Arnd Zeigler

Ich habe Probleme mit der Champions-League

Moderator Arnd Zeigler über Thomas Schaaf, sein schlimmstes Erlebnis als Stadionsprecher, die wachsende Kommerzialisierung des Fußballs und warum eher Bayern als Schalke Deutscher Meister werden sollte

Arnd Zeigler

© Radio Bremen

Herr Zeigler…
Arnd Zeigler: Wollen wir uns nicht lieber duzen?

Gerne. Also Arnd, Jan Schlaudraff ist in der Winterpause von Alemannia Aachen zum FC Bayern gegangen. Unter anderem war er auch bei Werder im Gespräch. Es wird viel darüber spekuliert, dass Bayern ihn nur geholt hat, um ihn Werder vor der Nase wegzuschnappen?
Zeigler: Das mag eine Rolle gespielt haben, dass die Bayern mal wieder ein Erfolgserlebnis brauchten und sich auf dem Markt positionieren müssen.

Warum?
Zeigler: In der Hinrunde haben alle nur von Werder Bremen gesprochen und gesagt, die spielen den schönsten Fußball. Wenn man sich im Kicker die Notendurchschnitte der Feldspieler anschaut, dann sind von den ersten acht fünf aus Bremen und keiner aus München. Die Bayern müssen sich wohl wieder in Stellung bringen.

Werder ist Herbstmeister, Bayern auf Platz zwei. Kann man sagen, dass Bayern stärker unter Druck steht als Werder?
Zeigler: Ja. Genau das ist einer der Gründe, warum ich große Probleme hätte, Bayern-Fan zu sein. Wenn man einem Verein nahe steht, bei dem es furchtbar ist Zweiter oder Dritter zu sein, dann ist das natürlich ein harter Alltag. Für Bayern reicht es nicht, in der Champions-League zu sein und auf Platz zwei oder drei zu kommen. Die müssen Titel gewinnen und das ist natürlich eine beinharte Ausgangslage.

Bei Werder scheint man hingegen gar nicht enttäuscht über das Ausscheiden aus der Champions-League in der Vorrunde?
Zeigler: Nein. Das wäre ja auch sehr vermessen, zu erwarten, dass man weiterkommt, obwohl es natürlich möglich gewesen wäre. Aber als Werder mit Barcelona und Chelsea in eine Gruppe gelost wurde, hat niemand daran geglaubt, dass Werder am letzten Spieltag die Chance hat weiterzukommen. Werder hat bewiesen, dass man mit den ganz großen Teams mithalten kann. Vor wenigen Jahren war das undenkbar. Gerade Werder-Fans, die schon länger dabei sind, haben erlebt, dass Werder fast pleite war, Spieler verkaufen musste und der Abstieg drohte. Für die ist das jetzt eine fast paradiesische Situation.

Wie lange bist du eigentlich schon Werder-Fan?
Zeigler: Ungefähr seit der Saison 77/78, da habe ich mir zum ersten Mal ein Werder-Poster aufgehängt.

Gab es da ein bestimmtes Ereignis?
Zeigler: Die WM von 1974 war das erste Großereignis, das ich mitbekommen habe. Da war mit Horst-Dieter Höttges allerdings nur ein Bremer dabei und der hat nur ein paar Minuten gespielt. Diese WM war dominiert von Bayern und Gladbachern und diese Mannschaften haben mich die ersten Jahre interessiert. Ich komme ja aus der Nähe von Bremen und bin dann mal zu einem Bundesligaspiel von Werder gegangen. Und zwar in einer Phase, in der Werder kein Geld hatte und abstiegsbedroht war.

Das klingt eher traurig.
Zeigler: Das war deprimierend und nicht gerade glamourös, was man da zu sehen bekam. Aber es führte auch zu einer Identifikation. Man wusste: Hey, deine Stadt, dein Verein kämpft ums Überleben. So bin ich dann immer näher an den Verein herangerückt. Ich bin dann auch mal zum Training gefahren, um mir Autogramme zu holen und die Spieler zu sehen. Irgendwann war es einfach da, so als ob man sich in einen Menschen verliebt. Das ist ja meistens eine völlig irrationale Sache. Es macht Klick, man findet jemanden toll, ohne dass man besonders viel über den Menschen wissen muss. Beim Fußball überlegt man sich ja nicht, bei welchem Verein man die meisten Titel für sein Geld bekommt. Im Idealfall funktioniert diese Bindung eben anders.

Kennst du die Rückennummern der Spieler auswendig?
Zeigler: Ist das jetzt ein Test?

Nein, keine Angst.
Zeigler: Also vielleicht zu 90 Prozent. Aber ich bin immer wieder erstaunt, wie oft ich nachschauen muss. So bis Nummer 20 kriege ich das hin, aber bei den höheren Nummern nicht. Das Problem ist, dass jede Saison neue Namen kommen. Je älter ich werde und je mehr ich vom Fußball mitbekomme, desto voller wird meine Festplatte. Ich weiß ganz genau, so mit vierzehn, fünfzehn hätte ich einen ganzen Spielplan mit allen Ergebnissen ausfüllen können.

Als Stadionsprecher bei Werder liest du also die Nummern ab?
Zeigler: Ja, natürlich.

Wie wird man denn Stadionsprecher?
Zeigler: Das ist sicherlich von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Ich bin froh, dass es in Bremen anders läuft, als bei den meisten anderen Vereinen.

Wie läuft es denn da ab?
Zeigler: Viele Vereine, wie Werder auch, haben eine Medienpartnerschaft mit einem Radiosender und da muss der Sprecher von diesem Sender sein. Vielleicht hat der Sender aber keinen Fußballfachmann oder der Fachmann steht einem anderen Verein nahe, dann wird der trotzdem Stadionsprecher. Ich will da jetzt niemanden diskreditieren, aber es gibt einen Stadionsprecher, der St. Pauli-Fan ist, aber bei anderem Verein arbeitet. Dort ist er wohl eher nicht so mit vollem Herzen dabei wie ich. Solche Beispiele gibt es immer häufiger. Wenn ich zu Auswärtsspielen fahre, erlebe ich zum Teil, dass die Stadionsprecher keine Ahnung haben. Natürlich muss man kein Fußballfachmann sein, aber es würde eben nicht schaden.

Und wie bist du selbst Stadionsprecher bei Werder geworden?
Zeigler: Da muss ich ausholen. Mein Vorgänger, Christian Günther, war eine absolute Ikone und ein bekannter Hörfunkmoderator bei Radio Bremen. Ich bin praktisch mit ihm aufgewachsen. Dann wurde er auch noch Stadionsprecher bei meinem Lieblingsverein, nachdem ich zwei oder drei Jahre Werder-Fan war. Er hat mich fast mein ganzes Leben lang begleitet. Bei Radio Bremen haben wir uns dann kennen gelernt, er war mein nettester Kollege. Ich hatte Samstag vormittags Sendung, er nachmittags und musste danach ins Stadion. Wenn Musik lief, haben wir die ganze Zeit in seinem Studio gesessen, Kaffee getrunken und uns über Werder unterhalten. Traurigerweise ist er vor sechs Jahren gestorben.

Und Werder musste die Stelle neu besetzen?
Zeigler: Genau. Werder hatte damals auch einen Privatsender als Partner. Der Verein hat mich dann angesprochen und kam mit der Idee der Doppelmoderation. Ich teile mir den Job des Stadionsprechers mit Christian Stoll von Hitradio Antenne. Ich selbst wollte das schon immer machen, aber als Christian Günther noch lebte, hat sich diese Frage natürlich nie gestellt. Für mich ist damit ein Wunschtraum in Erfüllung gegangen. Ich wollte immer zum Radio und wollte immer Stadionsprecher werden. Damals habe noch ich beim WDR in Köln gearbeitet und bin zwischen Köln und Bremen gependelt. Der Job des Stadionsprechers war für mich der Anlass, endgültig nach Bremen zu gehen und dort meine Homebase aufzubauen.

Wie neutral muss man als Stadionsprecher sein und wie parteiisch darf man sein?
Zeigler: Das findet sehr intuitiv statt. Es ist ja nicht so, dass irgendjemand Neutralität von uns erwartet. Man sollte aber ein gewisses Augenmaß dafür haben, wie sich eine bestimmte Abneigung gegen einen anderen Verein äußert. Ich persönlich bin dagegen, einen Verein zu diffamieren. Man kann Spitzen setzen und durchaus zum Ausdruck bringen, dass man einen Verein nicht sympathisch findet, aber man sollte es nicht tun, wenn der Verein im Stadion ist. Eigentlich sollte man die Stimmung unter Kontrolle halten. Ich würde zum Beispiel bei einem Spiel gegen Bayern München nicht „Bayern“ von den Toten Hosen auflegen, oder den HSV in seiner jetzigen Situation permanent piesacken. Ich bin zwar nicht gerade traurig, wenn der HSV ein Gegentor bekommt. Aber ich sage dann in der Halbzeit nicht: „Hä, hä, hä, jetzt guckt euch die Deppen an. Hoffentlich steigen die ab.“

Also anders als die meisten Fans auf der Tribüne?
Zeigler: Nun, wir ticken ja durchaus so wie Fußballfans. Aber man sollte schon ein gewisses Maß an Diplomatie an den Tag legen und sich nicht aufs unterste Niveau begeben. Wir sind schließlich keine Brüllaffen. Neben gesunder Rivalität mit anderen Vereinen, sollte man sich auf das Unterstützen der eigenen Mannschaft konzentrieren. Ich bin überhaupt ein Gegner von Antistimmung in Fanblocks.

Und wenn die Stimmung durch Feuerwerkskörper oder Schlägereien zu eskalieren droht, wie geht man da als Stadionsprecher heran?
Zeigler: Ich bin sehr froh darüber, dass es bei mir bis auf wenige Ausnahmen noch nicht dazu gekommen ist. Ein paar Mal hat es im Fanblock gebrannt, da macht man eine kurze Durchsage. In meinen fast sechs Jahren als Stadionsprecher ist die Situation bislang aber nie eskaliert.

Gibt es Vorschriften für solche Momente?
Zeigler: Ja. Es gibt ganz klare Richtlinien von der DFL. Das ist im Prinzip ein Leitfaden, wie man deeskalierend einwirken kann. Da sollte man vielleicht nicht unbedingt sagen: „Ey ihr Flachpfeifen, lasst das mal sein, sonst kriegt ihr ganz massiv Ärger.“ Man sollte aber auch keinen Formsatz ablesen, der rechts rein und links wieder rausgeht. Wir versuchen die Leute persönlich anzusprechen, mit aller Entschiedenheit. Mit Respekt und auf Augenhöhe versuchen wir klarzumachen, dass es Ärger gibt, wenn das Stören nicht aufhört. Grundsätzlich gibt es aber keine Patentlösung.

Was war denn für dich besonders unangenehm?
Zeigler: Immer, wenn Werder in Hamburg spielt. Da wird den Fans teilweise in der U-Bahn aufgelauert. Es gibt ein riesiges Polizeiaufgebot, das von den meisten Fans zusätzlich als Provokation wahrgenommen wird.

Und als Stadionsprecher?
Zeigler: Das war eindeutig der legendäre Stromausfall im Jahr 2004, beim Eröffnungsspiel gegen Schalke 04. Es gab eine Live-Übertragung im Free-TV, Riesenstimmung im Stadion, weil Werder Meister war. Werder gegen Schalke, die auch noch mit Ailton kamen. Bei diesem Spiel war eh die Hölle los. Dann fällt auch noch das Flutlicht aus und du kriegst die Information: „Wir suchen den Fehler, wissen aber nicht, wann wir ihn finden. Halt die Leute bei Laune.“ Da wurde mir mulmig.

Wie hast du Leute bei Laune gehalten?
Zeigler: Ich musste dauernd überlegen, was ich sagen kann, was ich sagen sollte und wann ich es sage. Was ist der Stimmung zuträglich und was nicht? Klar muss ich die Leute informieren, schließlich kann ich da ja keine Lügen erzählen. Wenn aber einer von der Polizei hereinkommt und sagt: „Wir haben den Fehler, aber das dauert noch mindestens eine Stunde“, dann kann ich ja auch nicht die Wahrheit sagen. Im Hinterzimmer der Sprecherkabine fanden dauernd Krisensitzungen mit den DFL-Leuten, Klaus Allofs und Rudi Assauer statt. Es war ein heißer Augustabend mit 28 Grad und um viertel nach neun waren die Getränke alle. Da konnte ich nicht sagen, dass es jetzt noch eine weitere Stunde dauert oder dass ich keine Ahnung habe. Ich konnte aber auch nicht Nichts sagen, also musste ich mich so durchlavieren.

Drohte die Stimmung denn umzukippen?
Zeigler: Wenn ich nichts gesagt habe, merkte man, dass der Unmut größer wurde. Wenn ich was gesagt habe, merkte man aber auch, dass eine gewisse Aggression aufkam, weil die Leute wollten, dass das Spiel stattfindet. Zum Glück ist der Fehler noch rechtzeitig behoben worden, sonst wäre das eine problematische Situation geworden.

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Ich erwarte von einem Fußballer nicht, dass er ein philosophisches Buch schreibt, sondern dass er sich in seinem Rahmen möglichst intelligent verhält

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Was macht ein Stadionsprecher eigentlich bei Auswärtsspielen?
Zeigler: Pro Saison fahre ich circa zu sieben oder acht Auswärtsspielen. Ich versuche als Fan so viele Spiele wie möglich mitzumachen. Dieses gesellschaftliche Element fehlt mir in Bremen ein bisschen. Ich kann ja nicht mit meinen alten Dauerkartenkumpeln auf der Tribüne stehen, eine Wurst essen und ein Bier trinken. Deshalb treffen wir uns jetzt immer nach dem Spiel in einer Kneipe beim Weserstadion.

Gibt es da bestimmte Spiele, zu denen du häufig fährst?
Zeigler: Ja. Dadurch, dass ich lange beim WDR war, habe ich im Westen viele Freunde. Über meine berufliche Schiene habe ich auch Freunde, die Fans von anderen Vereinen sind. Ich bin zum Beispiel mit dem Reporter Günther Koch recht gut befreundet, der ist nun wiederum Nürnberg Fan. Das heißt, Nürnberg ist ein fester Termin. Nach diesem Schema suche ich mir dann meistens die Auswärtsspiele aus.

Was war die härteste Zeit, die du als Werder-Fan mitgemacht hast?
Zeigler: Objektiv für den Verein natürlich der Abstieg im Jahr 1980. Aber das habe ich gar nicht so extrem wahrgenommen, weil ich selbst gerade frischer Werder-Fan war. Als Werder in der zweiten Liga gegen Lüdenscheid, Erkenschwick, Solingen und Victoria Köln spielen musste, habe ich fast jedes Heimspiel mitgemacht. Meistens hat Werder dann auch gewonnen und ist am Ende überlegen aufgestiegen. Ganz schlimm war für mich persönlich die Zeit nach Otto Rehhagel, als Werder keinen guten Trainer fand. Da kamen hintereinander Ad de Mos, Dixie Dörner, Wolfgang Sidka und Felix Magath. Bei jedem Trainer hatte ich kurz den Eindruck, jetzt könnte es wieder besser werden. Es wurde aber vier Jahre lang immer noch schlechter. Nachdem Felix Magath es auch nicht hingekriegt hatte, dachte ich, dass der Verein eigentlich kaputt ist. Es war kein Geld da, die Mannschaft war völlig desaströs zusammengestellt. Man hat gegen Rostock, St. Pauli und Wolfsburg zuhause 3:0 oder so verloren. Das war eine unheimlich düstere Zeit, bis Thomas Schaaf kam.

Woran liegt es eigentlich, dass Thomas Schaaf in Bremen den Status der Unantastbarkeit hat?
Zeigler: Ich nehme an, die furchtbaren Jahre vor ihm haben alle gelehrt, dass es nicht reicht, dauernd einen neuen Trainer zu suchen. Und ich glaube, es hat noch nie so gepasst, wie mit Thomas Schaaf. Man hat das Gefühl, dass der hierher gehört, den Verein verkörpert und nirgendwo anders arbeiten sollte. Das Gegenbeispiel war Felix Magath. Bei ihm hat man nie so gedacht. Ich mache immer drei Kreuze, wenn ich sehe, was anderswo in der Bundesliga passiert. Wie beim HSV, wo man den Trainer Thomas Doll in Hamburg zwar sympathisch findet, aber trotzdem das Gefühl hat, dass man ihn vielleicht mal irgendwann entlassen muss, weil es nicht mehr geht.

Was macht den Trainer Schaaf denn so besonders?
Zeigler: Seit er hier ist, ist die Mannschaft Jahr für Jahr weitergekommen. Im ersten Jahr hat er den Abstieg verhindert, im zweiten Jahr ist Werder neunter geworden. Seitdem geht es jedes Jahr weiter nach oben und auch jetzt sind noch Fortschritte erkennbar. Ich glaube, er hat so eine Art emotionale Intelligenz, die es ihm erlaubt, mit den Spielern auf eine Art und Weise umzugehen, die einfach funktioniert. Man denkt bei ihm nie, irgendwas sei nur Masche. Er ist ein in sich klarer Mensch und strahlt nach außen aus, dass er klare Vorstellungen hat. Er ist menschlich und gesprächsbereit. Im Gegensatz zu Felix Magath, von dem viele Spieler sagen, er rede gar nicht mit ihnen. Schaaf kann scheinbar mit jedem gut und ist als einziger Trainer überhaupt mit Ailton klargekommen.

Bei Magath saß er auf der Tribüne.
Zeigler: Ja. Vor allen Dingen ist Ailton auch hinterher nirgendwo klargekommen. Bei Schalke nicht, in Istanbul nicht, auch nicht beim HSV. Und jetzt bei Belgrad geht es auch schon wieder den Bach runter. Ailton ist eben ein extremer Typ, den man irgendwie bändigen muss. Und Schaaf hat das auf eine väterliche Art hingekriegt, weil er Zugang zu Spielern hat, die auch mal schwieriger sind. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum Werder momentan so erfolgreich ist. Natürlich holt Klaus Allofs auch gute Leute. Aber Thomas Schaaf treibt die unterschiedlichen Charaktere zu Höchstleistungen, weil sie sich ernst genommen und wohl fühlen. Egal, ob sie in der Startelf sind oder nicht.

Glaubst du, dass die Beliebtheit von Thomas Schaaf anhält, wenn Werder nicht mehr so erfolgreich spielt wie im Augenblick?
Zeigler: Auf jeden Fall. Ich glaube aber, dass die Entwicklung der letzten drei Jahre, nicht endlos so weitergehen wird. Vielleicht hat man in drei Jahren immer noch nicht die Champions-League gewonnen (lacht). Aber dass Thomas Schaaf mal umstritten ist, wird man hier nicht mehr erleben.

Wie würdest du dein Verhältnis zu Thomas Schaaf und Klaus Allofs beschreiben?
Zeigler: Das ist von Respekt geprägt. Wir duzen uns und ich bin heilfroh, dass die hier sind, weil ich eben auch schon andere Leute erlebt habe. Aber wir gehen abends keinen trinken. Eine gewisse Distanz sollte schon da sein.

Apropos Distanz: du bist ja nicht nur bekennender Werder-Fan und Stadionsprecher, sondern auch Journalist. Kann man in deiner Position überhaupt noch kritisch über den Verein berichten?
Zeigler: Ich bin ja kein Sportjournalist und mache keine Sportberichterstattung. Deshalb bin ich nicht auf Neutralität angewiesen. Ich habe kurz überlegt, in eine Sportredaktion zu gehen. Mit der Kommentierung eines Werder-Spiels hätte ich mir einen Traum erfüllen können. Aber dann hätte ich neutral sein müssen und das will ich eigentlich gar nicht. Wenn Werder ein Gegentor bekommt, würde ich mit Sicherheit „Scheiße“ rufen. Ich wollte mir das Fan-Sein erhalten.

Im letzten November ist dein knapp 600 Seiten dickes Werder-Buch „Lebenslang grün-weiß“ erschienen. Was schätzt du, wie oft es in Bremen unterm Weihnachtsbaum lag?
Zeigler: (lacht) Also es sind fast zwanzigtausend Stück verkauft. Ich nehme an, dass davon circa sechzehntausend unterm Weihnachtsbaum lagen. Viele Käufer haben sich bei mir bedankt, weil sie sich so keine Sorgen über ein Weihnachtsgeschenk machen mussten. Es war ein schönes Erlebnis, dieses Buch zu machen, aber auch eine harte Nuss.

Inwiefern?
Zeigler: Ich habe in meinem Leben noch nie so hart gearbeitet, wie im letzten halben Jahr, als das Buch fertig werden musste. Ich habe mir ja keinen Urlaub genommen, sondern alles in meiner Freizeit gemacht. Darunter hat natürlich auch meine Familie gelitten. Letztlich wurde das Buch immer umfangreicher und teurer, schon allein durch die Bildrechte der zweitausend Bilder. Und der kleine Bremer Verlag, bei dem ich es gemacht habe, ist ein sehr großes Risiko eingegangen. Schließlich haben die mir alles vorfinanziert.

Warum sollte sich jemand das Buch kaufen, der kein Werder-Fan ist?
Zeigler: Schwer zu sagen. Wenn ich mir als Käufer ein Buch hätte schnitzen dürfen, hätte ich gehofft, dass es so wird. Grundsätzlich kranken Fußballbücher meiner Meinung nach daran, dass sie zu akademisch, zu oberflächlich, zu statistisch oder nur Bilderbücher sind. Ich habe versucht, ein ausgewogenes Text-Bild Verhältnis zu machen. Insgesamt halte ich es für ein seriöses Nachschlagewerk, vielleicht auch für ein Zeugnis der Bundesligageschichte, das für Fans von anderen Vereinen interessant sein kann. Zur Not kann man sich über alte Fußballerfrisuren lustig machen. Ich bin zwar eindeutig einem Verein zugeordnet, aber schaue mir auch gern alte englische Sammelalben an, bei denen ich vielleicht keinen einzigen Spieler kenne.

In deiner Radio-Comedy „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, bereitest du seit einigen Jahren die Bundesligaspieltage satirisch auf. Welche Idee steckt dahinter?
Zeigler: Manchmal hat man den Eindruck, als würde Fußball mit der gleichen Ernsthaftigkeit betrieben wie eine Friedensverhandlung in Camp-David. Gerade durch die mediale Aufmerksamkeit ist Fußball aber auch manchmal unfreiwillig komisch geworden. Darauf kommt es mir bei meiner Sendung an. Ich finde es nicht so wichtig, wenn irgendein mediengeiler Trainer oder Spieler permanent versucht, lustige Sprüche zu machen.

Eher eine Art Pleiten, Pech und Pannen der Bundesliga?
Zeigler: Es geht mir gar nicht so sehr darum, die Leute in die Pfanne zu hauen, sondern eher bei jedem Spieltag zu gucken, was es Lustiges in den Medien gibt. Was gibt es für lustige Spielerinterviews, welche komischen rhetorischen Dinge haben sich möglicherweise eingeschliffen, die mittlerweile in jeder Übertragung vorkommen, obwohl sie keinen Sinn ergeben?

Welche Personen im Fußball-Zirkus verkaufen sich denn in der Öffentlichkeit besonders gut oder besonders schlecht?
Zeigler: Also ich habe ein komisches, geteiltes Verhältnis zu Franz Beckenbauer. Über dessen Interviews man sich ja gerne mal lustig macht, vor dem ich aber einen Höllenrespekt habe. Er ist ja von Haus aus ein eher einfacher Mensch, kein dummer Mensch, aber eben auch kein Akademiker. Jetzt bewegt er sich mit den größten dieser Welt auf einem Parkett und fast niemand bewegt sich so gut wie er. Er quatscht viel auf höchster Ebene, trotzdem höre ich ihm aus irgendeinem Grund eigentlich immer gerne zu. Das Horrorbeispiel ist für mich Olaf Thon, der wohl mal eine Rhetorikausbildung gemacht hat, sich dann für intelligent hielt und permanent gestochene Sätze von sich gibt, die man sich aber nicht anhören kann, weil sie langweilig sind.

Wie ist es denn bei Thomas Schaaf?
Zeigler: Den hat man lange unterschätzt, der aber meiner Meinung nach den trockensten Humor der Bundesliga hat. Ich denke die Medienlandschaft bringt es mit sich, dass man sich gut verkaufen muss. Leute, die das können, werden positiv wahrgenommen. Negativ fällt es dann auf, wenn man denkt, die Leute achten nur noch darauf, wie sie sich in der Öffentlichkeit verkaufen können. Da gibt es Leute, die als Medienstars gefeiert werden, die ich aber langweilig finde.

Wer zum Beispiel?
Zeigler: Der Ex-Profi Thomas Helmer moderiert Sendungen im DSF. Er macht das für seine Verhältnisse ganz gut, aber eben nur für seine Verhältnisse. Ich sehe lieber Leute, die nicht nur fehlerfrei vom Teleprompter ablesen können, sondern die auch Persönlichkeit haben. Ich finde es auch komisch, dass das DSF Berti Vogts als Experten geholt hat, der dann permanent Analysen in falschem Deutsch gibt. Er tut sich selbst und den Zuschauern keinen Gefallen damit. Ich war ein großer Freund der Bundesligaberichterstattung von Premiere, das war sehr unaufgeregt und die Experten waren gut. Furchtbar fand ich, dass Premiere während der WM Stefan Effenberg und Frau Effenberg geholt hat. Dann kam noch Boris Becker dazu. Das empfinde ich als große Katastrophe. Von diesen Leuten möchte ich mir nichts über Fußball erklären lassen. Aber gut, das ist Geschmackssache. Manche Leute kann ich einfach irgendwann nicht mehr sehen.

Gibt es auch Fußball-Intellektuelle?
Zeigler: Sicherlich. Aber ich würde den Begriff nicht so hoch ansetzen. Ich erwarte von einem Fußballer nicht, dass er ein philosophisches Buch schreibt, sondern dass er sich in seinem Rahmen möglichst intelligent verhält.

Auf wen trifft das zu?
Zeigler: Ich komme jetzt schon wieder auf Werder Bremen, nicht weil ich andere Vereine für uninteressant halte, sondern weil ich hier naturgemäß den besten Einblick habe. Klaus Allofs wird permanent zu allen möglichen Dingen gefragt und sagt selten etwas Dummes. Er ist immer bemüht, sehr diplomatisch zu sein, ohne nur Sprechblasen abzusondern. Diese Fähigkeit hilft in dem Job natürlich weiter, auch wenn das jetzt nicht unbedingt intellektuell zu nennen ist.

Wo ordnest du Uli Hoeneß ein?
Zeigler: Als Bremer darf man das ja eigentlich nicht sagen, aber ich habe großen Respekt vor ihm. Er ist vielleicht nicht so diplomatisch wie Klaus Allofs, aber er lebt für seinen Verein und lässt sich nichts gefallen. Er teilt auch mal aus, wenn er meint, es ist notwendig. Auch das ist nicht intellektuell. Aber im Fußball ist es schon wichtig, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu sagen. Allofs und Hoeneß können das.

Findest du, dass Fußball einen zu breiten Raum einnimmt?
Zeigler: Ich persönlich hätte es zum Beispiel gerne, wenn es wie früher in der Bundesliga zwei oder drei Freitagsspiele gäbe und der Rest am Samstag stattfindet. Am Sonntag dann zweite Liga. Dadurch konnte man sich aussuchen, ob man eher Fan einer Erstligamannschaft oder Zweitligamannschaft sein möchte. Dann hatte man entweder einen freien Samstag oder einen freien Sonntag. Jetzt kann man drei Tage ununterbrochen Fußball glotzen. Das nervt mich ein bisschen. Auch finde ich es übertrieben, dass allein um offenbar sehr lukrative Gewinnspiele zu verkaufen, jedes kleine Hallenturnier in epischer Breite übertragen wird, das zu 40 Prozent aus Werbeeinblendungen besteht. Dann gibt es jeden Tag Sendungen zur Bundesliga, auch wieder mit Gewinnspielen und Werbung. Ich hätte es gerne etwas komprimierter. Allein aus beruflichen Gründen muss ich mir das alles angucken, mir diesen Wahn antun. Das ist manchmal schon hart.

Eine Sportschau ohne Tor des Monats und ohne Gewinnspiel wäre dir lieber?
Zeigler: Mir wäre es lieber, wenn gewisse Dinge eine größere Bedeutung behalten hätten. Jetzt gibt es das Tor der Woche und dadurch fällt das Tor des Monats gar nicht mehr auf. Ich weiß oft nicht, wer jetzt was gewonnen hat. Ich bin gegen alles, was mit Inflation zu tun hat, deshalb habe ich nach wie vor Probleme mit der Champions-League.

Warum denn das?
Zeigler: Als es noch den Europapokal der Landesmeister gab, hat Bayern nicht jedes Jahr zweimal gegen Real Madrid gespielt, sondern nur alle fünf, sechs Jahre. Da hat man sich auf so ein Spiel drei Monate vorher gefreut. Jetzt hat man eigentlich jeden Gegner dauernd. Als Werder nach der Meisterschaft 2004 zum ersten Mal seit langem wieder in der Champions-League gespielt hat, bin ich nach Mailand gefahren. Das war für Werder ein Riesenereignis. In Mailand hatte ich das Gefühl, es interessiert überhaupt keinen, weil die eben permanent Mannschaften wie Barcelona oder Chelsea in der Stadt haben. Es ist jetzt so weit aufgeblasen, dass man als UEFA oder als Fernsehverwerter den größtmöglichen Profit rausschlagen kann. Aber das ist nicht immer im Sinne des Fußballs. Dadurch ist viel verloren gegangen, was man früher eben noch sehr viel emotionaler wahrgenommen hat.

Hast du denn die Befürchtung, dass irgendwann bei den Fans eine Sättigung einsetzt?
Zeigler: Sicher ist es nicht leicht, das richtige Maß zwischen der Ware Fußball und einer ausreichend empfangbaren Menge zu finden. Im Moment kann man aber montags zweite Liga gucken, dienstags und mittwochs Champions-League, donnerstags UEFA-Cup und Freitag ist wieder Bundesliga. Im Prinzip gibt es kaum noch fußballfreie Tage. Natürlich finde ich es gut, wenn ich jedes Spiel meiner Mannschaft live sehen kann. Bei DFB-Pokalspielen ist es ja manchmal nicht so, da werde ich schon unruhig. Aber früher hat man sich die ganze Woche auf ein Spiel gefreut. Ich vermisse ein wenig die Romantik.

Du hast die Kommerzialisierung bereits angesprochen. Wie lange dauert es denn noch, bis Werder-Bremen das Weserstadion umbenennt?
Zeigler: Schwer zu sagen. Ganz ehrlich: Mir würde das nur einen kleinen Stich geben. Man hat sich ja auch mit der Trikotwerbung abgefunden. Ohne wäre schöner, aber es ist nicht mehr rückgängig zu machen. Bei der WM hat mich gestört, dass die Stadien ihre Seele verloren haben. Alle sahen gleich aus, waren gleich dekoriert und überall war die gleiche Werbung. Die Namen waren neutral, weil kein Sponsor genannt werden durfte. Ich glaube, sobald Werder ein richtig lukratives Angebot bekommt, wird das Stadion auch umbenannt. Ich weiß es aber zu schätzen, dass Werder nicht das erstbeste Angebot angenommen hat.

Im Gegensatz zu anderen Vereinen?
Zeigler: Ja. Bei manchen Vereinen denke ich, die haben ihren Stadionnamen verramscht. Mittlerweile haben ja fast alle Stadien einen Sponsorennamen. Werder hat da noch Tafelsilber im Schrank und ist trotzdem einer der reicheren Vereine, weil er es sich erspielt hat. Im Gegensatz zu Schalke, um jetzt mal das Extrembeispiel zu nennen. Dort wird seit Jahren Geld zusammengepumpt, der Stadionname wurde verkauft. Jetzt ist Gasprom eingestiegen. Es wird also immer neue Kohle herangeschafft, trotzdem ist bislang kein Meistertitel dabei herausgesprungen.

Wer wird 2007 Deutscher Meister, wenn es Werder nicht schafft?
Zeigler: (lacht) Ich weiß, das ist eine Fangfrage, aber ich beantworte sie trotzdem: Ich hoffe, dass es dann Bayern wird.

Für einen Werder-Fan ist das eher ungewöhnlich.
Zeigler: Ich begegne Bayern zwar nicht mit übermäßig viel Sympathie. Aber im Vergleich zu Schalke denke ich, dass die Bayern sich ihren Status über Jahrzehnte selbst erarbeitet haben. Es behagt mir zwar nicht, aber die Bayern haben es sich im wahrsten Sinne des Wortes verdient, während ich bei Schalke das Gefühl habe, dass der Erfolg erzwungen werden soll. Was Dortmund früher gemacht hat und Schalke jetzt macht, ist für mich so was wie Doping. Das ist oben ärgerlich und natürlich auch für Vereine, die gegen des Abstieg spielen. Es mag altmodisch klingen, aber in meinen Augen widerspricht das dem sportlichen Charakter. Wenn schon nicht Werder, dann lieber Bayern oder Stuttgart, aber eben nicht Schalke.

Dann bist du wahrscheinlich auch ein großer Kritiker des FC Chelsea?
Zeigler: Bevor Roman Abramowitsch kam, fand ich Chelsea immer sehr sympathisch. Ich bin sowieso ein großer London-Fan. Eigentlich geht das ja nicht, aber ich mochte Arsenal und Chelsea. Man kann Kommerz zwar kritisch sehen, aber man kann ihn nicht mehr vermeiden. Arsenal wirft ja auch mit Geld um sich, aber Chelsea ist da in ganz neue Dimensionen vorgedrungen. Als Fan würde ich das nur am Anfang gut finden. Wenn ein Verein alle Spieler in die Wüste schickt und mit dem Einkaufswagen eine Weltklassemannschaft zusammenkauft, ist es nicht das, was ich als Fan wollen würde. Die Mannschaft sollte natürlich wachsen und nicht nach Bedarf ausgetauscht werden.

Schließt du das Chelsea-Modell für Werder aus?
Zeigler: In dem Maß schon. Werder hat ja auch seine Spieler in den letzten drei Jahren nahezu komplett ausgetauscht. Der Unterschied besteht darin, ob man jeden Spieler haben kann, indem man nur mit dem Finger schnippt oder ob man genau hinschauen muss. Da rechne ich die Leistung von Werder, Mainz oder Hertha BSC viel höher an. Hertha holt eben für relativ wenig Geld einen Marko Pantelic.

Was machst du am 19. Mai 2007 um 17:16?
Zeigler: Ich hoffe, dass ich dann nur noch gelöst und entspannt bin, weil die Meisterschaft schon eine Woche vorher eingefahren werden konnte. Es gibt ja nicht so viele unvergessliche Momente im Leben. Eine Meisterschaft sollte immer etwas Besonderes bleiben, wenn man nicht gerade Bayern München ist und ohnehin ständig Meister wird.

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