Doro Pesch

Ich bin für ‚on the road‘ gemacht

Rocksängerin Doro Pesch über das anstrengende Tourleben, weibliche Fans, zu Tränen gerührte Russen und weiche Knie in Wacken

Doro Pesch

© Jochen Rolfes

Frau Pesch, Sie feiern dieses Jahr Ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum. Noch immer sind Sie den Großteil des Jahres auf Tournee, wird Ihnen dieses wenig beständige Leben nicht irgendwann zu viel?
Doro Pesch: Ein absolutes Nein. Wirklich nie. Ich bin für „on the road“ gemacht. Mein Vater war Transportunternehmer, bis zu meiner Schulpflicht war ich ständig mit ihm im LKW unterwegs. Es ist nicht immer einfach, aber ein verortetes Leben ist nichts für mich. Mein Zuhause sind Konzerte und Festivals. Eben die Orte an denen ich meine Fans und andere Musiker treffe. Ich genieße auch nach 30 Jahren jeden Auftritt. Es ist so ein schönes Gefühl zu wissen, die Menschen kommen, um unsere Musik zu hören. Das ist mein Antrieb im Leben.

Sie haben eine Wohnung in New York und Düsseldorf. Wie häufig sind Sie dort anzutreffen?
Doro Pesch: Sehr selten. Meine Wohnungen sind eher ein Lagerort. Dort bewahre ich meine Kleidung und Fangeschenke auf. Wobei ich mit meinen New Yorker Wohnungen kein Glück hatte. Die erste lag direkt am World Trade Center, nach dem Anschlag war sie nicht mehr bewohnbar wegen Einsturzgefahr. Ich zog dann direkt an den Strand, Long Beach, doch das Haus wurde 2011 vom Hurrikan „Irene“ komplett zerstört. Und als wir es wieder saniert hatten, fiel es 2012 dem Hurrikan Sandy zum Opfer. Mein ganzer Besitz war weg. Alle Fangeschenke, all die wunderbaren Platten, die ich seit meiner Jugend gesammelt habe.

Überlegen Sie nach diesem Desaster in eine andere Wohngegend zu ziehen?
Doro Pesch: Nein. Ich liebe Long Beach, direkt am Meer. Das sieht immer aus wie im Rocky-Film. Am Strand mache ich mich fit für eine Tour, dort gehe ich auch stundenlang joggen.
Seit 30 Jahren bin ich mit dem Tourbus in der ganzen Welt unterwegs, aber erst in den letzten Jahren bemerke ich, wie sehr die Umwelt aus den Angeln geraten ist. Die Wetterverhältnisse sind extrem geworden. New York war nie eine typische Hurrikangegend, ich lebe dort seit 1987, erst 2011 habe ich einen Hurrikan erlebt. Ein Jahr später kommt ein noch verheerenderer – für mich sind das klare Anzeichen für einen Klimawandel.

Permanent aktiv und unterwegs zu sein führt bei manchen Menschen zu Erschöpfungszuständen. Wie ist das bei Ihnen?
Doro Pesch: Das Tourleben ist anstrengend keine Frage. Ich lebe mit 20 Mann in einem Bus. Bis ich nach einem Konzert in meine Koje komme ist es fünf Uhr. Da steht der erste schon wieder auf und läuft im Bus herum. Man muss es lieben und aushalten können und auch mal eigene Befindlichkeiten zurückstecken können. Aber das nehme ich gerne in Kauf, so lerne ich viele unterschiedliche Menschen kennen und erlebe Spannendes und Kurioses.

Zum Beispiel?
Doro Pesch: In meiner Band spielt ein Amerikaner, der erzählte seinem Vater vom neuen Engagement bei der Deutschen Doro Pesch. Der Vater war früher Seemann und beichtete seinem Sohn, dass er auf einer seiner Reisen in eine Deutsche verliebt war. So erfuhr mein Bandkollege erstmals von seiner deutschen Halbschwester. Obwohl wir als Anhaltspunkt nur einen Straßennamen hatten, haben wir uns auf die Suche nach ihr gemacht. Mit Erfolg, jetzt hat er auch deutsche Verwandtschaft.

Feiern die Menschen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich?
Doro Pesch: Wenn wir in Südamerika unterwegs sind, geht es von der ersten Sekunde bis zur letzten Sekunde ab. In Skandinavien brauchen die Leute eine Aufwärmphase, nach dem dritten Lied haben sie aber eine ähnliche Stimmung wie die Südamerikaner. In Russland bemerkt man die tiefe Seele der Menschen. Sie lieben hochemotionale Hymnen und sind dann bis ins Mark ergriffen, sie schließen die Augen und sind zu Tränen gerührt. In dieser Art sind die russischen Fans einzigartig.

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Meine Wohnungen sind eher ein Lagerort. Dort bewahre ich meine Kleidung und Fangeschenke auf.

Doro Pesch

Wie hat sich die Metalszene verändert, seit Sie angefangen haben?
Doro Pesch: Eine der größten Veränderungen ist der Einzug der weiblichen Fans. Früher waren die Metal-Fans zu 90 Prozent männlich, heute ist der Anteil nur noch bei 50 Prozent.
Eine Sache ist glücklicherweise gleich geblieben: Metal-Fans sind aufgeschlossen, tolerant, ehrlich und nicht stromlinienförmig. Außerdem sind auch die Radiosender und Fernsehsender aufgeschlossener geworden. Metal führt kein Nischendasein mehr, sondern ist in der Gesellschaft angekommen.

Viele Hörer besorgen sich ihre Musik heute kostenlos im Internet. Wie empfinden Sie das?
Doro Pesch: Ein befreundeter Musiker brachte es kürzlich ganz schön auf den Punkt. Er kann das Werteverhältnis nicht verstehen: Die Leute sind bereit für einen überdimensionalen Latte macchiato fünf Euro zu zahlen – für Lieder, die sie ein Leben lang haben und begleiten werden, nicht.

Sie gelten als die First Lady des Metal. Warum sind Ihnen so wenige Frauen nachgefolgt?
Doro Pesch: Es gibt einige Frauen, die bei etablierten Bands als Sängerin dabei sind. Wie die Ex-Sängerin von Nightwish Tarja Turunen oder Simone Simons bei Epica. Und natürlich die fantastische Sängerin Angela Gossow von Arch Enemy. Dennoch sind es nicht besonders viele Frauen. Ein Grund ist sicherlich, dass es heute schwieriger ist in der Branche überhaupt hoch zu kommen und sich zu etablieren. Ich habe mich mit 24 strikt für das Leben als Musikerin entschieden. Ich habe keine Kinder und war nie verheiratet. Ich kann nur ganz oder gar nicht.

Familie geht nicht?
Doro Pesch: Bei den Anforderungen – immer auf Tour zu sein – stelle ich es mir sehr schwer vor, einem Mann und Kindern gerecht zu werden. Wenn ich unterwegs wäre hätte ich ein schlechtes Gewissen der Familie gegenüber. Und würde ich nicht auf Tour gehen hätte ich ein schlechtes Gewissen meinen Fans und meiner Karriere gegenüber. So bin ich eben seit 30 Jahren, fast 24 Stunden am Tag Musikerin. Die Band und meine Fans sind meine wichtigsten Bezugspersonen.
So ein Leben ist aber nicht für jeden passend. Manche aus meiner Band zieht es wieder zurück ins normale Leben, weil sie bei ihrer Familie sein möchten und ihnen der ständige Ortswechsel zu viel wird.

Sie sind ständiger Gast auf dem größten Metal-Festival „Wacken“, das inzwischen wie eine Art Volksfest zelebriert wird. Ist mit der wachsenden Popularität der Ursprungscharakter des Festivals verloren gegangen?
Doro Pesch: Das ist doch immer so: Je größer etwas wird, je mehr Fans eine Band hat, desto mehr wird sie angreifbar und als kommerziell kritisiert. Ist etwas klein und überschaubar finden es alle toll, das ist sozusagen der Hauch des Exklusiven. Ich liebe Wacken aber immer noch wie am ersten Tag.

Wann war denn Ihr erster Wacken-Auftritt?
Doro Pesch: 1993. Damals war Metal gerade out, Grunge war in und Wacken war sehr überschaubar. Wir haben das Minidorf erst gar nicht gefunden, ein netter Bauer hat uns dann viele Kilometer mit seinem Traktor mitgenommen. Wacken ist als Miniveranstaltung für Fans von Fans gestartet und jetzt kommen Menschen aus der ganzen Welt. Für viele ist es eine Auszeit vom Alltag. Und wenn viele zusammen glücklich sind, ist daran doch nichts falsch, oder? Für mich ist es der schönste Moment im Jahr, wenn ich auf der Bühne die Eröffnungshymne „We are the Metalheads“ singe. Wenn das Festivalgelände geöffnet wird und die Fans zur Mainstage rennen bekomme ich eine Gänsehaut und weiche Knie.

2 Kommentare zu “Ich bin für ‚on the road‘ gemacht”

  1. Cindy |

    Hallo Doro! Mach weiter so. Freu mich auf Neuruppin! Du bist toll!

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  2. Lara |

    Doro mach weiter so mit haevymetal.Es ist einfach schade das deine CDs kaum noch hergestellt werden aber du wirst immer in meinem Herzen bleiben ……………………….für IMMER

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