Béla Réthy

Ein Stadion muss laut sein.

Sportreporter Béla Réthy über seinen Einsatz bei der Fußball-WM 2010, Erfahrungen mit Südafrika, die Sicherheit vor Ort und die Lautstärke im Stadion

Béla Réthy

© ZDF/Wolfgang Lehmann

Herr Réthy, bei der Fußball-Weltmeisterschaft sind Sie für das ZDF als Live-Reporter im Einsatz. Mit welchen Gefühlen sind Sie nach Südafrika gefahren?
Réthy: Als die letzte WM 2006 mit dem Finale in Berlin zu Ende gegangen ist, habe ich mich schon auf die nächste gefreut. Das sind die absoluten Höhepunkte in meinem Berufsleben.

Wie haben Sie sich auf die WM vorbereitet?
Réthy: Ich habe mich eingelesen in die Mannschaften, die ich kommentieren werde. Ich gehe dann ganz gezielt Spieler für Spieler die jeweiligen Kader durch, unter anderem auch Nordkorea, was nicht so einfach ist. Die Vorbereitung, also die Kernarbeit, findet schon primär am Schreibtisch statt. Vor Ort muss dann natürlich flexibel sein, weil sich ständig etwas ändern kann.

Nun findet die WM zum ersten Mal in Südafrika statt. Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit diesem Land gemacht?
Réthy: Ich war schon mal da, habe 1995 ein Länderspiel zwischen Südafrika und Deutschland kommentiert – das ging 0:0 aus, damals noch mit Jürgen Klinsmann als Kapitän. Dann war ich bei der Auslosung der Gruppen in Durban und bei der Auslosung der Endrunde in Kapstadt. Ein paar Erfahrungen habe ich mit diesem Land also schon machen können.

Wie kann man sich dieses Land vorstellen?
Réthy: Sehr bunt. Es hat viele afrikanische aber auch europäische Elemente – also eine gute Mischung. Die Menschen sind sehr gastfreundlich, sie essen und trinken gerne, sind fußballbegeistert – speziell die schwarze Bevölkerung. Es gibt wunderschöne Landschaften, sehr schöne Weine. Das wird sicher eine schöne Zeit.

Im Vorfeld wurde sehr viel über die Sicherheit vor Ort diskutiert…
Réthy: Man muss halt vorsichtig sein. Ich habe lange in Brasilien gelebt, da wird ja auch immer gesagt: „In jeder Ecke steht jemand und will dir das Geld wegnehmen!“ Das ist natürlich völlig anders als bei uns. Du musst einfach wach sein. Ich finde die Sicherheitsbedenken aber überbetont. Man muss sich aber an ein paar Verhaltensregeln halten.

Wie sehen denn diese Verhaltensregeln genau aus?
Réthy: Man sollte bestimmte Stadtteile zu bestimmten Uhrzeiten nicht aufsuchen, nicht alleine mit dem Auto herumfahren, um sich nicht zu verfahren, und in gefährlichen Ecken zu landen, wo man nicht so willkommen ist. Ansonsten eben nicht so viel Bargeld bei sich haben, kein Schmuck, keine teure Uhr, in kleinen Gruppen in belebten Gegenden unterwegs sein.

Wie viel Zeit werden Sie denn neben der Arbeit haben, um das Land zu entdecken?
Réthy: Sehr wenig. In der Vorrunde kaum, weil ich fast jeden zweiten Tag kommentiere. Nach der Vorrunde bleiben vielleicht ein bis zwei Tage, um sich mal einen Nationalpark anzugucken, aber im Endeffekt bin ich zu 90 Prozent durch den Job gefordert.

Bei der EM 2008 haben Sie sich beim Halbfinalspiel zwischen Deutschland und der Türkei während eines Strom- und Bildausfalls auch einen Namen als „Hörfunk“-Reporter gemacht. Könnte sich so etwas bei der WM wiederholen?
Réthy: Es gibt ja nichts, was es noch nie gab. Ich habe mir damals auch nicht vorstellen können,  dass so etwas passieren kann, aber dann war es eben so. Unser Job ist es aber ja auch, mit so einer Live-Situation umzugehen, und da muss man dann auch in solchen Situation cool bleiben. Man hat mir später ja auch einen Preis für die emotionalste Reportage verliehen (lacht). Also bezogen auf die WM rechne ich jetzt nicht direkt damit, denn alles was man sich vorstellt, wird es nicht geben – es wird nur das geben, was man sich nicht vorstellt.

Nach der EM haben Sie gesagt, dass Sie dieser Bildausfall überhaupt nicht so beunruhigt hätte…
Réthy: Nein, ich hatte auch gar keine Zeit mir da große Gedanken zu machen oder nervös zu werden. Du musst sofort reagieren und handeln. Ich empfand das eher als Kuriosität und dachte mir nur: das wird schon jeden Augenblick weitergehen. Nervosität kostet nur Konzentration.

Zitiert

Die Menschen sind sehr gastfreundlich, sie essen und trinken gerne, sind fußballbegeistert – speziell die schwarze Bevölkerung

Béla Réthy

Wie kann man sich Ihren Arbeitsplatz während eines Spiels vorstellen? Wie ist der aufgebaut?
Réthy: Ich habe einen normalen Sitzplatz auf der Pressetribüne. Ich habe zwei Monitore – auf dem einen sind Daten zu sehen und auf dem anderen das Fernsehbild. Außerdem habe ich einen Kopfhörer und kann mich mit meinem Mikro selbst ein und ausschalten. Das ist schon alles.

Nun herrscht im Stadion eine große Lautstärke, über die Vuvuzelas regen sich die Fernsehzuschauer in Deutschland seit Beginn der WM auf. Wie gehen Sie damit um?
Réthy: Das gehört dazu, ein Stadion muss laut sein. Ich habe mal ein Spiel in Lissabon kommentiert, ein Uefa-Pokal-Spiel – da haben es die Portugiesen sehr nett gemeint und einen Reporterplatz im VIP-Bereich aufgebaut. Ich saß vor einer Panzerglasscheibe und hatte gar kein richtiges Gefühl mehr für die Stimmung im Stadion. Man hatte immer das Gefühl, als würde man Selbstgespräche führen. Dann doch lieber richtig laut. Man hat ja eh den Kopfhörer auf, der dämmt die Geräusche etwas.

Als deutscher Kommentator fiebert man natürlich auch mit der eigenen Mannschaft mit. Wie schwer fällt es Ihnen, während so einer WM die Neutralität zu bewahren?
Réthy: Bei deutschen Spielen ist es schon legitim mitzufiebern. Man muss natürlich trotzdem die Fehler genauso beim Namen nennen wie die positiven Sachen. Aber emotional fiebere ich schon mit der deutschen Mannschaft mit. Ich glaube das erwarten die deutschen Zuschauer auch. Die Neutralität können wir dann bei zwei neutralen Ländern walten lassen.

Wie groß sind die Chancen des deutschen Teams in Südafrika?
Réthy: Bei der WM 2002 hat eine ähnlich strukturierte Mannschaft – vielleicht war sie sogar noch ein bisschen schwächer – das Endspiel erreicht. Das wird ein gutes Omen sein. Ich bin aber nicht so optimistisch was den WM-Titel angeht. Mein Tipp ist das Viertelfinale.

Wer ist denn Ihr Favorit auf den WM-Titel?
Réthy: Ich tippe auf Brasilien.

Warum?
Réthy: Brasilien ist nicht mehr so typisch brasilianisch wie sie früher mal waren. Die haben zwei, drei geniale Figuren da drin, ansonsten ist es eine Mannschaft, die praktisch jeden Zweikampf gewinnt, die hervorragend steht, europäisch spielt, mit brasilianischen Elementen. Die haben die perfekte Mischung zwischen beiden Fußballkulturen, weil die auch alle in Europa spielen – und das ist eine große Stärke.

Nun kommentieren Sie ja nicht jeden Tag im Jahr ein Fußballspiel. Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag unter der Woche vorstellen?
Réthy: Ich mache für das „Aktuelle Sportstudio“ jeden Samstag einen Bundesliga-Bericht. Ansonsten viele administrative Tätigkeiten, wie die Programmleitung für Großveranstaltungen wie Skispringen, Radsport, also eher hinter den Kulissen. Ich war jetzt zum Beispiel vier Wochen als Programmleiter bei den Winterspielen in Vancouver – das war bisher ein sehr intensives Jahr 2010, und es wird noch intensiver (lacht).

Die Zuschauer hören meist nur Ihre Stimme,  mal sehen sie Sie auf einem Foto. Hatten Sie in Ihrer Karriere mal den Wunsch, auch vor der Kamera zu arbeiten?
Réthy: Ich bin oft genug vor der Kamera, zum Beispiel als Studiogast beim „heute-Journal“. Also manchmal muss dann schon vor die Kamera, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

Sie mögen es nicht so gerne?
Réthy: Ich kommentiere Fußball lieber direkt, als vorher oder hinterher über Fußball zu reden.

Als Kommentator sind Sie oben auf der Tribüne, die Spieler unten auf dem Platz. Inwiefern gibt es trotzdem persönliche Kontakte, vielleicht sogar Freundschaften?
Réthy: Eher Kontakte. Freundschaften nur, wenn die Karriere vorbei ist. Während der laufenden Karriere wäre das ja auch nicht so gut, wenn man mit einem Spieler ein Bier trinken geht und ihn dann am nächsten Tag beim Spiel scharf kritisiert.

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