Douglas Wolfsperger

Die Mutter scheint in unserem Staat mehr wert zu sein als der Vater.

Dokumentarfilm-Regisseur Douglas Wolfsperger über diskriminierte Väter, das Recht auf beide Elternteile und wie er um den Umgang mit seiner 11-jährigen Tochter kämpft

Douglas Wolfsperger

© douglas-wolfsperger.de

Herr Wolfsperger, werden Väter in Deutschland diskriminiert?
Wolfsperger: (überlegt) Ich glaube schon, dass man das so sagen kann. Wie soll man die Gesetzeslage und Rechtsprechung in Deutschland anders beurteilen? Wir sind alle keine Heiligen. Es geht doch aber nicht darum, was in einer Beziehung an Verletzungen passiert ist. Man muss sich nach der Trennung darauf besinnen, dass das Kind meistens in Liebe entstanden ist, also in gemeinsamer gegenseitiger Zuneigung. Man kann es dem Kind nicht antun, dass es nur noch einen Elternteil hat.

Sie haben Ihre 11-jährige Tochter vor genau einem Jahr zuletzt gesehen, weil die Mutter des Kindes den Umgang nicht will und die Gerichte schlussendlich auf deren Seite waren. Können Sie sich noch daran erinnern, was es für ein Gefühl war, als Sie und ihre Tochter zum vorerst letzten Mal auseinander gingen?
Wolfsperger: Das war wirklich ein schlimmes Gefühl. Ich habe alles in allem acht Jahre lang um einen Umgang mit meiner Tochter gekämpft. Doch nachdem der Umgang von der Mutter immer wieder verhindert worden war, sagte die Richterin am Berliner Kammergericht: „Das Kind braucht jetzt Ruhe.“ Was soll das aber heißen? „Ruhe“ vor dem Vater? „Ruhe“ vor was? Das wurde nicht beantwortet. Diese Fragen quälen mich bis heute.

Es gab dann ein letztes Treffen.
Wolfsperger: Ja. Dass es zu so einem Schlusspunkt kam, indem ich mich von ihr für viele Jahre verabschieden musste, war der Hammer. Völlig absurdes Theater. Ich bin ja nicht tot, sondern ein Vater, der lebt und gerne für sein Kind da wäre. Anders als mein eigener Vater, der gestorben ist, als ich genauso alt war wie meine Tochter heute. Trotzdem bin ich als lebendiger Vater für meine Tochter sozusagen nicht mehr existent.

Wie kann man nun Ihren Dokumentarfilm verstehen, mit dem Sie mit Ihrer persönlichen Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen sind? Ist es eine Art Hilferuf aus Ihrem Ohnmachtsgefühl heraus oder vielmehr eine Art Zeugnis, um später der Tochter zeigen zu können: Schau, ich habe mich bemüht, ich war da, aber ich durfte nicht, wie ich wollte?
Wolfsperger: Von allem ein bisschen was. Ich glaube, in erster Linie ist es schon ein Dokument für meine Tochter. Aber während ich recherchiert und mich mit anderen betroffenen Vätern unterhalten habe, habe ich gemerkt, dass ich eben kein Einzelfall bin. Es ist auch ein Dokument der Ungerechtigkeit in unserem Land. Letztendlich nehmen vor allen die Kinder daran Schaden. Sie sind die Opfer, indem sie vaterlos aufwachsen, nicht die Väter. Mittlerweile kriege ich täglich Zuschriften von Vätern, die furchtbare Geschichten zu erzählen haben. Der Film ist ein Manifest für alle Väter, die benachteiligt, entwertet, diskriminiert, entsorgt werden.

Gibt es hier in Ihrer Wohnung etwas, dass Sie jederzeit an Ihre Tochter erinnert?
Wolfsperger: (steht auf und holt aus der anderen Ecke des Raumes ein paar Fotos, auf denen er zusammen mit einem lachenden Mädchen zu sehen ist) Diese Fotos habe ich, die mich an die Zeit erinnern. Sieht so ein durch den Vater traumatisiertes Kind aus? Es war eine schöne Zeit, die wir miteinander verbringen konnten. Doch je schöner es wurde, desto negativer war die Mutter eingestellt. Dass sie es nicht wahrhaben will, dass es einen guten Umgang mit dem Vater geben kann, ist für mich völlig unverständlich.

Will Ihre Tochter Sie denn sehen?
Wolfsperger: Sie hat zum Schluss unter anderem geäußert: „Ich will, dass er tot ist, dass ich ihn nicht mehr sehen muss.“ Obwohl wir einen wunderbaren Umgang miteinander hatten. Sie hatte vorher sogar einem Gutachter gesagt: „Ich würde meinen Papa ja gerne sehen, aber die Mama will das nicht.“ Und die Gutachterin schrieb: „Es ist die Mutter, die den Umgang nicht will und das ihrem Kind einflößt, bewusst oder unbewusst.“ Und zwei Jahre später äußert meine Tochter dann: „Er soll tot sein.“ Ohne dass wir uns gesehen haben in der Zeit. Es kam also zu einer Manipulation, bei der das Kind umgepolt wurde.

Woran lag es, dass die Mutter gegen den ursprünglichen Willen Ihrer Tochter und trotz der Feststellungen der Gutachterin, Vorrang bekommen hat?
Wolfsperger: Daran, dass die Mutter in unserem Staat grundsätzlich einfach mehr wert zu sein scheint. Egal was sie macht. 90 Prozent der Trennungskinder landen erst einmal bei der Mutter. Es wird auch gar nicht groß geprüft. Ich finde, dass die Gerichte sehr oberflächlich damit und zum Teil auch sehr stümperhaft umgehen. Die Mutter müsste schon Alkoholikerin sein oder auf den Strich gehen, dass beschlossen wird: Das Kind muss zum Vater.

Zitiert

Ich bin ja nicht tot, sondern ein Vater, der lebt und gerne für sein Kind da wäre.

Douglas Wolfsperger

Die Gerichte entscheiden offensichtlich aus der Gewohnheit heraus, dass die Kinder nach der Trennung bei der Mutter bleiben.
Wolfsperger: Und weil sie oft auch keine Ausbildung in Kinderpsychologie haben. Dabei sind es bestimmte Muster, die immer wieder auftreten. Zum Beispiel wenn ein neuer Mann ins Leben der Mutter tritt und er möglichst der neue Papa sein soll. Nach dem Motto: „Wir gründen eine neue Familie und die muss heil sein und heil wirken.“ Da bist du als leiblicher Vater ganz schnell außen vor. Das ist dann schon ein Gefühl des Sieges für die Mütter, das habe ich bei der Mutter meiner Tochter auch erlebt. Aber es ist kein Sieg für ewig, das weiß ich auch sicher. Denn irgendwann wird das Kind dahinter kommen, wie ihm mitgespielt wurde: Und dann möchte ich nicht in der Haut der Mutter stecken.

Kann man sagen, dass Trennungskinder oftmals für die Austragung von Beziehungsangelegenheiten missbraucht werden?
Wolfsperger: Man muss ganz deutlich sagen, dass es psychischer Missbrauch ist, dass Kinder von einem Elternteil als Waffe benutzt werden, um dem anderen richtig was rein zu drücken. In meinem Fall ist es so, dass die Kindsmutter selbst von ihrem Vater verlassen wurde als sie 13 war. Es gab also eine Geschichte, lang bevor wir etwas miteinander zu tun hatten. Vielleicht kamen noch ein paar Erfahrungen mit Männern hinzu. Ich bin jetzt das letzte Glied in der Kette, und dem kann man mit einem Kind richtig eins auswischen. Das Allerschlimmste daran ist eigentlich, dass die Mutter bis zum heutigen Tag nicht merkt, dass sie ihr Kind schamlos benutzt. Sie wird nicht müde zu behaupten, dass das Kind mich ja nicht sehen will. Das ist für mich unfassbar.

Also ist es aus Ihrer Sicht nicht nur der Egoismus der Mutter, sondern auch ein Nicht-Sehen?
Wolfsperger: Sie erkennt einfach nicht, dass es ihre negativen Gefühle sind, die sie dem Kind vermittelt hat. Sie hat das Kind dazu gebracht, dass es selbst ohnmächtig wurde, dass es nicht mehr wusste, was es glauben und fühlen soll. Da ist der Papa, der kommt mal eine Zeit lang, dann kommt er mal wieder nicht. Was soll das Kind von mir denken? Ich wirke doch völlig unberechenbar für das Kind.

Nun gibt es ja auch Fälle, wo es tatsächlich Sinn macht, dass die Väter keinen Kontakt zum Kind haben – wegen Drogen-, Alkoholproblemen oder anderem. Das alles ist bei Ihnen nicht gegeben – trotzdem finden Sie kein Gehör.
Wolfsperger: Von solchen Fällen wollen wir gar nicht reden. Wahrscheinlich sind es leider mehr Väter in unserem Land, die sich nach einer Trennung für ihre Kinder nicht interessieren. Aber es gibt mittlerweile auch eine ganz hohe Zahl von Vätern, die ernsthaft an ihren Kindern interessiert sind und die ausgebootet werden.

In Großbritannien hat kürzlich eine 66-jährige Frau mit Hilfe künstlicher Befruchtung ein Kind auf die Welt gebracht. Ist das aus Ihrer Sicht purer Egoismus? Hier gab es schließlich von Vornherein keinen Vater.
Wolfsperger: Was diese alte Dame da reitet, weiß ich auch nicht. Ich weiß nicht, ob man was anderes als Egoismus darin sehen kann.

Unabhängig vom Alter: Darf man Kinder kriegen wollen, ohne dass es für das Kind einen Vater gibt?
Wolfsperger: Es ist höchstens eine Notlösung. Vielleicht ist es in einem von tausend Fällen berechtigt. Grundsätzlich würde ich aber nicht sagen, dass es eine Berechtigung hat. Weil ein Vater definitiv nicht nur ein Erzeuger ist. Ein Kind hat grundsätzlich ein Recht auf beide Elternteile. Das ist auch das, was bis zu den Politikern mal durchdringen muss, da müssen entsprechende Gesetzesänderungen gemacht werden. Nur die allein reichen nicht aus. Wie man sieht, gibt es einfach zu viele Richter, die nicht Bescheid wissen. Die Verfahren um den Umgang müssten viel schneller in Gang kommen. Nicht so wie bei mir, wo das Gericht das endlos hingezogen hat, bis „das Kind in den Brunnen gefallen ist“. In meinem Fall hat die Gutachterin noch davor gewarnt: „Wenn jetzt kein Umgang stattfindet, wird das Kind entfremdet.“ Und was macht das Gericht? Es lässt sich alle Zeit der Welt. Die Richter machen sich damit doch mitschuldig an den zu erwartenden psychischen Fehlentwicklungen der Kinder.

Befürchten Sie, dass es irgendwann zu spät sein könnte, dass ihre Tochter sie vergisst?
Wolfsperger: Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir irgendwann wieder ein gutes Verhältnis miteinander haben werden. Ich habe ja eine Zeit mit meiner Tochter erlebt, da war es so. Wir haben uns gut verstanden und ich habe gespürt, dass meine Tochter ein Teil von mir ist, dass wir zusammengehören. Und wenn mich das Gespür nicht verlässt, wird dieses Gefühl auch bei meiner Tochter irgendwann wieder kommen, wenn sie frei entscheiden kann. Aber dass sie an dieser ganzen Geschichte Schaden nimmt, ist ohne Zweifel.

Im Film sagen Sie: „Ich werde nicht aufgeben, Vater zu sein.“ Was macht es für Sie aus, Vater zu sein?
Wolfsperger: Ich bin eine Identifikationsfigur für das Kind, die ihm genauso wie die Mutter etwas mit auf den Weg geben könnte. Die Identität des Kindes wird schließlich zu 50 Prozent vom Vater bestimmt. Ich merke an meiner anderen siebenjährigen Tochter, dass ich einen anderen Umgang mit dem Kind habe als die Mutter und dass es für ihre Entwicklung nötig wäre, dass es beide Seiten erlebt.

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