Daniel Brühl

Auf der guten Seite

Schauspieler Daniel Brühl über seine Rolle in "Vaya con Dios" - für die er einen Bayerischen Filmpreis einheimste -, lateinische Choräle und seine innere Stimme

Daniel Brühl

© Senator

In "Vaya Con Dios" sprichst du einen sächsischen Witz. Wie lange hast du gebraucht, den einzustudieren?
Brühl: Das ging relativ schnell. Denn Sächsisch ist sehr extrem. Es gibt Techniken, mit denen sich Dialekte gut aneignen lassen. Aus dem Team war auch jemand aus der Kante und hat es mir beigebracht. Ein paar Dialekte liegen mir, nur Schwäbisch finde ich schwer.

Wie war das mit den lateinischen Chorälen?
Brühl: Das war mir noch relativ geläufig. Ich habe in der Schule das große Latinum gemacht. Deshalb konnte ich die Texte auch schnell verstehen. Für Michael Gwisdek war es zum Beispiel wie Chinesisch. Im Osten haben sie eher Russisch gelernt. Er musste sich sehr viele Eselsbrücken bauen.

Der Regisseur Zoltan Spirandelli sagte, dass er dir für die Rolle des Mönches Arbo den "Django kommt in den Saloon"-Schritt austreiben musste. Sind Arbo und dein Charakter so unterschiedlich?
Brühl: Eigentlich schon. Auf die Körperlichkeit bezogen ist es wichtig, dass wir zeigen, dass sich diese Lebensform im ganzen Körper manifestiert. Arbo hat nicht so einen schluffigen Gang wie ich im wirklichen Leben. Die Werte, das ganze Leben sind verschieden. Alle Erfahrungen, die ich in meinem bisherigen Leben gemacht habe, sei es auf Partys oder mit Frauen, musste ich vergessen. Ich musste mich auf Arbos Naivität einlassen. Ich habe mir geholfen, in dem ich meine Jugend zurückgerufen habe. Da war das Lebensgefühl ähnlich. Arbo sagt irgendwann, dass er die falschen Dinge gelernt habe. Das stimmt nicht, es sind wichtige Dinge, die ich in meinem Leben nicht gelernt habe: Ruhe, Ausgeglichenheit, Reinheit, ein Glaube. Arbo besitzt ganz ursprüngliche Werte wie Offenheit im Umgang mit Menschen. Es war ein langer Prozess, sich das anzueignen. Zoltan hat mir dabei sehr geholfen. Was den Django-Schritt betrifft, widerspreche ich.

Könntest du dir vorstellen, als Mönch zu leben oder aus der Gesellschaft auszusteigen?
Brühl: Das ginge nur für eine gewisse Zeit. Die Faszination für das Mönchsleben hatte ich schon vor dem Film. Ich könnte mir gut vorstellen, zwei bis drei Wochen mit Meditieren und Singen in einem Kloster zu verbringen. Dann hätte ich wahrscheinlich genug. Theoretisch klingt es sehr einladend, praktisch ist es auf Dauer für mich nicht geeignet.

Im Film lernen die Charaktere ihrer inneren Stimme zu folgen (saequere vocem). Was ist die innere Stimme für dich?
Brühl: Das sind meine Wünsche und Ziele. Ich versuche mit mir im Reinen zu sein. Für die Arbeit bedeutet das, dass ich nur Filme mache, die ich mit mir vereinbaren kann. Ich könnte mich nicht verkaufen oder in allen Filmen kommerzielle Erfolge und Preise wähnen. Diese Form der Prostitution ist nichts für mich. Auf das Privatleben übertragen, heißt es zum Beispiel sich nicht von Sachen hinreißen zu lassen und den Kontakt zu Freunden aufrecht zu halten. Zeit ist natürlich knapp und es ist nicht so einfach wie früher. In den letzten zwei Jahren habe ich schon herausgefunden, wer meine wirklichen Freunde sind. Für die versuche ich, mir Zeit zu nehmen. Egoistisch betrachtet ist das auch Zeit für mich. Das sagt mir meine innere Stimme.

Manchmal bezeichnest du dich als Autodidakt und dann spielst du mit dem Gedanken in Kalifornien Schauspielausbildung zu genießen. Was trifft denn nun für dich eher zu?
Brühl: Beides. Eine richtige Schauspielbildung habe ich nicht genossen. Das wird jedoch ein bisschen dadurch ausgeglichen, dass ich schon sehr früh Hörspiele gemacht und synchronisiert habe. Da habe ich viel für die Spielerei mitgenommen. Trotzdem kann ich mir vorstellen, aber nur für ein paar Monate Schauspielkurse zu belegen.

Ist denn ein neuer Film wie eine Unterrichtsstunde?
Brühl: Natürlich. Jeder Film ist eine Form der Ausbildung. Ich habe bisher aus jedem Film etwas herausgezogen.

Was war dein Lernerfolg bei "Vaya Con Dios"?
Brühl: Ich habe gelernt, meinem Naturell etwas entgegenzusetzen. Das war eine neue Form der Körperlichkeit, die im Film natürlich nur unterschwellig zu spüren ist. Es war sehr anders als in dem Boxerfilm, den ich gedreht habe, wo Körperlichkeit sehr im Vordergrund stand.

Wie war es mit so gestandenen wie erfahrenen Schauspielern wie Buhre, Gwisdek und Brenner vor der Kamera zu stehen?
Brühl: Wider Erwarten extrem lustig. Wir haben sehr viel gelacht. Auch der Michael Gwisdek ist ganz irre. Alle haben es geschafft, mir auf eine unaufdringliche Weise etwas beizubringen. Sie traten mir gegenüber nicht wie Erwachsene oder Lehrer auf, waren immer sehr charmant. Durch das Spielen und Beobachten habe ich sehr viel gelernt. Ich habe festgestellt, das eigene Techniken durchaus von älteren Kollegen praktiziert werden. Es geht um das Verhalten, aus dem man Energie zieht. Wie steuere ich meinen Energiehaushalt, wie bleibe ich den ganzen Drehtag frisch, um munter eine Szene spielen zu können. Ich hole die Energie eher nicht aus einer Konzentration, sondern aus einer Lockerheit und Albernheit. Es ist interessant, dass gestandene Schauspieler wie Gwisdek auch so arbeiten.

Im Film erleben die Cantorianer-Mönche durch Musik und Singen Gott: spielt Musik eine ähnlich wichtige Rolle in deinem Leben?
Brühl: Eine sehr große. Ich habe früher in zwei Bands gespielt, wovon die eine durchaus erfolgreich war, das heißt wir sind getourt und haben Platten veröffentlicht. Spätestens da hatte Musik eine große Bedeutung für mich. Aber auch jetzt, da diese Dinge eingeschlafen sind, höre ich sehr viel Musik, und das nicht nur beim Kochen und Duschen, sondern ganz bewusst. Ich gebrauche die Emotionalität der Rollen, um mich in Rollen einzufinden. So höre ich am Abend vor einer traurigen Szene traurige Musik, die mich sehr schnell an gewisse Punkte bringt. Obwohl ich auch neue Sachen höre, habe ich gerade auch eine Retrophase. Ich höre meine alten Pixies-Platten, The Smiths, die ich tierisch gern gehört habe. Ich bin auch ein Fan elektronischer Popmusik. St.Etienne ist einer meiner Lieblingsbands. Meine Neuentdeckungen sind Phoenix, The Strokes, obwohl die jetzt schon hip sind. Aber das Album ist nicht schlecht. Ich höre auch Lady Trump, Fabrizio de André und viel Filmmusik, vor allem aus den 60er, 70er Jahren.

In "Honolulu" hast du bereits mit Chiara Schoras zusammengearbeitet. Wie war das Wiedersehen?
Brühl: Wenn man weiß, dass man körperliche Szenen zusammen hat, ist es gut, dass man sich in einem anderen Film schon einmal näher gekommen ist. Es hat dann nicht so etwas Fremdartiges. Wir kommen wahnsinnig gut klar, wir haben keine Barrieren.

Gib mal deine Sicht der deutschen Komödienlandschaft wieder!
Brühl: Es ist zur Zeit ziemlich düster. Manchmal ist etwas Gutes dabei. Oft sind aber Filme wie "Feuer, Eis und Dosenbier" in der Mehrzahl. Da bin ich auch Kollegen gegenüber ehrlich. Diese Filme sind nicht mein Film. Sie sind auch keine richtigen Komödien, überhaupt nicht witzig, eher handelt es sich um Klamotten. Ich bin aber froh, dass es auch niveauvollere, ernst gemeinte Komödien gibt. Wir sind mit "Vaya Con Dios", so glaube ich, auf der guten Seite.

Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Brühl: Am liebsten Gaston. Das war schon immer ein Wunschtraum. Der ist einer der coolsten Typen überhaupt. Er baut ständig Scheiße, ist sehr erfinderisch. Er hat den coolsten Rollkragenpulli und den coolsten Dufflecoat.

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