Ist der „Echo“ transparent genug?

Keine Frage, der „Echo“, ist Deutschlands prominentester Musikpreis, Ina Müller bezeichnete ihn in ihrer Anmoderation am 24.03. auch als den „begehrtesten“. Aber wissen die Zuschauer eigentlich, nach welchen Kriterien er vergeben wird? Dass in den meisten Kategorien (ich beziehe mich im Folgenden auf die Kategorien 1-18) nur als Sieger gekürt wird, wer im Jahr zuvor am meisten Tonträger in Deutschland verkauft hat?

Ein Großteil vermutlich nicht. Bei der Echo-Verleihung vom 24.03.2011 wurde dieser Umstand auch bewusst verschleiert. So gibt es bei der Verleihung „Nominierte“, was allerdings kaum Sinn ergibt, wenn die Verkaufszahlen ja ohnehin feststehen. Dennoch wird der Name des Gewinners aus einem Umschlag gezogen, was an richtige Preisverleihungen wie z.B. die Academy Awards erinnert. Auch werden manche Gewinner z.B. als „beste Gruppe international Rock/Pop“ angekündigt. Verkaufszahlen jedoch können nur etwas über Quantität aussagen, nicht über Qualität.

Dafür würde eine Jury benötigt. In einem „Kategorien-Folder“ (pdf hier) erwähnt die Deutsche Phono-Akademie tatsächlich eine Jury, darin vertreten „Mitglieder des Bundesverbandes, Musikindustrie e. V. und musikaffine Partner aus Rundfunk, Presse, TV sowie ehemalige Preisträger (je Mitglied 1 Stimme)”.

Doch Tim Renner, einst Chef von Universal Music Deutschland, heute Chef von Motor Entertainment, bezweifelt deren Existenz. Im E-Mail-Interview sagt er: „Bei Motor arbeiten frühere Echo-Gewinner und Motor vertritt solche auch als Künstler. Niemand von ihnen hat in den letzten Jahren einen Jury-Bogen für die Bewertung von Echo-Kandidaten zugeschickt bekommen. Dasselbe gilt für das Musikradio Motor FM. Weshalb sollte man ausgerechnet uns immer vergessen? Wahrscheinlicher ist, dass die hier angegebene Praxis nicht gelebt wird. Sie macht auch keinen Sinn: Entweder entscheidet, wie der Echo-Produzent Gerd Gebhardt nicht müde wird zu betonen, der Käufer an der Ladenkasse oder eine Jury. Das eine bildet objektiv Quantität, das andere subjektiv empfundene Qualität ab. Eine Mischung aus beiden kann nicht wirklich zielführend sein. Und selbst wenn man diesen unlogischen Mix anstrebt, wo steht in welchem Verhältnis dies geschieht?“

Auf der Website des Echo steht es jedenfalls nicht, detaillierte Informationen über die Zusammensetzung der Jury und über das Abstimmungsverfahren fehlen. Ein wenig mehr Transparenz wäre also wünschenswert. Leider blieb eine E-Mail an Herrn Dieter Gorny (Vorstandsvorsitzender Bundesverband Musikindustrie e. V.) bislang unbeantwortet und auch Stefan Niggemeier – Bildblog-Erfinder und einer der Autoren der jüngsten Echo-Verleihung – konnte mir die Frage, warum es beim Echo Nominierte gibt, nicht beantworten.

Dafür, dass der Echo in Deutschland von vielen Menschen als Preis für Qualität wahrgenommen wird, an dieser Stelle ein Beispiel aus dem Forum auf michaeljackson.com. Ein Fan äußerte sich über die Nominierung Jacksons in der Kategorie Künstler international Rock/Pop wie folgt:

„Geht es der deutschen Musikindustrie bei der Verleihung des Echo wirklich um Kreativität, Kunst und Kultur, rechne ich mir sehr gute Chancen für Michael Jackson aus. Ich kenne kaum einen anderer Künstler der diese drei Eigenschaften so sehr auf sich beziehen kann wie er. Künstler werden für ihre herausragenden Leistungen ausgezeichnet. Wer den Echo erhält, darf sich zu den Besten zählen und Michael Jackson ist für mich und zahllose Fans bei uns in Deutschland und natürlich auf der ganzen Welt der Beste. Es ist schön miterleben zu können, dass Michael Jackson für die Musikwelt auch aktuell noch so bedeutsam ist und er immer noch präsent ist. Es würde mich auch schon sehr wundern, wenn es anders wäre. Ich drücke Michael Jackson ganz fest die Daumen. Der Gewinn des Echos wäre ein schönes Zeichen von Respekt, den man ihm entgegenbringen sollte, er hat es sich ganz sicher mehr als verdient und die Welt könnte auf diesem Wege ein weiteres Mal darauf aufmerksam gemacht werden, dass Michael Jacksons Werke unsterblich sind.“

Dieser Respekt wäre Michael Jackson nur zuteil geworden, wenn er posthum im vergangenen Jahr schön viele CDs verkauft hätte. Doch dafür hatte er einfach zu wenig Zeit, das Album „Michael“ erschien erst im Dezember 2010. Phil Collins Album „Going Back“ hingegen wurde bereits im September veröffentlicht, erhielt je einmal Gold und Platin – und als einen weiteren Quantitätspreis den Echo. (Verkaufszahlen können u.a. hier nachrecherchiert werden).

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