Cosma Shiva Hagen

Vielleicht bin ich zu ehrlich.

In ihrem aktuellen Film flieht Elyas M’Barek vor ihr in den "Männerhort": Cosma Shiva Hagen spricht im Interview über Pyjama-Partys, ihr Verhältnis zu Werbedeals, die Identitätskrise der Männer und wofür sie an der Tankstelle ihren Ausweis braucht.

Cosma Shiva Hagen

© Constantin Film Verleih GmbH / Marco Nagel

Cosma Shiva Hagen, im Film „Männerhort“ ziehen sich von ihrer Beziehung überforderte Männer an einen geheimen Ort zurück, um ungestört Bier trinken und Fußball gucken zu können. Wie würde Ihr ‚Frauenhort‘ aussehen?
Hagen: Ich glaube, so ein einziger Raum wäre mir dafür zu doof. Ich würde lieber meine besten Freundinnen in einen Flieger packen und dann Urlaub auf Ibiza machen.

Haben Sie eine Lieblingsbeschäftigung, der Sie gerne – ungestört von Männern – nachgehen?
Hagen: Ja, das machen wir oft: Frauen-Pyjama-Party mit Nägel machen, Tratschen, Gesichtsmaske, Haarkur, Schönheits-Tipps und Tricks… Das macht man schon gerne mal.
Männer- und Frauenhorte hat es ja schon immer gegeben. Die Männer hatten ihren Zigarrenraum, wo die Frauen nicht reindurften, heutzutage ist das vielleicht die Sportkneipe an der Ecke und für die Frauen der Beautysalon, wo sie mal Ruhe vor dem Partner haben. Ich glaube, das ist in einer Zweierbeziehung auch ganz normal, dass man zwischendurch mal eine Tür hat, die man zumachen kann.

Ihre Rolle Connie verkörpert eine naive aufs Äußerliche fixierte Frau mit Schuh- und Shoppingsucht. Warum wollten Sie diese Klischee-Rolle spielen?
Hagen: Ich fand vor allem die Dreierkombination mit Detlev Buck, Christoph Maria Herbst und Elyas M´Barek spannend. Die sind ja sowohl schauspielerisch als auch privat komplett unterschiedliche Typen.
Connie ist natürlich klischeebehaftet und materialistisch eingestellt, trotzdem ist sie irgendwo liebenswert. Es war auch nicht einfach zu spielen, weil man diese Brücke schaffen muss: Einerseits geht sie ihrem Freund ständig auf die Nerven, andererseits soll sie nicht zu unsympathisch sein.

Kennen Sie persönlich Frauen, die so sind wie Connie?
Hagen: Ja, ich kenne Frauen, die leider tatsächlich so sind. Aber ich bin trotzdem mit denen befreundet, weil die natürlich auch ihre liebenswerte Seite haben. Und dieses Verhalten, auch diese Ängste – das kommt ja irgendwo her. Wenn man sich schon lange kennt, dann versteht man das.

© Constantin Film Verleih GmbH / Marco Nagel

Cosma Shiva Hagen mit Filmpartner Elyas M’Barek © Constantin Film Verleih GmbH / Marco Nagel


Als Sie das Drehbuch bekamen, haben Sie es da nicht verflucht, dass man Ihnen die Rolle so einer einfach gestrickten ‚Schuhtante‘ anbot?
Hagen: Nein. Ich spiele solche Rollen ja eher selten, die letzten Jahre war ich mehr im TV und im Krimibereich aktiv. Und es ist ein Film, der in erster Linie unterhalten soll, das geschieht eben oft durch Klischees.
Generell mache ich neben Filmen noch so viele andere Dinge, dass ich an so etwas nicht mit dem Kopf einer Schauspielerin rangehe. Diesen Traum, dass ständig die wahnsinnig guten Projekte bei mir landen, den habe ich schon lange aufgegeben. Mir werden sehr häufig Comedys angeboten, obwohl das gar nicht mein Fach ist. Manchmal drehe ich dann lieber eine Werbung statt einen Film, der mir nicht wertvoll erscheint. Weil ich mir überlege: Das Geld ist schnell verbraucht, aber so ein Film ist für Ewigkeit auf Zelluloid gebrannt.
Ganz wichtig sind für mich auch die Menschen, die bei einem Projekt mitmachen, mit denen muss ich gut klar kommen. Mit mir selbst ist es ja auch nicht so ganz einfach.

Inwiefern?
Hagen: Ich gehöre, glaube ich, nicht so richtig hier rein, in diese Filmbranche, in dieses Öffentliche. Mir war es immer wichtig, etwas Eigenes aufzubauen, was nichts mit der Schauspielerei und nichts mit dem prominenten Namen zu tun hat. Deswegen mache ich sehr viele Dinge, die nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Ich arbeite zum Beispiel mit einem Künstlerkollektiv zusammen, aber dort wollen wir gar nicht, dass das groß in der Presse ist, damit es um die Sache und nicht um den Namen geht.

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Ich höre oft, die Frauen seien jetzt auf dem Vormarsch, sie sind dabei die Welt zu übernehmen usw. Doch das sehe ich überhaupt nicht so.

Cosma Shiva Hagen

Haben Sie zur Werbung ein eher pragmatisches Verhältnis?
Hagen: Für die Kunst gibt es ja meistens nicht so viel Geld, wirklich davon leben kann man nicht – aber es macht unheimlich viel Spaß. Da muss man dann zwischendurch gucken, dass man sich ein kleines Polster schafft. Eine Werbung ist immer eine schnelle Geschichte, wobei man da auch unheimlich aufpassen muss, um was für ein Produkt es geht. Ich habe da schon Tausend Sachen abgesagt.

Prominente werden für Werbeauftritte häufig gescholten. Zu Unrecht?
Hagen: Also, ich war auch schockiert, als ich Jürgen Vogel in einer Burger-Werbung gesehen habe. Andererseits: Er hat sechs Kinder, das sollte man da auch immer mit bedenken. Es ist ja nicht mehr so wie früher, dass es überall wahnsinnig viel Geld gibt. Es wird eher weniger und wir alle müssen gucken, wo wir bleiben.
Es wird den Prominenten schon schwer gemacht. Wenn man sich für etwas einsetzt, darf man teilweise nicht mal mehr die Luft einatmen, die uns allen zur Verfügung steht. Wenn ich mich für PETA einsetze wird mir sofort übel genommen, wenn ich etwas trage, was nicht zu 100 Prozent Kunstleder ist.

Wie gehen Sie damit um?
Hagen: Ich glaube man muss eine Balance schaffen, mit der man selbst gut leben und nachts gut schlafen kann. Was die Medien daraus machen, ist mir oft egal. Die Zeitungen suchen ja nur nach einer Schlagzeile und etwas Negatives verkauft sich immer besser als was Positives. Deswegen wird bei mir darüber geschrieben, wenn die „Sichtbar“ pleite ist, und nicht darüber, dass da vier Mädels sind, die versuchen, für Künstler einen Freiraum zu schaffen. Aber damit muss man leben. Ich glaube jedenfalls schon lange nicht mehr, was in der Zeitung steht. Ich bilde mir lieber eine eigene Meinung.

Die Männer im Film haben ja eine Art Identitätskrise und über die Krise der Männer wird seit einigen Jahren viel geschrieben und diskutiert. Wie ist aktuell Ihr Eindruck?
Hagen: Ich glaube, diese Krise gibt es nicht nur bei Männern, sondern ganz allgemein sind die Ansprüche an uns gewachsen. Die Frau soll eine gute Mutter und Ehefrau sein, gleichzeitig Karriere machen und dabei noch jung aussehen. Und Männer sollen Macker sein, aber gleichzeitig einfühlsam und verständnisvoll.

Doch die Frauen konnten in letzten Jahren ihre Position deutlich stärken…
Hagen: Ich höre das auch oft, die Frauen seien jetzt auf dem Vormarsch, sie sind dabei die Welt zu übernehmen usw. Doch das sehe ich überhaupt nicht so. Wobei ich es befürworten würde, denn wenn man sich die Welt heute anschaut – da wäre es gut, wenn die Frauen sich beeilen, an die Macht zu kommen. Dann würde es vielleicht nicht ganz so viele Kriege geben, weil Frauen anders miteinander kommunizieren.

Könnten Sie drei Dinge benennen, die ein Mann heute draufhaben sollte?
Hagen: Nein. Das ist eine so subjektive Sache und es gibt so viele unterschiedliche Charaktere. Es wäre doch auch langweilig, wenn jeder so eine nach außen hin perfekte Schiene fahren würde. Je bunter desto besser. Wenn man jemanden gut findet, kommt es nicht auf solche drei Dinge an, sondern dann ist das auch eine chemische Geschichte, es hat mit Körpersprache zu tun, damit wie jemand denkt, wie jemand riecht… Das ist ja gerade das Spannende, dass man nicht genau in Worte fassen kann, warum man einen anderen Menschen anziehend findet.

Josefine Preuß sagte uns im Interview, „so langsam müssen sich die Männer mal wieder emanzipieren.“ Was ist Ihre Meinung?
Hagen: Ich denke, es wäre gut, einen Mittelweg zu finden. Einerseits hat sich für die Frauen schon eine Menge getan, auf der anderen Seite ist es aber immer noch so, dass Männer mehr verdienen und Führungspositionen häufiger mit Männern besetzt werden.

Wie sehen Sie das in der Filmbranche?
Hagen: Da werden auch die meisten Hauptrollen für Männer gemacht. Aber das liegt vielleicht auch noch an etwas Anderen: Wenn heute ein Elyas M’Barek so abgeht wie eine Rakete, dann wird das bei einer Frau in der Form nicht passieren, weil 17- oder 18-jährige Jungs eben nicht zuhauf kreischend ins Kino rennen, weil im Film eine bestimmte Schauspielerin mitspielt.

Emma Watson hielt gerade vor der UNO eine Rede für die Rechte der Frau. Würden Sie sich auch für Frauenrechte engagieren?
Hagen: Also, ob nun Tierschutz oder ein Engagement für Frauenrechte – letztendlich nützt uns das nichts wenn die Welt untergeht, wenn wir alle nicht mehr atmen können. Die wichtigsten Themen im Moment sind der Klimawandel, Ökologie und Nachhaltigkeit. Da geht es auch nicht mehr um Kleinigkeiten, sondern darum, dass Druck auf die großen Firmen ausgeübt wird, dass wirklich ein kompletter Wandel des Denkens und eine richtige Revolution stattfindet. Letztendlich müssten wir alle unseren Energieverbrauch verändern, müssten den Fernseher und alles aus dem Fenster schmeißen und einen neuen Weg finden. Aber das ist utopisch…

© Constantin Film Verleih GmbH

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Warum utopisch?
Hagen: Weil alles so integriert ist in unseren Alltag. Und wenn man dann im Kleinen bei sich zuhause anfängt, aber gleichzeitig sieht, was überall auf der Welt so passiert, bekommt man schnell das Gefühl, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, dass man eh nichts bewirken kann. Wichtig wäre ein kollektives Umdenken.

Die Frauen bekommen in „Männerhort“ mitunter Macho-Vokabular zu hören. Wenn Sie jemand in einer Bar mit „Geile Titten“ anspricht, wäre das für Sie Belästigung oder würden Sie es als Kompliment nehmen?
Hagen: Nein, ein Kompliment wäre das nicht. Allerdings ist es mir sympathischer, wenn jemand Dinge direkt ausspricht, anstatt nur steif daherzureden. Es kommt natürlich auch darauf an, was für ein Typ das in dem Moment sagt. Aber eine derbe Art, Dinge auszudrücken, dieser Ghetto-Stil ist mir manchmal schon sympathisch. Mir selbst wurde ja auch vorgeworfen, dass ich schlimme Worte in den Mund nehme. Wobei ich die Aufregung darüber, dass ich mal auf Facebook das Wort „Schwanz“ benutzt habe, nicht verstehen kann.

Anne Wizorek, die 2013 mit dem Hashtag #Aufschrei eine Sexismus-Debatte auslöste, schreibt in ihrem neuen Buch, es sei immer noch „ die wichtigste Aufgabe einer Frau, attraktiv zu sein“.
Hagen: Ja, leider. Und dazu kommt, dass wir es schwerer haben, die Männer sehen ja nun mal wirklich mit dem Alter besser aus als wir Frauen. Es ist heute in der Tat alles sehr aufs Äußerliche fixiert.

Erleben Sie das auch als eine Art Druck?
Hagen: Nein. Ich sehe ja immer noch aus wie 16. Ich muss auch dauernd meinen Ausweis vorzeigen. Ich kann mir überhaupt noch nicht vorstellen, Kinder zu haben, obwohl bei mir wahrscheinlich langsam die Uhr tickt, nur höre ich das Ticken irgendwie nicht.

Wo müssen Sie denn noch den Ausweis vorzeigen?
Hagen: Zum Beispiel, wenn ich an der Tankstelle Zigaretten kaufen will. Wobei ich dann immer antworte: Ich habe doch ein Auto! Das ist schon Wahnsinn, mit 33 den Ausweis zu zeigen, damit man die Kippen mitnehmen kann.
Insofern kann ich nicht über den Druck sprechen, der auf Frauen in meinem Alter normalerweise lastet, weil ich noch so ein Babyface habe. Ich habe mir übers Älterwerden noch nicht viele Gedanken gemacht. Schade finde ich allerdings, dass das Älterwerden so mit Negativem behaftet ist. Denn eigentlich ist es doch etwas Tolles, weil man intelligenter wird und so viel erlebt hat. Doch es wird immer nur nach Amerika geschielt, alles muss immer so jung aussehen…

Man sollte also mehr zu seinem Alter stehen?
Hagen: Ja, ich habe zum Beispiel auf Ibiza Frauen Ende 70 gesehen, die noch mit jungen Leuten unterwegs sind. Die sind kreativ, lustig, fit – da habe ich das Gefühl, je mehr man integriert ist, je mehr man macht, desto weniger spielt das Alter eine Rolle. In Deutschland kommt mit dem Alter leider oft so etwas Verbittertes.

In „Männerhort“ wohnen die Protagonisten in einer spießigen Vorort-Siedlung. Können Sie Spießigkeit etwas abgewinnen?
Hagen: Ich glaube, ich stecke irgendwo in der Mitte, weil ich mit ganz unterschiedlichen Einflüssen groß geworden bin. Deshalb kann ich mich sowohl auf dem Bauwagenplatz unter Punks als auch auf einem Opernball relativ unauffällig bewegen.

Sie sagten einmal, dass früher die Spießigkeit Ihre Form der Rebellion gewesen sei.
Hagen: Ja, als ich jünger war. Da war ich zum Beispiel bei französischen Familien zu Gast, wo immer alles picobello aussah und die Mutter schon morgens in der Küche stand. Das war natürlich ganz anders als ich es von zuhause kannte. Wir hatten so ein Nomadennest im Tourbus, zwischen Punks und allenmöglichen Leuten – das war etwas anderes. Da war es dann meine Rebellion, die Küche zu putzen und zu sagen: Bei meinen Freunden sieht es ganz anders aus als bei uns.

Sind Sie heute noch Rebellin?
Hagen: Vielleicht ein bisschen. Bei Werbeanfragen ist das manchmal ganz amüsant, da wird mir dann gesagt: „Wir möchten Sie für unser Produkt, weil Sie so authentisch sind.“ Und dann folgt „Aber bitte sagen, Sie dies und das und jenes nicht.“ Vielleicht bin ich ein bisschen zu ehrlich und dadurch doch auch ein bisschen rebellisch und nicht ganz so angepasst. Und ich rebelliere gegen das Schubladendenken.

Cosma Shiva Hagen wurde 1981 in Santa Monica (Kalifornien) als Tochter von Nina Hagen geboren. In ihrer Kindheit besuchte sie Schulen in Paris, London und Los Angeles bevor sie 1994 zu ihrer Großmutter, der Schauspielerin Eva-Maria Hagen, nach mehr

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