Framing bei Übermedien? – korrigiert

Update 15.10.: Übermedien/Boris Rosenkranz schreibt zum hier gebloggten Text: Wir haben die Zwischenüberschrift korrigiert, danke für den kritischen Hinweis! (Stammte übrigens nicht vom Autor, sondern von mir.) Ob das Meinungsbild auf Youtube repräsentativer ist als auf Twitter, naja. Wichtig ist doch vor allem, dass sich unser Autor intensiv mit der Sendung befasst und auch beim WDR nachgefragt hat. Deshalb steht in unserem Text auch, dass es drei Experten im Studio waren, nicht „rund zehn“, und 35 Bürgerinnen und Bürger, nicht 28.

Das wird jetzt nicht so lang, weil ich das Portal Übermedien eigentlich ganz toll finde und auch sehr gerne dafür zahle. Und hinter meiner Überschrift steht ganz bewusst ein Fragezeichen, kein Ausrufezeichen.

Es geht um einen Text des NDR-Journalisten Alex Grantl vom 12.10. über einen Bürgertalk des WDR vom 08.10.

Dort trugen Bürger Ihre Meinung vor, zum Thema „Lockern oder verschärfen? Welche Corona-Regeln sind richtig?“. Und Alex Grantl findet, dass die Sendung schlecht war, weil dort – im Gegensatz zu aktuellen Umfragen wie dem Deutschlandtrend (PDF) – zu viel gegen die Corona-Maßnahmen argumentiert wurde, mitunter verschwörungstheoretisch. Grantl kritisiert die Gästeauswahl und suggeriert am Ende, der WDR berichte hier unausgewogen, indem er eine „verzerrte Diskussion“ sendet.

Unausgewogen bzw. verzerrt ist aber vor allem, wie Grantl seine Kritik umrahmt:

Da sind einerseits vier eingebettete Tweets mit vielen Likes, welche die Sendung kritisieren (was optisch betrachtet relativ viel Raum einnimmt).

Da ist andererseits eine lobende Gegenstimme, Boris Reitschuster, die zitiert, aber nicht verlinkt oder eingebettet wird.

Und eine Zwischenüberschrift stellt das Echo auf die Sendung so dar:

Diese Darstellung ist mindestens nicht belegbar, sehr verzerrt, wenn nicht sogar völlig falsch.

Es gibt zu der Sendung verschiedene lobende Tweets, etwa von Boris Reitschuster oder Stefan Homburg, und schon diese beiden haben zehn mal mehr Likes als jene kritischen, die Grantl einbettet.

Diese Tweets muss man weder mögen noch verlinken, aber die dortige (viel größere) Zustimmung zu verschweigen, ist in diesem Fall: unausgewogen.

Auch einen Tweet wie den folgenden, blendet Grantl nicht ein. (Nachtrag: In den Kommentaren wurde darauf hingewiesen, dass die Zahlen in diesem Tweet nicht stimmen; ich habe nicht nachgezählt)

Wer nun aber, wie ich, das Meinungsbild auf Twitter für kaum repräsentativ hält, kann die Zustimmungsrate für die WDR-Sendung auch auf Youtube recherchieren. Dort steht die Sendung seit dem 08.10. im offiziellen Kanal des Senders, hat mittlerweile knapp zehn mal mehr Daumen hoch als runter (aktuell: 3641 zu 383, Verhältnis am 09.10.: 563 zu 174) und wer die Kommentare liest, wird feststellen: Viel Lob, kaum Kritik.

Und warum hätte das Alex Grantl nicht nur recherchieren können, sondern recherchieren müssen?

„Es ist essentieller Grundsatz, die Argumente, die gegen eine These sprechen, mit der gleichen Akribie zu recherchieren, wie die Argumente dafür.“ (Anja Reschke, in „Haltung Zeigen“, S.63)

Und noch der Vollständigkeit halber: Beim NDR, wo Grantl arbeitet, gibt es im Fernsehen meines Wissens keinerlei Diskussions-Format, wo Bürger so viel Redezeit bekommen, wie in der von ihm kritisierten WDR-Sendung.

+++ +++

Unabhängig vom oben Geschrieben:

Der WDR hat hier meines Erachtens sehr viel richtig gemacht: Er hat (viele!) BürgerInnen sprechen lassen, die allesamt den WDR mit ihrem Geld finanzieren. Dazu hatte der WDR einen „Faktenchecker“ in der Runde (der mehr Redezeit hatte, als jede(r) der übrigen Teilnehmenden). Dass so ein Live-Faktencheck hier und da vielleicht nicht ausreicht, mag sein, aber daraus würde ich aufgrund der Live-Situation niemandem einen Vorwurf machen.

Dass nun ein ARD-Journalist ausgerechnet bei dieser Bürgerrunde ein „verzerrtes Stimmungsbild“ kritisiert, ist auch etwas seltsam. Schließlich werden öffentlich-rechtliche Talkrunden schon seit Jahren von vielen verschiedenen Leuten, auch von mir, dafür kritisiert, dass sie die Gesellschaft nicht richtig abbilden.

6 Kommentare zu “Framing bei Übermedien? – korrigiert”

  1. Boris Rosenkranz |

    Wir haben die Zwischenüberschrift korrigiert, danke für den kritischen Hinweis! (Stammte übrigens nicht vom Autor, sondern von mir.) Ob das Meinungsbild auf Youtube repräsentativer ist als auf Twitter, naja. Wichtig ist doch vor allem, dass sich unser Autor intensiv mit der Sendung befasst und auch beim WDR nachgefragt hat. Deshalb steht in unserem Text auch, dass es drei Experten im Studio waren, nicht „rund zehn“, und 35 Bürgerinnen und Bürger, nicht 28.

    Antworten
  2. Claus |

    Lustig, dass Sie beklagen, dass der Tweet von Ralf Schumacher nicht eingebettet wurde – denn in dem schreibt Schumacher, es seien 10 Experten zu Wort gekommen, dabei waren es nur drei.

    Antworten
  3. Egon |

    Was Sie hier Tag für Tag verzapfen, Herr Buhre, gleitet langsam ein wenig ab in eine schwierige Richtung. Sie scheinen ein Fan bestimmter Youtube Kanäle zu sein. Sicher melden Sie sich auch bald bei Telegram zu Wort um uns aufzuklären. Jakob, der Wendler.

    Antworten
    1. Jakob Buhre Artikelautor|

      könnten Sie noch sagen, was Sie mit „schwierige Richtung“ meinen?

      Antworten
  4. Egon |

    “Das wird jetzt nicht so lang, weil ich das Portal Übermedien eigentlich ganz toll finde und auch sehr gerne dafür zahle.”
    >>> Damit haben Sie Ihre Art und Weise Journalismus zu betreiben gut auf den
    Punkt gebracht.

    Antworten
    1. Jakob Buhre Artikelautor|

      Ich formuliere es gerne anders für Sie: ich brauche über Übermedien keine langen Stücke schreiben, weil es mMn auf dem Portal nur wenig zu beanstanden gibt. So besser verständlich?

      Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.