"Back to Live"

Ein Neustart des Live-Geschäfts ist unter den Bedingungen der Abstandsregeln nicht möglich.

Die Veranstaltungsbranche ist seit einem halben Jahr weitgehend ohne Einnahmen. Über diese schwierige Situation sprachen auf einer Pressekonferenz der Konzertveranstalter Dieter Semmelmann, Roland Kaiser und Jens Michow, Präsident des Verbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft – und nannten dabei klare Forderungen.

"Back to Live"

© Semmel Concerts

Es sieht düster aus für Veranstalter, Künstler, Bühnentechinker und Clubbetreiber, das zeigte zuletzt auch die Demonstration „Alarmstufe Rot“ am 09. September in Berlin. Eine Woche zuvor startete  Semmel Concerts in der Berliner Waldbühne das Open Air „Back to Live“, welches noch bis zum 02. Oktober stattfindet, mit Künstlern wie Kerstin Ott und Peter Maffay. In der Waldbühne dürfen sich dazu insgesamt 5000 Personen aufhalten, inklusive Musiker und Personal.

Vor dem ersten Konzert sprachen am 03. September auf einer Pressekonferenz:
Dieter Semmelmann, CEO Semmel Concerts Entertainment GmbH,
Prof. Jens Michow, Geschäftsführer und Präsident BDKV,
Alexander Ruoff, COO CTS Eventim AG
Roland Kaiser

Zitate:

Dieter Semmelmann: Das Schlimmste, Anstrengendste und Emotionalste in dieser Zeit ist, zu wissen, dass viele Leute, die für uns jahrelang einen tollen Job gemacht haben, die wir in Zukunft auch brauchen, dass die im Moment am Existenzminimum agieren. (…) Unsere Branche ist durchsetzt von Arbeitsmodellen, die eher ungewöhnlich sind: Tausende von Freien, Selbstständigen, die die Konzertbranche als ihre Lebensaufgabe sehen. Diese Leute sind im Moment am schwierigsten dran. (…) Unsere allerletzte Chance, auch die Tausenden Veranstaltungen, die von 2020 nach 2021 verlegt wurden, um die durchzuführen, müssen wir allerspätestens am 01. April 2021 wieder ohne Kapazitätsbeschränkungen beginnen können. Das ist für uns der Entscheidungstag und wir wollen, weil wir auch einen Vorlauf benötigen – 40% unserer Tickets verkaufen wir im Weihnachtsgeschäft – wir müssen bis spätestens Mitte November eine klare Aussage bekommen, wann wir wieder ohne Kapazitätsbeschränkungen weitermachen können. Und wenn man dann eben ab 01. April eventuell mit Maske arbeiten muss, komplett auch während des Konzertes, was ja im Moment schon geht in einigen Bundesländern, dann müssen wir das halt machen. (…) Wir wissen, dass das aufgrund der Infektionsgeschichte nicht einfach ist, aber wir müssen im November wissen, wann wir wieder ohne Kapazitätsbeschränkungen weitermachen können.

Roland Kaiser: Es wuchs meine Sorge, was mit den Kollegen wird, die vielleicht gerade am Anfang stehen, Gesangskollegen, die noch keine Rücklagen schaffen konnten, die auch unter dieser Situation extrem leiden. (…) Die Kultur ist kein Luxusgut, sondern ein Grundbedürfnis der Menschen.

Jens Michow: Das große Problem ist: Wenn wir eine Perspektive hätten, zum Beispiel wüssten, dass es ab 01. Januar wieder Veranstaltungen im gewohnten Umfang geben kann, wäre das ein Lichtblick, der uns zur Zeit völlig fehlt. (…)  Ich höre als Verbandschef sehr genau, dass mittlerweile viele Unternehmen bereits aufgegeben haben, die versuchen in anderen Berufen unterzukommen. Das Veranstaltungsgeschäft befindet sich drei Minuten nach 12. Wenn man die letzten jetzt noch retten möchte, dann muss man sofort handeln. Wir brauchen einen Rettungsschirm, der es uns möglich macht, diese Krise zu überstehen und wir brauchen Prespektiven, wann, unter welchen Bedingungen es weitergeht.

Video-Aufzeichnung:


Transkript der Pressekonferenz, Auszüge:

Moderator: Normalerweise passen in die Waldbühne 22.000 Gäste, heute und an den kommenden Tagen sind es maximal 5000 inklusive der Crew. Was will und kann man damit als Veranstalter erreichen?

Dieter Semmelmann: Wir sind seit 6 Monaten in einem Quasi-Lockdown, unsere ganze Branche hat sozusagen ein Berufsverbot bekommen. Wir wollen heute abend mit unseren Mitarbeitern, unseren Crews und mit Roland Kaiser ein Lebenszeichen aus unserer Branche senden an alle die, die uns so eingesperrt haben in den letzten Monaten.
Es ist ein sehr emotionaler Tag für uns, weil wir das, was wir machen, so sehr lieben – und wir dürfen seit sechs Monaten unseren Beruf nicht mehr ausüben.
Manchmal hat man das Gefühl, dass bei den vielen Verboten und den Symbolen, die die Politik damit aussenden will, man irgendwo vergessen wird. Wir können unter Hygiene-Bedingungen so eine Veranstaltung durchführen, wir haben hier ein Konzept erarbeitet zusammen mit dem Veranstaltungsort, dem Gesundheitsamt abgestimmt, was zulässt, dass wir mit knapp 5000 Leuten Konzerte veranstalten dürfen. Für uns ist es wirtschaftlich ein Kraftakt in jeder Beziehung, wir können damit kein Geld verdienen, aber wir versuchen damit ein Zeichen zu setzen, auch die ein oder andere Forderung, die wir jetzt an die Verantwortlichen aussenden wollen, zu unterstützen, darzustellen. Weil wir in einer Situation sind, die sehr problematisch ist.

Moderator: Was passiert mit einer Firma und den festen und freien Mitarbeitern, nach einem halben Jahr Zwangspause?

Semmelmann: Wir haben 160 feste Mitarbeiter, die sind alle in Kurzarbeit, auf 20-50% runtergesetzt. Wir haben sehr viele Rückabwicklungen, wir haben unseren Kunden, dem Publikum schon Einiges zugemutet. Wir haben das Gutscheinmodell zugestanden bekommen, so dass ihre Kunden, so dass unsere Kunden ihre Tickets der verlegten Veranstaltungen entweder behalten dürfen – was über 90 Prozent der Kunden machen – oder eben gegen Gutscheine umtauschen müssen, was erst im nächsten oder übernächsten Jahr zu einer Barauszahlung führen wird. Von daher ist die Firma noch im Gange.
Was uns am meisten bedrückt sind die vielen freien Mitarbeiter. Unsere Branche ist durchsetzt von Arbeitsmodellen, die eher ungewöhnlich sind: Tausende von Freien, Selbstständigen, die die Konzertbranche als ihre Lebensaufgabe sehen. Diese Leute sind im Moment am schwierigsten dran.
Ich habe in den letzten Wochen einige Anrufe von Kolleginnen und Kollegen bekommen, die den Job mit Leidenschaft ausüben. Mich rief ein Techniker an, und des ist sehr schwer, auch für mich, dann am Telefon einen heulenden 50-jährigen Mann zu erleben, der verzweifelt ist, weil ihm seit einem halben Jahr sämtliche Aufträge weggebrochen sind. Der fast am Rand seiner Existenz ist. Diese Leute können dann nur aufs Sozialamt gehen und Hartz4 beantragen. Weil die ganzen Fördermaßnahmen, die zur Verfügung stehen, die lassen solchen Leuten eigentlich keine Chance. Das ist das Schlimmste, Anstrengendste und Emotionalste in dieser Zeit. Weil wir wissen, dass viele Leute, die für uns jahrelang einen tollen Job gemacht haben, die wir in Zukunft auch brauchen, dass die im Moment am Existenzminimum agieren. Ich hoffe, dass diese Problematik bald vorbei ist und wir nächstes Jahr schnell weitermachen können. Und dass diese Menschen, die diesen Job leben, nächstes Jahr noch zur Verfügung stehen. Weil die Gefahr, dass die Branche im nächsten Jahr ohne Mitarbeiter dasteht und die Struktur, die über Jahrzehnte aufgebaut wurde, kaputt gegangen ist, die Gefahr ist vorhanden.

Roland Kaiser, was Sie bewogen hier heute mitzumachen?

Kaiser: Erstmal die Chance, überhaupt wieder spielen zu können, mein Publikum wieder zu sehen, vor allen Dingen auch wieder den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Chance zu geben, Geld zu verdienen. Auch meine Musikerinnen und Musiker, die extrem unter dieser Situation leiden. Dazu kommt die Vorfreude auf mein Publikum, und da spielt die Anzahl keine große Rolle in dem Moment.

Wofür haben Sie die Zwangspause genutzt?

Kaiser: Ich kam erst mal zur Ruhe. Dann gab es eine starke Konzentration auf meine Familie. Und dann habe ich viel getan was die Vorbereitung angeht für Projekte im nächsten Jahr. Und es hat angefangen mein Sorge stark zu werden, was mit den Kollegen wird, die vielleicht gerade am Anfang stehen, Gesangskollegen, die noch keine Rücklagen schaffen konnten, die auch unter dieser Situation extrem leiden. Ich hoffe sehr, dass wir möglichst bald für alle einen Neuanfang schaffen. Natürlich immer unter den bestehenden Verordnungen.

Herr Michow, die Veranstaltungsbranche hat wahrscheinlich die schwerste Krise ihrer Geschichte zu durchstehen. Welches Bild zeichnen Sie vom aktuellen Zustand?

Michow: Es ist nicht schwer vorstellbar, dass ein Wirtschaftszweig, der seit einem halben Jahr keinerlei Einnahmen erzielen kann, wo auch die Mitarbeiter ihre Familien nur unter schwierigsten Bedingungen finanzieren können, irgendwann seine Rücklagen aufgebraucht hat. Also zum Beispiel auch kein Geld mehr haben wird, um für die Zukunft Künstler einzukaufen.
Das große Problem ist: Wenn wir eine Perspektive hätten, zum Beispiel wüssten, dass es ab 01. Januar wieder Veranstaltungen im gewohnten Umfang geben kann, wäre das ein Lichtblick, der uns zur Zeit völlig fehlt. Wir wissen mittlerweile, dass es nicht nur ein halbes Jahr sein wird, sondern ein Dreivierteljahr, in dem keine Veranstaltungen stattfinden können.
Jetzt werden Sie sagen: ‚Wieso, hier findet doch eine statt‘. Aber das sind Veranstaltungen, die mehr dazu dienen, damit unsere Branche das Veranstalten nicht ‚verlernt‘. Dass Hoffnung gegeben wird, dass es irgendwie vielleicht weiter geht. Aber es sollte niemand glauben, dass das Unternehmen Semmel Concerts mit einer solchen Veranstaltung Geld verdienen kann. Denn es wird weder ein Künstler hier von der Lufthansa zum Viertelpreis eingeflogen, es ist noch nicht mal ein Viertel der Plätze, die in der Waldbühne in Anspruch genommen werden können. Jedes Medium, jede Rundfunkanstalt wird für einen Spot, den wir zur Ankündigung eines Konzertes machen, nicht nur ein Viertels des Preises verlangen. Es kann sich also jeder leicht vorstellen, dass damit kein Geld zu verdienen ist.
Ein Neustart des Live-Geschäfts ist unter den Bedingungen der Abstandsregeln nicht möglich. Das bedeutet, solange wir Abstandsregeln einhalten müssen, solange wir Stadien mieten müssen zum meist vollen Preis – weil insbesondere die privaten Hallen sagen, ‚das ist euer Betriebsrisiko, wir können euch die Hallen nicht günstiger geben – … Solange diese Abstandsregeln eingehalten werde müssen, werden Sie in diesem Lande keine Konzerte im Sinne von ‚Konzertveranstalter machen Konzerte, um damit auch Geld zu verdienen, unter hohen Risiken‘ werden sie keine Konzerte im normalen Umfang erleben.
Jetzt sagen Sie vielleicht: Es gibt das große Konjunkturpaket der Bundesregierung, warum hat das nicht ausgereicht? Das Förderprogramm, dass ausgehandelt wurde, mit der Beauftragten für Kultur und Medien, was wollt ihr alles noch?
Es ist tatsächlich so, dass es dieses Kulturprogramm gibt, das ist ein Förderprogramm für die Zukunft wo ausschließlich Defizite mit abgedeckt werden, die entstehen können, wenn wir jetzt Veranstaltungen machen. Nun, für 5000 Menschen zu planen, ist leichter, als für 20.000 zu planen. Wir werden also diese Defizite nicht erwirtschaften, hoffentlich. Aber wir werden auch kein Geld damit verdienen. Das wird über dieses Förderprogramm nicht ermöglicht, denn sobald wir einen Cent verdienen, kriegen wir gar kein Geld.
Es ist unmöglich, mit dem, was wir bisher haben, Löcher zu füllen, geschweige denn die Existenz für die Zukunft zu nutzen. Wir stellen leider fest, dass es Wirtschaftszweige gibt, die in Berlin mehr wahrgenommen werden, als die Veranstaltungswirtschaft. Das liegt sicherlich daran, dass man denkt, „das ist Freizeitvergnügen, das ist nicht so wichtig“. Krankenhäuser sind selbstverständlich wichtiger. Aber wenn man den Menschen wieder Hoffnung zurückgeben möchte, Musik und Unterhaltung sind neben dem Sport das wichtigste Freizeitvergnügen in diesem Land, die Menschen wieder in die Normalität zurückbringen möchte, dann gehört auch dieser Bereich dazu. Und wenn man jetzt davon redet, dass wir 160.000 Erwerbstätigen in dieser Branche Arbeit geben, im Jahr einen Umsatz von 6 Milliarden (vor Steuern) machen, dann mag das für den ein oder anderen Politiker vernachlässigbar sein. Aber man vergisst dabei, dass wenn die Veranstalter nicht veranstalten, ein Künstler keine Einnahmen hat. Ich würde sagen: Hunderttausende von Künstlern haben seit einem halben Jahr keine Einnahmen. Wir haben Tausende von Dienstleistern, Ton- und Lichtverleih, jemand der ein Zelt aufstellt, Karten abreißt – auch die sind ohne Arbeit. Wenn also das Veranstaltungsgeschäft nicht läuft, haben diese Bereiche keine Einnahmen, die Künstler haben keine Einnahmen, und wenn die keine Einnahmen haben, die Musikautoren, auch nochmal zigtausende, die Musikverlage…. – dann reden wir nicht mehr über lediglich 160.000 Mitarbeiter, übrigens nur 10.000 weniger als die Lufthansa weltweit beschäftigt – sondern wir reden dann über mehr als 600.000 Menschen, die mit diesem Bereich ihr Geld verdienen. Und für diese Menschen muss es eine Perspektive geben, wie es bereits während der nächsten Monate weitergeht. Und es muss für den Fall vorgesorgt werden, dass wir aus Infektionsschutzgründen auch ab Januar oder im Dezember hören: Es muss leider nochmal 3 Monate ausgesetzt werden.
Damit es nicht missverstanden wird: Wir respektieren jede Form des Infektionsschutzes. Wir sehen nur nicht ein, dass wir bei der ganzen Problematik, inklusive aller Bereiche, die dazu gehören, ziemlich weit unter das Rost fallen, ziemlich weit außerhalb des Fokus der Politik liegen. Wenn sich da nicht schnell etwas ändert, in Hinblick auf Gelder, die es ermöglichen, davon in Zukunft den Laden zu bezahlen, vielleicht auch um ein bisschen zu haben, um selbst zu überleben, dann werden wir nach dem Ende der Krise erleben, dass die Vielfalt unseres Kulturbetriebes vorbei ist. Dass kleine Jazz-, Folk-, Blues-Konzert werden Sie nicht mehr erleben, Sie werden auch die mittleren Konzerte werden Sie nicht mehr erleben. Sie werden vielleicht noch ein paar der großen Konzerte erleben – wenn die Veranstalter es bis dahin durchhalten. Und da höre ich als Verbandschef sehr genau, dass mittlerweile viele Unternehmen, die gar nicht lautstark genug sind, um zu sagen „ich kann nicht mehr“, bereits aufgegeben haben, versuchen in anderen Berufen unterzukommen. Das Veranstaltungsgeschäft befindet sich drei Minuten nach 12. Wenn man die letzten jetzt noch retten möchte, dann muss man sofort handeln, und das ist, was wir als Verband, was auch alle hier Anwesenden fordern: Man muss einfach sehen, dass wir einen Rettungsschirm brauchen, der es uns möglich macht, diese Krise zu überstehen und wir brauchen Prespektiven, wann, unterwelchen Bedingungen es weitergeht. Und wir möchten auch, dass sich dann die Verordnungsgeber an diese Rahmenbedingungen, die sie setzen, halten. Und dass wir nicht wieder, wie in Düsseldorf, erleben, dass man sagt: ‚das sind zwar die Verordnungen, aber es geht trotzdem nicht‘. So wird es nicht gehen, so wird diese Branche sterben.

(…)

Kaiser: Die Kultur ist kein Luxusgut, sondern ein Grundbedürfnis der Menschen.

+++ Fragen von Journalisten (Auszug) +++

Gibt es bei Ihnen im Bekanntenkreis Menschen, die am Virus erkrankt sind?

Kaiser: Ich habe in meinem Bekanntenkreis keinen Infizierten erlebt.

Semmelmann: Ich kenne all die Künstler, die durch die Medien ihre Krankheit erzählt haben. Im direkten Umfeld waren es auch kaum Krankheitsfälle. Natürlich gibt es diese Krankheit. Uns ist das bewusst, wir gehören nicht zu denen, die sagen ‚Corona gibt es gar nicht‘. Wir hatten im Bekanntenkreis keine schweren Fälle, aber natürlich auch im Umfeld solche Krankheitsfälle gehabt.

Ich hörte bei Marek Lieberberg in einem Interview eine Frustration heraus, im Vergleich zur Klassik-Branche. Teilen Sie das Gefühl, dass die Klassik-Branche im Moment mehr gestützt wird?

Semmelmann: Natürlich ist es so, dass ein großer Teil unserer Frustration auch dadurch besteht, dass wir letztendlich privatwirtschaftlich Kultur anbieten und die klassische Musik zum Großteil eher unter die Kategorie subventionierte Kultur fällt. Von daher haben wir schon das Gefühl, dass wir uns eben schon ein bisschen verlassen fühlen von dem ein oder anderen, der Fördermittel verteilt, ohne dass wir uns nur beklagen wollen. Aber die subventionierte Kultur ist sicherlich bei der Verteilung der aktuellen Fördermittel noch wesentlich besser bedient worden wie wir privatwirtschaftliche Veranstalter. Um so mehr fordern wir, dass wir eine Perspektive bekommen. Wir fordern einen verbindlichen Termin eines Neustarts. Wir wissen, dass das aufgrund der Infektionsgeschichte nicht einfach ist, aber wir müssen im November wissen, wann wir wieder ohne Kapazitätsbeschränkungen weitermachen können. Wir lesen alle in den Medien, dass Ende des Jahres, Anfang des kommenden Jahres ein Impfstoff vorhanden sein wird. Das wird sicher eine Zeit lang dauern, bis der verbreitet ist. Aber unsere allerletzte Chance, auch die Tausenden Veranstaltungen, die von 2020 nach 2021 verlegt wurden, um die durchzuführen, müssen wir allerspätestens am 01. April wieder ohne Kapazitätsbeschränkungen beginnen können. Das ist für uns der Entscheidungstag und wir wollen, weil wir auch einen Vorlauf benötigen, 40% unserer Tickets verkaufen wir im Weihnachtsgeschäft – wir müssen bis spätestens Mitte November eine klare Aussage bekommen, wann wir wieder ohne Kapazitätsbeschränkungen weitermachen können. Und wenn man dann eben ab 01. April eventuell mit Maske arbeiten muss, komplett auch während des Konzertes, was ja im Moment schon geht in einigen Bundesländern, dann müssen wir das halt machen. Aber wir brauchen diese verbindliche Ansage. Weil sonst ist die Branche platt.

Michow: Es ist so, dass im Veranstaltungssegment die meisten Häuser dieses Landes von der öffentlichen Hand betrieben werden. Das heißt: Die Finanzierung ist gesichert. Unser Problem ist derzeit, dass es eine Reihe von Häusern gibt, die sagen: „Wir sind besorgt, dass das (die Corona-Einschränkungen) bis zum Ende 2021 andauern wird, daher nehmen wir zur Zeit keine Buchungen ab. Und die Buchungen, die Sie vorgenommen haben für 2021 werden von uns leider storniert. Wir sehen uns außer Stande, nochmal die Probleme mit den Gästen unseres Hauses durchzuleben.“ Das heißt: Selbst wenn wir buchen wollten, in der Hoffnung dass im nächsten Jahr etwas geht, können wir in vielen Fällen gar nicht buchen.
Wir werden erleben, dass die Veranstaltungsbranche lange nach der Zeit, wo dann hoffentlich wieder Veranstaltungen im gewohnten Umgang möglich sind, noch Zeit brauchen wird, bis das Publikum überhaupt wieder das Vertrauen hat, um in Konzerte zu gehen. Auch das wird zu erheblichen Umsatzeinbußen führen. Und natürlich kann es auch sein, dass es Politiker gibt, die sagen: „Was weiß ich, wann es wieder möglich ist mit dem Zulassen von Veranstaltungen?“ Dann muss aber parallel jetzt schon gesagt werden, was dann der Plan B ist.
Und wenn ich höre, dass unser Gesundheitsminister gewisse Maßnahmen „reflektiert“, ob sie richtig waren oder nicht, dann bitte ich darum, dass uns das als Veranstalter nicht auch noch passiert, sondern dass man jetzt anfängt zu reflektieren und mit Pandemieologen spricht und sie fragt, ob es denn tatsächlich erforderlich ist, auch in den kommenden Monaten diese Abstandsregelungen einzuhalten. Ich höre von einigen bedeutenden Virologen, dass man sich darüber bereits jetzt schon unterhalten könne. Es ist elementar wichtig, dass man jetzt nicht nur sagt, was nicht geht, sondern auch sagt: Wenn es weiter nicht geht, dann alternativ an substanzieller Hilfe dieser Branche zuteil werden lässt. Denn andernfalls nimmt man billigend inkauf, dass sie einfach ausstirbt.

Herr Kaiser, teilen Sie diese eher pessimistische Einstellung? Wie sehen Sie sich selbst in der Zukunft, angesichts dieser Lage?

Kaiser: Wenn es dazu kommt, dass wir keine Planungssicherheit bekommen, dann wid es für uns Künstler alle sehr eng. Weil wir ohne Veranstalter keinen Kontakt mehr haben können zu unserem Publikum. Außer bei Fernsehsendungen, die ebenfalls schon sehr stark beschränkt sind. Das wird für meine Kolleginnen und Kollegen hart werden. Es wird uns auch bremsen in der Kreativität. Es wird mich auch traurig stimmen, was dann meine Musiker angeht und die Kollegen, die die technischen Dinge bearbeiten.

Die Elbphilharmonie kann offenbar mit 30 Prozent starten, die Waldbühne, open air, nur mit 20 Prozent Kapazität. Warum ist das so?

Semmelmann: Das liegt an der Berliner Verordnung, die aussagt, dass Großveranstaltungen verboten sind ab 5000 Personen. Das ist die Erklärung, warum wir in dieser großen Location nur 5000 Personen habe können.
Es ist einfach ein Quatsch, wenn man es sich in der Praxis überlegt, dass man Regelungen der Beschränkungen der Besucherzahlen macht aufgrund einer absoluten Kapazität, ohne dass man die jeweilige Location und ihre Größe und Fläche mit einbezieht. Es ist sicher kein Problem etwa im Olympiastadion, wo normalerweise 70.000 reinpassen, dass man dort ohne Probleme eine fünfstellige Besucherzahl ohne jegliche Probleme im Hinblick auf Einhaltung der Hygiene-Vorschriften reinlässt. Auch die Diskussion über die Fußball-Bundesliga… Was uns als Unternehmer frustriert: Wir haben das Gefühl, dass wir in einem Zeitalter der Symbolpolitik leben, diese Symbolpolitik der Verbote macht uns krank, weil wir einfach manchmal nicht verstehen: Was wollen die Menschen zu uns sagen? Wir können das, wir können jegliche Art von behördlichen Vorgaben umsetzen. Aber die sollten doch einigermaßen vernünftig und nachvollziehbar sein. Es is vollkommener Blödsinn, dass man Locations, wo 50.000 Menschen reinpassen, beschränkt auf 1000 Besucher. Das ist unlogisch. Wenn die Abstandsregeln das Argument sind: Das ist in diesen Locations kein Problem. Und man wird auch in einer Mercedes-Benz-Arena ohne Probleme 4000 bis 5000 Leute unterbringen. Das ist alles machbar. Vielleicht bestuhlt eine gewisse Zeit, aber es ist machbar, dafür vernünftige Konzepte umzusetzen.

Herr Kaiser, was haben Sie in der Zeit des Lockdown bis jetzt getan?

Kaiser: Ich habe Dinge vorbereitet, die im nächsten Jahr relevant werden. Ich bereite ein Album vor, das nächstes Jahr erscheinen wird. Und ich habe etwas geschrieben, was im nächsten Jahr erscheinen wird. So etwas habe ich gemacht, damit ich im nächsten Jahr in Ruhe auf Tournee gehen kann.

Sie rechnen damit?

Kaiser: Ich rechne fest damit. Ich glaube ganz sicher, dass wir ab 01.04. oder 01.03. … Ich glaueb sicher, dass es wieder weitergehen wird. Es muss Konzepte geben, die es machbar machen, dass man wieder auf die Bühne kann, dass diese vielen Menschen wieder ihre Arbeit kriegen und dass das Publikum wieder zuschauen kann. Ich bin sehr optimistisch.

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