Charlotte Rampling und Tom Courtenay

Man muss kein Leben wie im Film führen.

Für „45 Years“ wurden Charlotte Rampling und Tom Courtenay bei der Berlinale als beste Schauspieler ausgezeichnet. Der Film über ein Paar, das im 45. Jahr seiner Ehe in eine Krise stürzt, läuft nun in den Kinos. Im Interview sprechen Rampling und Courtenay über das Altern im Kino, Nacktszenen und die Schatten der Vergangenheit.

Charlotte Rampling und Tom Courtenay

© Agatha A. Nitecka

Herr Courtenay, Sie spielen in „45 Years“ den seit fast 45 Jahren verheirateten Geoff. Er erfährt, dass die Leiche seiner 50 Jahre zuvor in den Alpen verunglückten Ex-Freundin gefunden wurde. Was hat Ihnen an dieser Geschichte besonders gut gefallen?
Tom Courtenay: Ich habe das Drehbuch auf meinem Iphone gelesen. Schon bei der ersten Szene, in der man nur die Frau und ihre Augen sieht, dachte ich: Wow!

Frau Rampling, Sie spielen Geoffs Ehefrau Kate. Sie leidet unter der Vergangenheit, die Geoff so plötzlich einholt. Sie wirkt sehr verletzlich.
Charlotte Rampling: Kate sucht irgendeinen Sinn in dieser Flutwelle, die sie für unlogisch und unvernünftig ansieht. Für sie gibt es keinen Grund, neidisch auf die andere Frau zu sein. Sie ist seit 50 Jahren tot! Das war Jahre, bevor ihre Beziehung mit Geoff begann. Doch seine Reaktion macht sie unsicher. Wenn du die Kontrolle über deine Gefühlswelt verlierst, dann weißt du nicht, wohin es dich führen wird – und das verfolgt Kate.

Werden Sie auch manchmal von Dingen aus Ihrer Vergangenheit eingeholt?
Rampling: Ich glaube, dass ich die Dinge, die ich bewältigen musste, auch bewältigt habe. Sie verfolgen mich nicht. Gewisse Erfahrungen kommen nur zu einem zurück, wenn man versucht, sie zu unterdrücken. Menschen nehmen dann Pillen oder trinken. Was auch immer man in der Vergangenheit getan hat: Man muss damit leben. Es gibt so wenig, was wir ändern können.

Verändern Ihre Rollen Sie?
Rampling: Sie gehören zu dir. Bei dieser Art zu schauspielern ziehst du kein Kostüm an, keinen Hut oder eine Perücke. Du bist einfach. Du nimmst an, was jemand in dir sieht und das bist du. Meine Rollen sind meine Kinder oder meine besten Freunde.

Oder Ihre Feinde?
Rampling: Die würde ich wahrscheinlich einfach wegkicken.

Zitiert

Ich dachte, es wäre großartig, nachts im Louvre zu sein, meine Kleidung auszuziehen und zur Mona Lisa zu laufen.

Charlotte Rampling und Tom Courtenay

Tom, wie ist das mit Ihren Rollen? Allein in den letzten 15 Jahren war Charlotte in über 40 Filmen zu sehen, Sie nur in sieben. War Ihnen die Lust am Schauspiel vergangen?
Courtenay: Nein. Wenn ein nettes Angebot kommt, dann sage ich zu. Ich habe letztes Jahr in drei Filmen mitgespielt. Aber der Geoff in „45 Years“ ist einfach die größte Rolle, die ich in den letzten Jahren gespielt habe.

Hatten Sie den Wunsch, auch mal selbst Regie zu führen?
Courtenay: Nein. Oft kennen die Schauspieler ihren Text nicht, dafür hätte ich nie die Geduld gehabt. Und als Regisseur musst du nicht nur den Text kennen, nicht wahr? Du musst über alles Bescheid wissen, über jedes Detail einer Szene, bis hin zur Beleuchtung.

Es werden immer öfter Geschichten über das Altern im Kino erzählt. Was denken Sie darüber?
Rampling: Es ist interessant, was da passiert. Wir leben alle länger, sehen besser aus und sind gesünder. Menschen meines Alters sind interessante Objekte für das Kino geworden. Davor waren sie es nicht.

Wie wichtig ist die eine Sexszene für den Film?
Courtenay: Ein großer Teil des Films handelt von dem Versuch, die verlorene Jugend wieder zu erobern. Das fällt Geoff durch die Frau im Eis auf. Diese Sexszene ist dann nicht sehr sexy.

Frau Rampling, war es für Sie befreiend, dass Tom mehr Haut zeigt als Sie?
Rampling: Ja, ich war glücklich, dass ich nicht auf Ganze gehen musste. Aber ich hab`s dann doch getan.

© Agatha A. Nitecka

© Agatha A. Nitecka


Juergen Teller hat Sie, Charlotte, mit 63 Jahren nackt im Louvre fotografiert. Welche Botschaft steckte dahinter? „Sehen Sie mich an: Ich sehe immer noch blendend aus“?

Rampling: Nein, so würde ich das nicht sagen, das interessiert mich nicht. Es ging um vieles, ich dachte, es wäre so unglaublich großartig nachts im Louvre zu sein, meine Kleidung auszuziehen und zur Mona Lisa zu laufen.

Was denken Ihre beiden Söhne über dieses Shooting?
Rampling: Ich weiß es nicht. Ich habe nie mit Ihnen darüber gesprochen. Die sprechen über solche Dinge nicht. Eltern machen keine Liebe und sie ziehen sich auch nicht aus.

Was bedeutet es, dass Kate und Geoff keine Fotos von sich besitzen?
Rampling: Die Szene, in der sie das feststellen, hat etwas Melancholisches an sich. Ich denke, das ist ein schönes Bild – nicht dafür, wer die beiden sind, aber wie ihr Leben war. Aber trotz dieses süßen melancholischen Moments sind beide glücklich.

Was haben Sie durch die Arbeit an „45 Years“ gelernt?
Rampling: Ich sehe mein Leben im Kino immer mit meinem Leben verknüpft. Ich wollte schon immer solche Filme machen. Ich wollte nie große soziale Aussagen treffen, aber Filme machen, die den Zuschauer auf eine emotionale Reise mitnehmen. Die Emotionen wecken, die in uns arbeiten. Ich mag das auch selbst als Zuschauer, wenn Filme das schaffen.

45 YearsGab es Zeiten, in denen Sie sich aus dem Rampenlicht verabschieden wollten und wie Kate ein ruhiges Leben auf dem Land führen wollten?
Rampling: Ja, weil das ein Leben ist, das ich auch sehr gerne mag. Ich bin dem Showbusiness eine Weile ferngeblieben, wohnte mit meinen Kindern außerhalb von Paris und hätte auch so werden können wie Kate: mit Garten, Tieren, meinen Kindern und Kindermädchen. Viele mögen das. Man muss kein Leben wie im Film führen, darin liegt die große Kunst. Es ist gut, dem aktuellen Geschehen auch mal fern zu bleiben, die Orte zu meiden, wo es laut ist und wo mit Ideen um sich geworfen wird. Du musst auch mal den Fernseher ausschalten und in dich gehen, nachdenken und alles abfedern. Ich habe die Freiheit, mir einfach mal sechs Monate frei zu nehmen und den Telefonhörer einfach nicht abzuheben. Du kannst dir das erlauben. Selbst, wenn derjenige nie wieder anrufen würde, ich würde das immer wieder so machen.

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