Michel Friedman vs. Horst Mahler

Der Umgang mit Mitgliedern der rechten bzw. rechtsextremen Szene in den Medien ist in Deutschland gar nicht mal umstritten – denn er findet in der Regel überhaupt nicht statt. In Polit-Talkshows werden Politiker der NPD oder Republikaner nicht eingeladen, auch im Rundfunk und den Print-Medien lässt man die Rechten höchstselten direkt zu Wort kommen. Was zu einem gewissen Maß nachvollziehbar ist, da man sonst als Redakteur ggf. die Verantwortung für ausländerfeindliche, antijüdische o.ä. Äußerungen zu tragen hat.

Furchtlos in dieser Hinsicht ist dagegen der Journalist Michel Friedman, der Anfang Oktober für das Magazin „Vanity Fair“ ein langes Interview mit Horst Mahler führte. Bereits im Februar 2007 hatte sich Friedman auf rechtes Terrain begeben, als er für das Magazin eine Veranstaltung der NPD und eine rechte „Szenekneipe“ besuchte und sich mit NPD-Funktionären unterhielt.

Nun also Horst Mahler, früher RAF-Aktivist, heute Antisemit, Holocaust-Leugner, Friedman bezeichnet ihn (im Interview mit süddeutsche.de) als „pseudowissenschaftlichen Ideologen“. Zwei Stunden hat das Gespräch gedauert – und im Internet ist es jetzt Wort für Wort nachzulesen. Die Vanity Fair-Redaktion entschied sich für eine Komplett-Veröffentlichung, Mahler verzichtete auf eine Autorisierung und die Redaktion ihrerseits verzichtete darauf, das Interview sprachlich zu glätten (Teil 1 hier, Teil 2 hier).

Überschrieben hat Vanity Fair den streitbaren Dialog mit „So spricht man mit Nazis“ und die Veröffentlichung wie folgt begründet: „…weil wir glauben, dass es eine bessere Bloßstellung der deutschen Rechtsextremen nie gegeben hat“ – die Latte liegt also äußerst hoch.

Doch als Leser hat man es mit diesem Interview-Dokument wahrlich nicht einfach. Da ist zum einen die schiere Länge des Gesprächs (etwa 50 DIN-A4-Seiten dürften sich damit füllen lassen), die die Auseinandersetzung erschwert. Zum anderen ist es die Art der Gesprächsführung: Antworten, die über mehr als drei Zeilen hinaus gehen gibt es kaum, die Gedankenwelt des Horst Mahler erschließt sich dem Leser daher nur recht bruchstückhaft.

Doch Friedman hat eben auch seine Ziele, er will Mahler in die Ecke treiben, er greift ständig Äußerungen Mahlers auf, um deren inhaltliche Schwäche zu verdeutlichen, er will die Widersprüche seiner kruden antisemitischen Theorien zum Vorschein bringen. Größtenteils gelingt ihm dies auch.
Wenn man sich dann durch das Marathon-Wortgefecht durchgeackert hat, weiß man, wie hohl das Weltbild eines Horst Mahlers ist und wie verblendet er ist von antisemitischen Ideologien („die jüdischen Banken haben die Macht“, „die Juden sind Feinde der Deutschen“, „die Juden haben es geschafft, die katholische Kirche restlos in ihren Machtbereich einzubeziehen“, „Gott will, dass das Deutsche Reich wiederaufersteht und den Judaismus überwindet“ usw.).

Kritiker mögen es nun für gefährlich halten, all diese Volksverhetzungs-Passagen zu veröffentlichen und Mahler ein derart großes Forum zu geben. Doch wenn man einen knallharten Journalisten wie Friedman gegen ihn ins Rennen schickt, kann man sicher sein, dass die angestrebte Bloßstellung funktioniert. Man könnte auch sagen: kaum ein anderer Journalist ist für diese Aufgabe besser geeignet als Michel Friedman.

Wie im Teaser erwähnt, hat das Gespräch bereits ein breites Echo gefunden, hier ein paar Links:

Bericht von der Netzeitung
Kommentar von Henryk M. Broder auf Spiegel Online
Kommentar von Ramona Ambs auf hagalil.com
Kommentar von Lizas Welt
Eintrag bei NPD-BLOG.INFO
Eintrag beim Medienblogger

Und nicht zuletzt weisen wir in diesem Kontext gerne noch auf die ausführlichen PI-Interviews mit Michel Friedman und Henryk M. Broder hin.

Nachtrag 06.11.: Harald Martenstein kommentiert das Interview im Tagesspiegel

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