Axel Prahl

…und Polanski sagte: „Oh yes! Shit! Sorry!“

Axel Prahl über seine Rolle im „Tatort“, politische Ambitionen des Ermittler-Kollegen Peter Sodann, Gewaltdarstellung im TV und einen vergessenen Auftritt in „Der Pianist“

Axel Prahl

© WDR/Uwe Stratmann

Herr Prahl, bei der Umfrage: „Welchen Tatort – Kommissar würden Sie gerne als Bundespräsidenten sehen?“ landete Maria Furtwängler auf Platz 1, Peter Sodann auf Platz 2 und Sie auf dem letzten Platz. Was haben Sie richtig gemacht?
Prahl: Zum einen glaube ich sowieso nur der Umfrage, die ich selbst gefälscht habe. Und zum anderen habe ich es anscheinend richtig gemacht, mich aus diesem ganzen Flohzirkus herauszuhalten. Dass (Peter) Sodann sich zur Kandidatur für das Präsidentenamt hat hinreißen lassen, ist natürlich ein Zeichen dafür, wo Politik mittlerweile gelandet ist, nämlich im Populismus. Ich währe eher dafür, den einzelnen Bürger wieder zu politisieren. Aber dazu müssen wahrscheinlich die Hartz4-Sätze noch weiter gesenkt werden, damit die Leute bemerken, dass auch sie selbst Politik gestalten könnten. Punkt.

Wie sind Sie und die Rolle des Münsteraner Tatort-Kommissars Frank Thiel eigentlich zusammengekommen?
Prahl: Das geschah über den Umweg des Fernsehfilms „Die Polizistin.“ Der WDR hatte diesen Film coproduziert und hegte dann den Gedanken, daraus ein Serienformat zu machen. Andreas Dresen, der den Film gemacht hatte, meinte nur: „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist! Die Entwicklung des Drehbuchs für den Film hat sieben Jahre gedauert!“

In „Die Polizistin“ spielen Sie einen Polizisten in Frankfurt/Oder. Das wäre doch mal ein ungewöhnlicher Schauplatz für eine TV-Serie gewesen.
Prahl: Ja, aber ich glaube, es ging dem WDR eher um die halbdokumentarische Machart, bei der man nicht weiß, ob es nicht doch um echte Polizisten in einem echten Revier geht. Jedenfalls kam dann noch hinzu, dass die Kölner, die damals fünf Tatorte pro Jahr produzierten, nur noch drei machen wollten. Dadurch entstand die Idee, ein weiteres WDR-Tatort-Team ins Rennen zu schicken. Dann wurde mir eben der Kommissar Frank Thiel angeboten.

 … der aber eigentlich aus Hamburg kommt und regelmäßig zu Fußballspielen nach St. Pauli fährt.
Prahl: Auf diesen Hamburger Hintergrund ist man wohl aufgrund meiner Rolle in „Die Polizistin“ gekommen. Die war, vor allem sprachlich, eher so norddeutsch angelegt. Boernes Assistentin Alberich und der Vater von Frank Thiel, der Taxifahrer, all diese wunderbaren Nebenfiguren wurden von den Autoren der ersten Folge entwickelt.

Haben Sie das Angebot, Tatort-Kommissar zu werden, sofort angenommen?
Prahl: Ich habe lange überlegt, ob ich das machen soll. Aber da nur zwei Tatorte pro Jahr gedreht werden, habe ich noch genügend Zeit, andere Dinge zu tun. Man bekommt zwar eine Hausnummer, man sagt: Prahl? Das ist doch der aus dem Tatort. Aber diese Identifikation hat manchmal ja auch durchaus etwas Positives!

Etwa zur gleichen Zeit hatten Sie eine kleine Rolle in Roman Polanskis „Der Pianist.“ Mussten Sie sich zwischen einer internationalen Kino- und der Tatort-Karriere entscheiden?
Prahl: Was spielen deutsche Schauspieler in europäischen und vor allem in Hollywood-Filmen? Nazis. Es gibt nur ganz wenige, denen es gelungen ist, den internationalen Weg konsequent weiter zu gehen. Würde man mir mal anbieten, in James Bond den Bösewicht zu spielen, wäre ich nicht abgeneigt. Ich glaube aber nicht, dass das passieren wird.

Also haben Sie es nicht als Zeichen gesehen, dass man vergessen hat, Sie im Abspann von „Der Pianist“ zu erwähnen?
Prahl: (Lacht) Wichtige Leute im Leben trifft man ja immer zweimal. Es ergab sich dann, dass Roman Polanski beim bayerischen Filmpreis 2002 für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde und ich als bester Schauspieler für „Halbe Treppe.“ Wir saßen in derselben Reihe, ich ganz außen und er in der Mitte, zwischen Herrn und Frau Stoiber. Ich winkte ihm zu, er winkte zurück. Ich robbte zu ihm rüber und fragte, ob er sich an mich erinnern könne. Er druckste etwas herum: „Not really“. Ich sagte: Ich habe in deinem Film „Der Pianist“ mitgespielt. Er sagte: „Oh yes! Shit! Sorry!“

Die Stoibers guckten wahrscheinlich schon etwas irritiert.
Prahl: Allerdings. Dann sagte ich: Ich mochte den Film sehr, aber leider bin ich im Abspann vergessen worden. Und er: „What? Oh Shit! No!“. Dann hat er in seiner Dankesrede für sein Lebenswerk noch mal von der Bühne herab gesagt: Ich danke meinem Freund Axel, und dass er damals gar nicht wusste, was er für einen  Schauspieler in seinem Film hat. Immer wenn es mir schlecht geht, wühle ich mir diese Kassette raus und schaue mir diesen Ausschnitt an. (Lacht)

Immer wenn es Ihnen schlecht geht?
Prahl: Ach, das gibt’s manchmal schon, wer kennt das nicht?

Kennen Sie noch berufliche Frustration?
Prahl: Beruflich eigentlich weniger. Da kann ich mich bisher – klopf, klopf, klopf – eigentlich nicht beklagen. Aber das Leben ist nicht nur Film. Im Gegenteil, es gibt viele, viele Dinge, die so viel wichtiger sind, als Film. An der Stelle wird das ganze ja auch etwas überbewertet, auch was die Bezahlung anbelangt.

Das wäre wieder ein Thema für den Präsidentschaftskandidaten Peter Sodann.
Prahl: Bewertung von Arbeit… Eigentlich auch ein Thema für mich. Aber ich werde den Teufel tun, mich in die Politik zu bewegen.

Zitiert

Wahrscheinlich müssten die Hartz4-Sätze noch weiter gesenkt werden, damit die Leute bemerken, dass auch sie selbst Politik gestalten könnten.

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Auch die Entlohnung von Schauspielern unterliegt nicht dem Prinzip der Fairness, sondern dem Verhandlungstalent der Agenturen.
Prahl: Maßgeblich ist vor allem immer das Verteilungssystem. Es ist zwar noch nicht so wie in den USA, dass man mit einem Film drei Millionen verdient. Da gibt es ja die absurdesten Dimensionen. Aber dass mit der Verteilung generell etwas schief läuft, sieht man ja wohl klar und deutlich.

Was würden Sie ändern, wenn Sie Produzent wären?
Prahl: Es ist an der Stelle immer schwer, das Rad der Geschichte zurück zu drehen. Es ginge nur mit einer Grundlegenden Änderung des Systems. Dass alle Menschen gerecht bezahlt werden, ist natürlich ein utopischer Gedanke, aber warum soll man keine Utopien haben? In Sachen Verteilung ist der Kommunismus jedenfalls gerechter gedacht, als die freie soziale Marktwirtschaft. Und von allen anderen Ungerechtigkeiten abgesehen, scheint mir zumindest die Lohnpolitik in der DDR ein Stück weit fairer gewesen zu sein.

Zurück zum Tatort. Warum ist die Reihe so populär?
Prahl: Der Tatort ist ein Familienformat. An das bin ich auch selbst durch meine Eltern herangeführt worden. Anfänglich war der Tatort deswegen spannend, weil man ihn nicht gucken durfte. Dann, im zarten Alter von 12, 13, konnte man sich in Wolldecken gehüllt und mit einer Knabberschale auf dem Tisch schon beim Vorspann in die Hosen machen. Als dann das Angebot, einen Kommissar zu spielen, an mich herangetragen wurde, war mir schon klar, dass das so eine Art Ritterschlag ist. Der Tatort zählt eben zum Besten, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat.

Woran liegt das?
Prahl: Das liegt schon an der Qualität der Regisseure und auch an den Darstellern.

Lockt die Marke „Tatort“ automatisch die Besten an, oder steckt in erster Linie mehr Geld und damit auch mehr Vorbereitungs- und Drehzeit dahinter?
Prahl: Die Drehzeit ist nicht mehr länger, das hat sich leider Gottes etwas gewandelt. Fernsehfilme haben zum Teil 25 Drehtage, wir haben meistens 22. Das Budget wurde vor einigen Jahren um 10% gekürzt. Die Kosten sind aber, dank steigender Benzinkosten etc. pp. eher gestiegen.

Da könnte ich als Gebührenzahler sagen: So ein Tatort-Team kennt sich ja schon, ist eingespielt und kann daher ökonomischer arbeiten?
Prahl: Das ist auf der einen Seite richtig, auf der anderen Seite kommen immer Episodenhauptrollen dazu, die man noch gar nicht kennt. Wir dürfen uns eigentlich keinen Fehler mehr leisten, wenn wir die Qualität halten wollen. Früher war es so: Wenn man mal einen Schlechtwettertag hatte, konnte man nachdrehen, damit die Szenen zusammenpassen. Heute muss man bisweilen hinnehmen, dass es in derselben Szene aus einer Perspektive regnet, und aus der anderen nicht.

Ihre Rolle, Hauptkommissar Frank Thiel, ist auf dem Papier ein nörgelnder Einzelgänger, den man eigentlich nicht sofort ins Herz schließen würde. Haben Sie über einzelne Sätze hinaus Ihre Rolle auch mit entwickelt?
Prahl: Da hat sich von Anfang an viel aus der Zusammenarbeit entwickelt. Gerade in Improvisationen mit Jan Josef Liefers, der den Gerichtsmediziner Boerne spielt, entstehen manchmal unwiederbringliche Momente. Die könnte man sich am Schreibtisch gar nicht ausdenken. Gute Regisseure nutzen so was. Andere, die das Zutrauen an sich oder uns Darsteller nicht haben, sagen dann: Nee, mach es mal lieber so, wie es im Buch steht. Aber manchmal ist eben doch besser, der Spielfreude ihren Lauf zu lassen.

Das klingt schon fast nach dem Spiel auf Theaterbühnen, auf denen Sie vor Ihrem Durchbruch als Filmschauspieler lange Jahre zuhause waren.
Prahl: Ich begreife meinen Beruf eigentlich immer noch als Schauspieler-Handwerker im Brechtschen Sinne. Ich mache meine Arbeit so gut es geht und arbeite mich im Grunde von Szene zu Szene, wie ein Tischler, der sich von Schrank zu Schrank arbeitet. Ich versuche jeweils mein Bestes zur Spannung, dem Witz oder was immer dann den Unterhaltungswert einer Szene ausmacht, beizutragen.

Ihre neue Tatort-Folge „Wolfsstunde“ ist außergewöhnlich, weil sich recht harte Psychothriller-Elemente mit der komödiantischen Ebene abwechseln.
Prahl: Als wir das Buch auf den Tisch bekamen, waren Jan Josef und ich beide sehr skeptisch. Es geht schließlich um einen Vergewaltiger und in dem Zusammenhang kann man schlecht Witze machen. Ich fand das Buch schon immer sehr gut, es war ein guter Fall. Das ist in unserem Genre dann ja doch meistens das Problem, dass die Fälle etwas zusammengeschraubt und bisweilen konstruiert wirken. Wir hatten aber die Befürchtung, dass wir mit unserer komödiantischen Art den Zuschauer ein bisschen vor dem Kopf schlagen würden. Es freut mich zu hören, dass Sie das gelungen finden; ich bin sehr gespannt, wie die breite Masse drauf reagieren wird.

Die Gratwanderung geht so weit, dass Sie als Kommissar auch an Ihre Grenzen kommen und man sich Sorgen macht, ob Frank Thiel nicht selbst in der Psychiatrie landet.
Prahl: Das habe ich eben auch immer als Qualität dieses Buches empfunden. Thiel ist so persönlich involviert, dass er dazu neigt, auch sehr menschlich zu handeln.

Sie haben in „Willenbrock,“ einem weiteren Film von Andreas Dresen, einmal das Opfer eines nächtlichen Überfalls gespielt. Es war eigentlich nur dunkel, es wurde nur geschrieen, es herrschte Panik. Profitiert eine Rolle wie Frank Thiel davon, dass Sie sich auch schon mal in Opfer so hineinversetzen mussten?
Prahl: Unbedingt. Mit Gewalt und ihrer Darstellung wird nicht nur in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft manchmal etwas leichtfertig umgegangen. In der Realität sieht das meistens ganz anders aus, eher so wie in „Willenbrock“. Aber sensibilisiert bin ich in der Hinsicht eigentlich schon von Kindesbeinen an. Ich bin in Neustadt aufgewachsen, an der holsteinischen Ostseeküste. Da gibt es viele Campingplätze und manchmal fielen da irgendwelche Rocker tatsächlich mit Beil und Machete ein, die ganze Kneipeneinrichtungen zusammenschlugen und auch extrem brutal Menschen durch Fensterscheiben geschmissen haben. Ich bin selbst Augenzeuge solcher Vorgänge geworden. Das sind Eindrücke, die man ein Leben lang nicht loswird. Von denen zehre ich als Darsteller immer noch.

Haben Sie für die Vorbereitung einer Rolle auch schon mal reale Polizeiarbeit erlebt?
Prahl: Ja. Damals für „Die Polizistin“ bin ich ein bisschen in Rostock mit der Polizei unterwegs gewesen. Das war dann eher lustig und hatte manchmal etwas von einem Räuber und Gendarm Spiel. Es sieht eben in der Realität meistens doch nicht so schlimm aus, wie in der Fernsehkrimilandschaft, wo ja, salopp gesagt, Leichen unseren Weg pflastern. Pro Tatort gibt es mindesten zwei Leichen. Das ist, zum Glück, eher eine Behauptung und in erster Linie Fiktion, beziehungsweise Unterhaltung.

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