;-)

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  2. adam |

    Eko Fresh weiß genau, was er tut. In der Ghostwriting-Branche muss man schon diskret sein und im Schatten stehen. Ansonsten würde er das Vertrauen seiner Kunden verlieren und die Vertrauensbasis zwischen dem Ghostwriter und Kunden ist nicht so leicht wieder aufzubauen

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