China Moses

Jazz-Musiker, das waren die Bad Boys.

Sängerin China Moses über Jazz in Frankreich, die faszinierende Dinah Washington und die harte Zeit, in der sie lebte

China Moses

© Benoît Peverelli

Miss Moses, Sie leben in Paris – sehen Sie die Stadt als ein Zentrum des europäischen Jazz?
Moses: Ja, das denke ich schon. Die Zahl der Jazz-Clubs beweist das, genauso all die Jazz-Festivals – es gab immer eine sehr enge Verbindung zwischen Jazz und Paris. All die Bebop-Musiker, die hierher gekommen sind, die afro-amerikanischen Künstler, die sich in Paris ein Refugium gesucht haben, um ihrer Musik nachzugehen. Das hat sich so entwickelt, heute ist Paris in Europa die erste Stadt, wo ein Jazz-Musiker hingehen will. Oder er geht nach Stockholm, was dann aber glaube ich daran liegt, dass sie dort so schöne Frauen haben (lacht).

Ist Frankreich offener für Jazz als andere Länder?
Moses: Das weiß ich nicht. Aber es ist glaube ich schon so, dass Frankreich eines der Länder mit der größten Jazz-Szene ist, und damit meine ich auch die Szene von französischen Musikern. Es ist erstaunlich, wie viele bekannte französische Jazzmusiker es gibt und wie sie weltweit respektiert werden.

Sie haben nun kürzlich ein Album mit Songs aus dem Repertoire von Dinah Washington aufgenommen. Dabei sind Sie selbst nicht von Anfang an Jazz-Sängerin gewesen…
Moses: Nein, ich bin auch keine Jazz-Sängerin. Ich mache Soul, Blues, Alternative R’n’B, ich habe auch eine Rock-Metal-Band… Aber Jazz ist Teil meiner Kultur, es ist wahrscheinlich die Musik, die ich zu aller erst gehört habe. Jazz und Blues ist für mich das Fundament für alles.
Das Jazz-Projekt habe ich gemacht, weil ich Raphaël Lemonnier getroffen habe. Die meisten meiner Alben sind zustande gekommen, weil ich Leute treffe, wir uns gut verstehen und uns entscheiden, zusammen Musik zu machen.

Sie haben aber auch schon geäußert, dass Sie an einem Punkt gelangweilt waren von HipHop und R’n’B.
Moses: Ja, das stimmt auch, zumindest in Frankreich. Vielleicht war ich nicht wirklich gelangweilt, aber ich habe realisiert, dass jedes Genre seine Grenzen hat. Und ich war nach einer Weile diese bestimmte Mentalität leid – die hat nicht jeder, aber es gibt so eine bestimmte Mentalität in Paris, was R’n’B und HipHop angeht. Ich schon habe viel auf Tracks von französischen Rap-Bands gesungen, damit habe ich jetzt aufgehört. Es hat mir keinen Spaß mehr gemacht, im künstlerischen Sinn.

Welchen Anspruch hatten Sie selbst an Ihr Jazz-Debüt?
Moses: Ich wollte kein poliertes Jazz-Album machen, diesen sauberen Sound wollte ich nicht. Es sollte nicht so klingen, wie die meisten Vocal-Jazz-Alben, die zuletzt rausgekommen sind. Den Sound mag ich nicht, ich finde ihn kühl.
Ich wollte etwas warmes, was Spaß macht, etwas funkiges, wozu man auch mal in die Hände klatscht. Und es sollte natürlich eine Hommage an Dinah Washington sein. Wenn man sich Film-Aufnahmen von ihr anschaut, sieht man ihr an, wie viel Spaß sie beim Musikmachen hatte. Ich habe die anderen Musiker auch verrückt gemacht mit meiner Faszination für sie, immer wenn ich eine neue Information über sie herausfand. „Wusstet ihr schon, dass Dinah Washington dies, und dass sie das…“ – diese Frau war unglaublich! Und auch wenn das jetzt vielleicht komisch klingt, aber bei diesem Projekt sehe ich mich wirklich zweitrangig, es ging nur um sie. Wenn ich durch so ein Album erreichen kann, dass sich mehr Leute mit Dinah Washington und mit Jazz beschäftigen, dann wäre ich schon sehr froh.

Sie sprachen gerade vom glattpolierten Vocal-Jazz-Sound, was oder wen meinen Sie da?
Moses: Da können Sie sich fast jedes jüngere Jazz-Album anhören, die klingen alle so. Eigentlich hatte ich auch die Befürchtung, dass das letzte Album von meiner Mutter (Dee Dee Bridgewater, Anm. d. Red.) so klingen würde – was dann nicht der Fall war, darüber bin ich auch froh.
Aber wenn wir jetzt zum Beispiel Stacey Kent nehmen, die auch auf Blue Note veröffentlicht – wir sind wirklich der diametrale Gegensatz. Das Blue Note-Album von Robin McKelle ist da schon ein bisschen funkier, roher – mir aber auch noch zu poliert. Ich mag beide Sängerinnen, aber ihre Art hätte nicht zu mir und nicht zu der Idee einer Hommage an eine Frau wie Dinah Washington gepasst.

Sie singen Repertoire von Dinah Washington, inwiefern haben Sie auch versucht ihrem Gesangsstil nahezukommen?
Moses: Dem Gesangsstil? Nein, das geht nicht, ich habe ja nicht die gleiche Stimme. Gut, ich habe beim Song „Lover come back to me“ ein paar kleine Dinge versucht, die sie normalerweise beim Singen gemacht hat. Aber es kommt trotzdem nicht das gleiche dabei raus.

Zitiert

Wenn du der Sache wahre Emotionen gibst, dann bekommst du auch wahre Emotionen zurück.

China Moses

Aber Sie haben sich viel mit ihr beschäftigt, beeinflusst Sie das nicht auch beim Singen?
Moses: Ich beschäftige mich nicht erst seit jetzt mit Dinah, sondern sie hat mich das ganze Leben schon begleitet. Ich habe ihren Gesangsstil nicht ganz speziell studiert, sondern das ist in mir, genauso wie Caroline Henderson, meine Mutter oder andere Sänger in mir sind, die ich gehört habe, seit ich klein war.
Das, was ich jetzt wirklich studiert habe, war ihr Leben. Darüber wusste ich bisher wenig, ich hatte zwar was über ihre Männer und all das gehört, aber nicht über ihr Leben. Bevor wir das erste Konzert mit diesem Programm gemacht haben habe ich alles über sie gelesen, was ich kriegen konnte.

Sie kommen mit diesem Projekt von Pop zum Jazz. Was würden Sie sagen, ist heute notwendig für einen Jazz-Sänger?
Moses: Keine Ahnung, ich bin keiner. Wirklich, ich sehe mich nicht als Jazz-Sängerin. Ich bin Musikerin und versuche das zu machen, was ich liebe. Man sollte seine Sache authentisch machen, wenn du der Sache wahre Emotionen gibst, dann bekommst du auch wahre Emotionen zurück. Wenn du nur versuchst alles ganz genau zu planen, dann wird es nicht funktionieren.

Sie sind sehr lebendig auf der Bühne – inwiefern sollte ein Jazz-Sänger auch ein Entertainer sein?
Mose: Das weiß ich auch nicht. Meine Mutter ist ein Entertainer, eine unglaubliche Sängerin und Musikerin. Wenn Sie meine Mutter auf der Bühne gesehen haben, dann wird es Ihnen auch nicht komisch vorkommen, wenn ich auf der Bühne rumspringe.
Ich selbst mag Interpreten, die sich amüsieren, die spontan sind. Natürlich ist ein Teil geprobt. Aber ich selbst weiß vor einem Konzert nicht so genau, was ich auf der Bühne sagen werde.
Und dann sind es natürlich auch die Songs, die ich hier singe, „Cry me a river“ zum Beispiel, das ist der Pop der 50er. Vielleicht wirkt es deswegen auch so lebendig. Ich frage mich jedenfalls nicht, was ein Jazz-Sänger sollte und was nicht. Ein Jazz-Sänger sollte sich diese Frage nicht stellen.

Dinah Washington hatte ihre größten Erfolge in den 50ern und 60ern – hätten Sie gerne in der Zeit gelebt?
Moses: Nein. Ich hätte die Zeit vielleicht gerne mal besucht, aber ich wäre nicht geblieben, nicht zuletzt wegen der Rassentrennung. Natürlich kann man davon träumen, wie unglaublich das damals war im künstlerischen Sinn. Es war eine intensive Zeit, das Leben war heftig. Und Jazz-Musiker, das waren getriebene, oft grobe, unanständige Leute. Das war eine Nachtclub-Szene, das waren die Bad Boys. Bei Dinah Washington gibt es zum Beispiel die Legende, dass sie, als sie aus dem Vertrag mit Lionel Hampton aussteigen wollte, eine kleine Pistole auf den Tisch legte, und zu ihm sagte: Lass mich aus dem Vertrag.
Sicher können wir über diese Zeit auch phantasieren, so wie in "Bugsy Malone". Aber ich glaube, ich hätte in der Zeit trotzdem nicht gerne gelebt. Wenn, dann wäre ich sicher eine sehr direkte Frau gewesen und hätte mich dadurch wahrscheinlich in viele Schwierigkeiten verwickelt.
Ich sehe es als großen Vorteil und Chance, in einer späteren Generation geboren zu sein. Meine Mutter wurde 1950 geboren, die Rassentrennung dauerte noch bis 1968. Ich habe also Leute, die mir aus Ihrer eigenen Erfahrung Dinge über diese Zeit erzählen, von den guten und von den schlechten Dingen. Wobei ich denke, dass das Gute auf künstlerischer Seite das harte Leben und die Schmerzen, die die Afro-Amerikaner in dieser Zeit durchgemacht haben, nicht wett macht.

Und in musikalischer Hinsicht – heute dominiert nicht mehr Jazz und Swing sondern Pop – bedauern Sie das nicht manchmal?
Moses: Nein, der Jazz ist ja immer noch da und hat seine eigene Entwicklung, sein eigenes Gesicht. Ich habe auch das Gefühl: die Jazz-Welt wird bald zurückschlagen.

Wie meinen Sie das?
Moses: Sie wird größer und größer und gelangt mehr in den Mainstream. Wir brauchen nur noch mehr sexy Videos, und dann wird das schon. (lacht)

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