Dido

Schau nicht auf’s Geld, sondern mach‘ erstmal.

Sängerin Dido über Inspiration, ihr Album "Girl Who Got Away", das Singen während der Schwangerschaft, frühe Techno-Produktionen, warum sie ihre Texte lieber nicht erklärt und was sie Nachwuchs-Sängern empfiehlt

Dido

© Guy Aroch

Dido, Sie haben sich zwischen Ihren Alben bisher stets vier bis fünf Jahre Zeit gelassen. Brauchen Sie diese langen Abstände, um kreativ zu sein?
Dido: Ich bin mit jedem Album sehr lange auf Tour gewesen. Dazu kommt, dass ich kein Künstler bin, der ständig an einem Album arbeiten muss. Es ist eher so, dass ich immer Songs schreiben will – und irgendwann ergibt sich daraus ein Album. Ich bin dann stolz auf die Songs und will sie rausbringen. In der Zwischenzeit will ich Abenteuer erleben, einfach mein Leben leben. Auch damit ich etwas habe, worüber ich schreiben kann, eben nicht nur, wie es sich im Tourbus oder auf einer Pressereise lebt.

Gibt es in Ihrem Leben ständig Dinge, die Sie inspirieren?
Dido: Ich denke immer an Musik, Texte und Songs, wenn mich etwas bewegt, will ich einen Song darüber schreiben. Die Ideen können überall kommen, im Flugzeug, im Zug, in der Nacht, auch wenn es gerade unbequem ist, etwas aufzuschreiben, zum Beispiel wenn ich Auto fahre.
Es gibt aber auch Zeiten, wo ich einfach nur dasitze mit meiner Gitarre und spiele und sich daraus ein Song entwickelt. Wenn ich immer nur warten würde bis eine Inspiration auftaucht, würde ich wahrscheinlich nicht so viel schreiben.

In Ihren Texten geht es häufig um persönliche Gefühle – ist Musik für Sie auch eine Art Therapie?
Dido: Nein, nicht wirklich. Es ist einfach die Art und Weise, wie ich die Welt sehe. Ich liebe es zu singen, auch wenn ich mal ein bisschen runterkommen möchte, singe ich. Meine Songs sind keine exakten Tagebucheinträge, sondern ich möchte sehr viel der Vorstellungskraft der Leute überlassen. Manch ein Song entsteht auch über einen langen Zeitraum so dass er viele verschiedene Dinge beinhaltet. Andererseits kann ein Song auch durch einen kurzen Moment entstehen.
Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass es eine Therapie ist. Das Singen ist es manchmal, aber nicht das Songwriting.

Wie hat Ihre Schwangerschaft das aktuelle Album „Girl Who Got Away“ beeinflusst?
Dido: Viele der Songs habe ich geschrieben, bevor ich schwanger wurde. Ich habe aber während der Schwangerschaft viel aufgenommen – und es hat Spaß gemacht, dort unten einen kleinen Freund im Magen zu haben, während ich singe. Meine Stimme hat mir in der Zeit auch sehr gut gefallen, so sehr, dass ich dachte, es wäre gut, für immer schwanger zu sein (lacht).

Die Stimme verändert sich wenn man schwanger ist?
Dido: Ja, ich kann das auch nicht genau erklären, vielleicht höre ich sie auch nur anders. Jedenfalls fühlt sie sich reicher und voller an. Und es ist ein lustiges Gefühl, wenn du diese kleine Person dabei hast, die dir gegen das Zwerchfell drückt. Was aber mit der Zeit schwierig wurde, war der Atem, den ich dann nicht mehr so lange halten konnte. Ich habe ja bis kurz vor der Geburt Songs eingesungen und die letzten paar Wochen waren hart. Da bin ich oft sehr schnell ausgestiegen, bei Zeilen, die ich normalerweise ohne Probleme bis zum Ende singen kann.

Die Geburt an sich erwähnen Sie allerdings in keinem der Lieder.
Dido: Also, ich weiß nicht wie es anderen geht, aber ich persönlich fand es unmöglich, einen Song über die Geburt meines Sohnes zu schreiben. Weil das eigentlich viel zu groß ist, um darüber zu sprechen, eine zu große Liebe. Er ist jetzt gerade 18 Monate alt und im Moment verspüre ich kein Bedürfnis darüber einen Song zu schreiben.

Sie schreiben dann lieber darüber, was auf der Welt passiert?
Dido: Es ist eine Mischung, von dem was auf der Welt und was in meinem Leben geschieht. In den Song „Freedom“ sind zum Beispiel sehr viele verschiedene Dinge eingeflossen. Und was das Schöne ist: die Leute ziehen für sich auch ganz verschiedene Dinge aus so einem Song heraus. Deswegen bin ich auch sehr vorsichtig und versuche möglichst nicht zu erklären, woran ich bei einem bestimmten Song gedacht habe. Weil ich es liebe, wenn Leute auf der Straße auf mich zukommen und mir erzählen, was ein Song für sie bedeutet, wie er mit ihrem Leben korrespondiert. Das ist viel aufregender als wenn ich jetzt konkret sagen würde: In dem Song geht es um Liebe und dies und das. Das müssen die Leute gar nicht wissen, das ist nicht interessant.

Zitiert

Ich hatte nie eine Gesangsstunde.

Dido

Aber wenn Sie nun jemand fragt, von welchem Krieg Ihr Song „The Day Before We Went To War“ handelt?
Dido: Das ist jeder Krieg, das kann an jedem Ort, zu jeder Zeit sein. Den Text haben mein Bruder Rollo (einst Mitglied der Band Faithless) und ich zusammen geschrieben und vielleicht haben wir dabei auch an verschiedene Kriege gedacht. Aber darüber diskutieren wir dann nicht. Was man sich am Ende darunter vorstellt, geht ja auch über so etwas Konkretes hinaus.
Es gibt natürlich Songs, wo man an einen bestimmten Moment denkt, bei „Endless Night“ ging es um eine bestimmte Person und Situation, auch „White Flag“ war ein spezieller Song. Der Spaß daran ist aber, dass niemand genau weiß, ob es sich auf etwas Bestimmtes bezieht oder nicht.

Was für Musik haben Sie eigentlich gehört, als Sie jung waren?
Dido: Als ich noch richtig klein war, habe ich irische Musik sehr geliebt, weil mir das auch mein Vater vorgesungen hat, Van Morrison, The Chieftains oder The Dubliners. Mein Vater hat allerdings sehr schief gesungen, weil er kein Empfinden für die richtige Tonhöhe hatte. Ich mochte aber die Geschichten, die diese Songs erzählt haben.
Ich habe auch klassische Musik und Ella Fitzgerald gehört. In meiner Teenagerzeit in den 80ern waren es dann Paul Young, Kate Bush, Spandau Ballett – all die großen 80er Jahre Bands. Viele von ihnen liebe ich immer noch, deren Songwriting und die Melodien sind einfach genial.

Hat Ella Fitzgerald Ihren Gesangsstil beeinflusst?
Dido: Sie war schon eine meiner Lieblingssängerinnen und auch die erste Interpretin, von der ich Songs gesungen habe, als Teenager in einer Jazz-Band. „Cry Me A River“ oder „Summertime“, das waren überhaupt die ersten Lieder, die ich öffentlich gesungen habe.

Heute können viele Menschen Ihre Stimme erkennen, wenn Sie im Radio gespielt werden. Haben Sie eine Vorstellung davon, was die Leute an Ihrer Stimme mögen?
Dido: Nein. Ich weiß nicht, was genau die Menschen da in meiner Stimme hören. Ich kann mich einfach nur sehr glücklich schätzen, weil ich nie eine Gesangsstunde hatte. Ich singe einfach wie ich singe (lacht) und ich bin sehr froh darüber, dass man meine Stimme wiedererkennt. Wobei das ja keine Absicht gewesen ist.

Viele weibliche Stimmen im Radio klingen heute oft nach dem Versuch, so wie prominente R’n’B-Sängerinnen zu klingen.
Dido: Ich denke, es ist keine gute Idee, zu kopieren. Andererseits lernst du auch, in dem du jemanden kopierst. Weil du beim Kopieren vielleicht über deine Grenzen hinaus gehst und merkst, dass du mehr kannst als du von dir gedacht hast.
Ich bin immer sehr beeindruckt, wie technisch perfekt R’n’B-Sängerinnen sind. Von mir würde ich das nicht behaupten. Meine Stimme ist eher eine Fortsetzung meines Songwriting-Prozesses. Ich habe eben als Songwriter angefangen, meine Lieder selbst zu singen – und das hier ist meine Stimme. Ich habe nie anders gesungen, weil ich gar nicht wüsste, wie ich das anstellen soll.

Viele Menschen kennen Ihre Zusammenarbeit mit Eminem, der im Jahr 2000 für seinen Song „Stan“ ein Sample von Ihnen verwendete. Von welchem Musiker würden Sie heute gerne gesamplet werden?
Dido: Ich bin sehr froh, dass ich jetzt mit Kendrick Lamar zusammenarbeiten konnte. Ich mag auch Dr. Dre, Drake, Jay Z, Kanye West – bei denen fühle ich mich geehrt, wenn ich von ihnen gesamplet werde.

Wenn Sie nun einer von denen jemand anruft und fragt: „Können wir von dir was haben?“ – ist man dann unter Musikern kollegial, oder will man auch Geld?
Dido: Musiker sind bei diesen Dingen untereinander normalerweise fair. Oft bietet dir ein Künstler von sich aus an, dich zur Hälfte am Song zu beteiligen. Und bei Leuten, die ich mag und respektiere, würde es mir nichts ausmachen, wenn sie mich samplen. Ich würde sie auch sicherlich nicht um Geld fragen.
Das war auch früher schon so, die Sachen, die ich für Faithless gesungen habe, dafür gab es hier mal ein Curry, dort mal ein Mittagessen, ich habe da aber nie Geld für verlangt. Das sage ich auch Nachwuchs-Sängern, wenn sie mich um Rat fragen: Schau nicht aufs Geld, sondern mach‘ erstmal. Kümmere dich nicht so sehr ums Business, wichtiger ist es erstmal, die Gelegenheit zu bekommen, zu singen. Dann verlieben sich die Leute in deine Stimme und es ergeben sich tolle Dinge.

Was denken Sie, wenn Sie heute die alten Technoproduktionen aus den 90ern hören, bei denen Sie gesungen haben, noch vor Ihrer Faithless-Zeit?
Dido: Das ist lustig, so habe ich angefangen. Und Dance-Musik mag ich immer noch. Damals in den 90ern, wenn ich auf einer Platte mitgesungen hatte und dann plötzlich in einem Club auf der Tanzfläche diesen Song mit meiner Stimme hörte und die Leute dazu tanzten – wow, das war ein tolles Gefühl!
Und das ist das, was ich meine: Ich habe damals wirklich für alles und jeden umsonst gesungen. (lacht) Mir hat das nichts ausgemacht, ich liebte es zu singen. Natürlich waren auch schreckliche Sachen dabei, Techno-Songs, von denen ich nicht wollen würde, dass sie heute veröffentlicht werden, weil es sauschlechte Texte waren, wo es mir richtig peinlich war, die zu singen. (lacht) Aber das waren lustige Zeiten. Ich habe mich da auch nicht verändert, wenn ich heute im Studio bin und jemand braucht eine Melodie oder Background-Gesang, bin ich immer bereit, ich liebe einfach meine Arbeit. Da ist Geld für mich definitiv keine Motivation.

Ein Kommentar zu “Schau nicht auf’s Geld, sondern mach‘ erstmal.”

  1. Kathleen |

    Toller Artikel

    eine wunderbare Sängerin die es nicht nötig hat (negative) Schlagzeilen zu veröffentlichen um ihr neues Album zu promoten, in vielen Ländern hat es Dido auf Platz1 geschafft und das zurecht, ihr neues Album ist zwar nicht das beste aus den Jahren davor, aber es lohnt sich reinzuhören.

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