Danny Boon

Zum Glück kann ich meine Therapeutin jederzeit anrufen

„Willkommen bei den Sch’tis“ machte ihn zu einem der erfolgreichsten Schauspieler Frankreichs, zur Zeit läuft sein Film „Super-Hypochonder“ in den Kinos. Mit uns sprach Danny Boon über seine Angst vor Krankheiten, die Unterschiede von Gesundheitssystemen und sein anstehendes Hollywood-Debüt.

Danny Boon

Danny Boon, Sie spielen in Ihrem neuen Film „Super-Hypochonder“ die Titelrolle. Wann waren Sie zum letzten Mal beim Arzt?
Danny Boon: Vor zehn Tagen hatte ich meinen letzten Check-up. Mein Blut wurde getestet, meine Lunge und natürlich auch mein Gehirn wurden geröntgt.

Mussten Sie sich wegen eines neuen Films untersuchen lassen?
Boon: Nein, wegen mir. Ich bin stets ein bisschen besorgt über mein Wohlergehen.

Wie oft machen Sie so einen Check-up? Sie sind 47; Krankenkassen empfehlen, ihn in diesem Alter alle zwei Jahre machen zu lassen.
Boon: Ich mache ihn alle sechs Monate. Ich möchte eben gesund bleiben. Letztes Jahr habe ich auch so einen Body-scan machen lassen. Das ist ganz was Neues. Da werden mit sehr gering dosierten Röntgenstrahlen deine Knochen gemessen, die Muskeln, das Fett, einfach alles.

Das heißt, Sie haben sich mit dem Super-Hypochonder auch selbst portraitiert?
Boon: Ja, je ehrlicher eine Geschichte ist, desto stärker wirkt sie eben. Das gilt erst Recht für Komödien. Je persönlicher man in ihnen wird, desto weiter kann man den Wahnsinn treiben.

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Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich selbst übers Ohr haue, ist relativ gering.

Danny Boon

Romain, Ihre Filmfigur, ruiniert eine Silvester-Party aus Angst, um Mitternacht von Fremden geküsst zu werden. Wie weit geht Ihre eigene Hypochondrie?
Boon: Ich benutze Desinfektionsmittel recht häufig. Es kommt ja immer mal wieder vor, dass man jemanden zur Begrüßung küsst und der sagt dann: Achtung, ich bin etwas krank. Dann sage ich: Wie bitte? Du bist krank? Warum sagst du mir das nicht vorher? Er antwortet: Jaja, keine Sorge. Ich habe nur ein bisschen Fieber. Dann hole ich mein Desinfektionsmittel raus und wasche damit mein Gesicht. Ich schmiere es mir sogar in die Nase, obwohl das ganz schön brennt.

Informieren Sie sich auch im Internet über Krankheiten, die Sie eventuell haben könnten?
Boon: Natürlich. Das Internet ist in der Beziehung die Büchse der Pandora. Das ist zu einem Albtraum geworden. Sobald man einen kleinen roten Fleck an sich entdeckt, beginnt man doch sofort, zu googeln, was das sein könnte. Man stößt in den Blogs auf alle möglichen Diagnosen, das ist total beängstigend. Mein Doktor – er ist ein sehr guter Freund geworden, weil ich ihn so oft sehe – hat mir erzählt, wie schwierig es für die Ärzte mittlerweile geworden ist, mit ihren Patienten zu reden, weil sie immer schon alles wissen. Zumindest bilden sie sich das ein.

Sind Hypochonder nicht in erster Linie Opfer der Propaganda der Pharmaindustrie? Der kann doch jede Krankheit Recht sein, auch wenn sie nur eingebildet ist.
Boon: Ich würde das Problem nicht in der Propaganda sehen, eher in unserer Überinformiertheit. Das bezieht sich ja nicht nur auf die Gesundheit. Wir wissen heute ja ständig alles. Egal wo gerade auf der Welt etwas passiert, ich nehme mein Handy in die Hand und weiß es. Andererseits sind das natürlich Luxusprobleme. Gerade die Hypochondrie kostet nicht zuletzt viel Zeit. Sie ist ein sehr teures Hobby.

Aber als Privatpatient genießt sicher auch ein Hypochonder gewisse Privilegien?
Boon: Das ist in Frankreich anderes. Wir haben nicht diese Hierarchie zwischen privat und gesetzlich Versicherten. Man kann einfach zum Doktor gehen und alle zahlen dafür erstmal einen Eigenanteil, der aber sehr gering ist. Zur Zeit lebe ich allerdings in Los Angeles, da ist es sehr teuer. Ich bezahle extra Geld, damit ich den Arzt meiner Kinder direkt telefonisch erreichen kann. Für diese Telefonnummer zahle ich 2000 Dollar pro Jahr. Sie nennen das concierge medicine, oder auch VIP medicine. Es ist verrückt.

Warum sind Sie nach L.A. gezogen?
Boon: Zunächst war ich nur mal kurz da, um einen Vertrag mit der Firma von Will Smith zu unterzeichnen. Sie produzieren nun ein Remake von „Willkommen bei den Sch’tis“. Aber am nächsten Tag bekam ich plötzlich jede Menge Telefonanrufe von Produzenten, Agenten und Regisseuren, die mit mir arbeiten wollten. Einen Monat später hatte ich dort einen Agenten und eigene Anwälte. Also habe ich beschlossen, mit meiner Familie erstmal ganz nach L.A. zu gehen.

Und wie gefällt es Ihnen?
Boon: Das Schöne ist, dass ich dort nur selten erkannt werde, vielleicht ein, zweimal die Woche von ein paar Amerikanern, die französische Filme mögen. Ich kann die Straße runtergehen, ein normales Leben haben. Das ist toll. Und es erspart mir auch andere Nachteile des Starlebens. In Frankreich ruft jeden Abend jemand an und sagt: Komm vorbei, hier gibt’s ne tolle Party. Das führt schnell zu einem Leben, in dem die Arbeit, das Schreiben in Vergessenheit gerät. Das ist schlecht, denn das ist schließlich der Sinn unseres Lebens. Also ist es auch ganz gut für mich, allein in L.A. im Büro eingesperrt zu sein und an Filmen zu schreiben. Das einzige, was ich wirklich vermisse, ist das Brot, das gute Baguette. Und ich habe Angst vor Erdbeben. Wir hatten eins vor drei Wochen, ganz nah an unserem Haus. Das war erschreckend.

Werden Sie selbst in Hollywood eher als Schauspieler oder als Regisseur einen Film drehen?
Boon: Es gibt einen Film, der mir mit den Worten angeboten wurde: Du kannst Regie führen und mitspielen, denn es gibt eine französische Rolle. Das Drehbuch war gut, aber die Rolle habe ich abgelehnt, um mich ganz auf die Regie konzentrieren zu können. Mittlerweile haben wir grünes Licht von der Fox bekommen. Die Dreharbeiten werden bald beginnen, das wird mein erster Film auf Englisch sein.

Die 20th Century Fox ist eines der größten Hollywood-Studios. War man da von dem radikalen Genre-Mix von „Super-Hypochonder“ nicht abgeschreckt? Sie beginnen mit Charlie-Chaplin-Humor und enden als Politthriller.
Boon: So etwas würde man da nicht machen, in der Tat. Schon gar nicht in einem Studiofilm. Vielleicht bin ich naiv, aber ich denke, dass ich trotzdem gerade wegen meines europäischen Sinns für das Filmemachen engagiert worden bin. Bis jetzt ist das ein sehr guter Prozess, man hört mir zu und scheint glücklich über die Zusammenarbeit zu sein. Wir werden sehen. Die meisten französischen Regisseure, die in Hollywood gearbeitet haben sagen mir: Das ist ein Albtraum. Sie legen mir die Hand auf die Schulter, schauen mir tief in die Augen und brummen: Viel Glück! Aber zum Glück habe ich eine Therapeutin in Paris, ich kann sie anrufen, wenn mir das in L.A. zu viel wird. (lacht)

Ist es eigentlich ein komisches Gefühl, dass sie mit „Willkommen bei den Scht’is“ höchstwahrscheinlich den größten Erfolg ihrer Karriere schon hinter sich haben?
Boon: Ich mag die Musik von Johann Sebastian Bach sehr gerne. Und ich glaube, es war Bach, der gesagt hat: Klavier zu spielen ist gar nicht so schwer, man muss nur zur richtigen Zeit mit dem richtigen Finger auf die richtige Taste drücken. So ist das mit dem Kino auch. Manchmal kommt eben alles zusammen und ein Film entwickelt sich zu einem sozialen Ereignis. Aber ich bin ja nicht auf einer Box-Office-Olympiade. Als ich mit meiner Karriere anfing, habe ich in Clubs vor 15 Leuten gespielt. Das war okay. Ich hatte noch keine Frau, keine Kinder, mein Geld reichte mir zum Leben. Auch das war ein erfülltes Leben. Ich war glücklich.

Sind Sie dann auf Ihrer Karriereleiter hochgeklettert, weil Sie eine Familie gründen wollten?
Boon: Nein. Schuld daran war ein Produzent. Der kam eines Tages zu mir und sagte: Hey, du solltest eine TV-Show machen und nächstes Jahr geben wir eine Show im Olympia! Ich sagte: Aber das ist eines der schönsten Theater von Paris! Und er sagte: Ja und? Ich bin also diesem Produzenten hinterhergelaufen. Irgendwann habe ich herausgefunden, dass er mich dabei die ganze Zeit übers Ohr gehauen hat. Also wurde ich mein eigener Produzent, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich selbst übers Ohr haue, ist relativ gering.

Haben Sie eigentlich als Komödiant etwas von Ihrem Vater gelernt, der Boxer gewesen ist? Ein gutes Timing ist ja in beiden Berufen sehr wichtig.
Boon: Ich glaube, mein Timing kommt eher von der Musik; ich bin ja auch Musiker, ich spiele Gitarre und Klavier. Aber vor allem lernt man das Timing auf der Bühne und auf der Straße, wo ich anfangs noch meinen Lebensunterhalt verdient habe. Das ist eine wirklich harte Schule. Man muss sehr schnell lernen, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums fesselt. Und wenn man die hat, muss man die Leute zum Lachen bringen, in eine Emotion versetzen, damit sie sich genötigt fühlen, dir etwas zurück zu geben, sich zu bedanken. Boxen ist sicher auch eine Art Show, in der allerdings dein Leben wirklich gefährdet ist. Ähnlich sind sich beide Berufe wohl vor allem in der Niederlage. Wenn du beim Boxen unterliegst, eine Pointe oder sogar deine ganze Show versaust, fühlst du dich wirklich gedemütigt. Auch als Komödiant kann man k.o. gehen.

Danny Boon wurde als Daniel Hamidou 1966 in Armentières, im äußersten Norden Frankreichs geboren. Sowohl der spezielle Dialekt seiner Heimatregion, als auch ihre Nähe zu Belgien sollten Boon über vierzig Jahre später zu den Komödien „Willkommen bei mehr

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