Anna Thomson

Ich kann mich selbst nicht angucken.

Schauspielerin Anna Thomson über ihre Filme "Sue", "Fiona" und "Bridget, den Regisseur Amos Kollek und dass sie es vermeidet, sich selbst auf der Leinwand zu sehen

Frau Thomson, Ihre Filme „Sue“, „Fiona“ und „Bridget“ zeigen ein ehrliches, realistisches und für die Filmwelt seltenes Frauenbild. Wie beurteilen Sie selbst die Darstellung der Frau im Film?
Anna Thomson: Also, ich gucke gar nicht so viele Filme von heute, mir gefallen die älteren eh besser. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich von den alten Schauspielern niemand persönlich kenne, ich kann diese Filme einfach angucken und Spaß dabei haben. Denn wenn man die Schauspieler kennt, sagt man sich immer gleich „oh, ich habe mit dem oder der gearbeitet, mit dem war ich essen, der Regisseur ist nicht so nett“ usw. – das macht dann nicht wirklich Spaß.

Aber welches Bild der Frauen mögen Sie mehr, das alte, oder das heutige?
Thomson: Filme sind ja immer ein Produkt ihrer Zeit mit all ihren Makeln. Wenn ein Film verrückt ist, kannst du eben sagen: das waren halt die 40er. Was zum Beispiel die Frauenbewegung der 70er anbelangt, die hatte – wie jede neue Bewegung – etwas Gutes aber sie hat auch Schaden angerichtet. Sie hat die Männer verwirrt. Sollen sie einer Frau noch die Tür aufhalten? Sollen sie im Restaurant die Rechnung bezahlen? Sollen sie die Frau anrufen oder auf den Anruf warten? Und wenn sie anrufen, sind sie dann Sexisten oder wollen sie einfach nur ein Date? – Es ist heutzutage nie klar, wer was tun oder lassen soll.

Was nun das Medium Film anbelangt: Ist auch Ihrer Meinung nach das Frauenbild im Film zu sehr auf Schönheit und Makellosigkeit fixiert?
Thomson: Also, ich denke, dass ist eigentlich bei jeder Filmfirma so, auch außerhalb Hollywoods: wenn eine Frau zu einem Casting geht, aber nur eine durchschnittliche Figur hat, dann werden manche Regisseure vielleicht sagen: „Besorgt mir eine hübschere“ – auch wenn sie die allerbeste Schauspielerin ist. Egal in welches Land sie geht, sie wird weniger Rollen bekommen. Nirgendwo wird jemand sagen: ganz egal wie sie aussieht, sie kriegt die Rolle. Warum das so ist, ob das biologisch, psychologisch oder praktisch bedingt ist, ob Hollywood das erfunden hat… – ich weiß es nicht.

Die Filme, die sie mit Amos Kollek gedreht haben, zeigen drei zum Teil sehr unglückliche Frauenschicksale. Hilft es Ihnen beim Spielen, wenn Sie ähnliche Dinge schon einmal selbst erlebt haben?
Thomson: Ja, es ist schon einfacher, wenn du das selbst erlebt hast. Du kannst dann darüber nachdenken und gleichzeitig versuchen, vor der Kamera etwas Neues zu schaffen. Ich war ja nie auf einer Schauspielschule, weshalb die einzige Art zu schauspielern, die ich kenne, darin besteht, richtig daran zu glauben, was man spielt. Wenn man eine bestimmte Sache selbst erlebt hat, ist es aber auch wichtig, dass man nicht nur in seinen Erinnerungen lebt, dass man mit den Gedanken nicht nur in der Vergangenheit ist. Du musst die Sache dann noch einmal leben, während du das drehst.

Tut das manchmal auch weh?
Thomson: Ja, sicher. Aber vielleicht ist das auch richtig so. Vielleicht ist das für die Szene richtig so, vielleicht ist das deine Wahrheit. Du kannst nur etwas spielen, was für dich selbst auch die Wahrheit ist. Weil, wenn es nur Fake ist, macht das keinen Sinn.

Wie ist Amos Kollek bei solchen Szenen, wo es sehr persönlich wird?
Thomson: Er geht mit dir sehr behutsam um, er sagt immer nur ein paar Worte – und normalerweise sind wir uns auch einig. Darüber bin ich auch glücklich. Denn wenn wir nicht miteinander zurechtgekommen wären, dann hätten wir keinen zweiten, dritten und vierten Film zusammen gemacht. Wir hätten nur gesagt: „War nett mit ihnen zu arbeiten und Tschüss.“

Wie viel Persönliches steckt denn von Amos Kollek selbst in seinen Filmen?
Thomson: Ich glaube, wahrscheinlich ist alles, was er schreibt, irgendwo echt. Ich glaube zumindest nicht, dass er so Fake-Dinge erfinden würde, sondern er versucht Dinge aufzuschreiben, die er erlebt hat, die er gesehen hat – nur ein wenig verändert. Deshalb sind es auf der Leinwand auch oft Frauen, die diese Dinge erleben.

Sie haben in „Fiona“ auch mit richtigen Prostituierten gespielt – wie war diese Zusammenarbeit?
Thomson: Amos hatte diese Prostituierten eigentlich nur zur Vorbereitung von Fiona getroffen, und in der Zeit haben wir auch nach Schauspielerinnen gesucht. Da meinte dann Amos, diese Frauen seien großartig und er hat mich gefragt, ob ich vielleicht mit ihnen den Film machen will. Also habe ich sie getroffen und sie waren sehr liebenswert und dem Film gegenüber aufgeschlossen. Normalerweise sind Prostituierte ja sehr verschlossen. Sie schlafen mit fremden Männern, zeigen aber nicht ihr Herz, weil sie sich wenigstens etwas Privatsphäre erhalten müssen. Sonst würden sie an diesem Beruf zerbrechen. Zu uns waren sie dann aber sehr offen.

Wie sehr unterscheidet sich denn das Film-Resultat davon, wie Sie die Dreharbeiten erlebt haben?
Thomson: Ich habe ja nur „Fiona“ gesehen, die anderen Filme nicht. „Bridget“ ist der Film, der mir dabei ein bisschen Sorge macht. Man sagt ja, dass jede Mutter so ein Sorgenkind hat, welches am problematischsten ist. Ich mache mir um „Bridget“ ein wenig Sorgen, weil das ein sehr harter Dreh war.

Aber sagen Sie, warum haben Sie sich die anderen Filme nicht angeguckt?
Thomson: Gehen Sie nach Hause und gucken sich immer Fotos von sich selbst an? Oder Videos? Stunden und Stunden von Videos, die jemand von Ihnen aufgenommen hat? Ich kann mich selbst nicht angucken. Ich kann nur hoffen, dass ich es gut gemacht habe. Es gibt natürlich Schauspieler, die ihre Filme studieren und versuchen, davon zu lernen.

Haben Sie keine Angst, dass das Resultat am Ende schlecht ausfallen könnte?
Thomson: Ich habe immer Angst, natürlich. Aber da muss ich dem Regisseur vertrauen.

Aber es wäre doch eigentlich normal, wenn man schon so lange an einem Film arbeitet …
Thomson: Es hilft mir aber einfach nicht. Als ich mir einmal zehn Minuten aus „Bridget“ angeguckt habe, war ich sehr aufgebracht, ich habe geweint, ich habe eine Woche nicht mit Amos geredet – das war nicht hilfreich.

Sind also für Sie die Dreharbeiten die Hauptsache?
Thomson: Ja, ich denke schon. Ich war auch unglaublich glücklich mit Amos. Ich musste am Ende nicht den Film sehen, um zu wissen, dass etwas bei unserer Arbeit herausgekommen ist. Und selbst wenn ich ihn mir angucken würde, es würde nichts zur Sache tun, was ich darüber denke. Ich mache die Filme ja nicht für mich, sondern ich mache die Filme, weil ich hoffe, dass irgendjemand etwas davon mitnimmt.

Sie verfolgen also bestimmte Ziele mit Ihren Filmen?
Thomson: Ja, ich denke schon. Wobei ich glaube ich bisher keinen politischen Film gemacht habe. „Sue“ ist vielleicht der politischste von allen, auf eine komische Art und Weise. Wir konnten am Anfang in den USA nicht genügend Geld zusammenkriegen für „Sue“. Und schließlich haben Amos und ich selbst das Geld in den Film gesteckt. Die Leute haben uns zwar gesagt: wenn ihr das Ende ändert, bekommt ihr Geld. Es sollte ein Happy-End werden… Aber warum? Man kann nicht einfach nur das Ende eines ganzen Films ändern, der so gut geschrieben ist und wo die Geschichte von Sue einfach sehr wahr ist. Wir haben das Ende also nicht geändert.
Bei „Sue“ war es mir auch wichtig, den Leuten zu zeigen: wenn du eben nicht im Lotto gewinnst, nicht den richtigen Typ bekommst – dass das nicht heißt, dass du falsch und wertlos bist. Das ist wichtig zu wissen: nur weil dein Leben nicht für andere Leute nach Erfolg aussieht, heißt das nicht, dass du keine Würde hast dass du auch einer Betrachtung nicht würdig bist.

Zum Schluss die Frage: gibt es eine Schauspielerin, die sie früher gerne selbst gewesen wären?
Thomson: Ich mochte immer sehr Sophia Loren. Und ich mochte Capucine aus dem „Rosaroten Panther“ sehr gerne. Die war sehr lustig – und immer wundervoll angezogen.

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